Ein Kredit der HSH Nordbank sichert Aufträge bis Sommer ab. Maschinenfabrik muss dennoch Stellen abbauen. Hoffen auf neuen Investor.

Hamburg. Kahl recken sich die Obstbäume vor der Werft in den düsteren Himmel. Im Dock fällt der Regen auf den weißen Neubau einer Fähre, Planen decken die Metallwände ab, flattern im Wind. Das Gelände mit seinen Backsteingebäuden und den Kopfsteinpflasterwegen ist menschenleer. Die Mitarbeiter der Sietas-Werft und der Tochter Neuenfelder Maschinenfabrik, zusammen knapp 950 Beschäftigte, sind an diesem Vormittag bei einer Betriebsversammlung. Nach dem Insolvenzantrag im November wollen sie wissen, wie es um die Zukunft der 1635 gegründeten Werft steht. Grau wie der Himmel über der Werft ist bei der anschließenden Pressekonferenz auch die Krawatte von Werftchef Rüdiger Fuchs. Dagegen strahlt der vom Amtsgericht eingesetzte Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann. Denn er hat eine gute Nachricht. Seit dem späten Donnerstagabend hat die Werft eine Kreditzusage über 23,2 Millionen Euro von der HSH Nordbank. Damit sind die Aufträge über einen Schwimmbagger und eine Fähre gesichert. "Sie lasten die meisten der 700 Beschäftigten bis zum Sommer aus. Wir haben damit ein halbes Jahr Zeit gewonnen", sagte Fuchs.

Gleichzeitig sind jetzt die Verhandlungen mit der niederländischen Van-Oord-Gruppe für den Bau eines bereits konstruierten Windkraftinstallationsschiffes angelaufen. "Der Auftrag ist nicht gekündigt. Aber er lässt sich mit den vorhandenen Mitteln nicht finanzieren", sagt Brinkmann. Gerade dieser mehr als 100 Millionen Euro schwere Auftrag würde aber die Zukunftschancen für die Traditionswerft deutlich erhöhen. "Wir sind die einzige deutsche Werft, die bisher ein solches Schiff entwickelt hat und auch die Kräne dafür anbieten kann", sagte Fuchs. Die Technologie bilde "eine Brücke in die Zukunft". Wie gut die Chancen sind, blieb am Freitag offen. Immerhin haben die Niederländer aber inzwischen Geld für erste Arbeiten an einem zweiten Schiff bereitgestellt. "Dieser Auftrag besteht allerdings bisher nur aus reiner Hoffnung", sagte Brinkmann.

+++ Sietas-Werft in der Krise +++

+++ Sietas-Pleite: Fast 1000 Mitarbeiter bangen um ihre Jobs +++

In den nächsten Wochen soll nun ein neues Konzept für die Sietas-Werft entwickelt werden. Dabei sollen Offshore-Versorger und Installationsschiffe für Plattformen auf See eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig soll die HSH-Tochter Corporate Finance nach einem Investor suchen. Vor der Insolvenz war dies allerdings nicht gelungen. Ob und wie viele Arbeitsplätze noch gerettet werden können, blieb gestern offen. Fuchs hatte aber schon Mitte November angekündigt, dass auf keinen Fall alle der insgesamt 700 Stellen erhalten werden könnten. Es werde zum Abbau "einer nicht unerheblichen Zahl von Arbeitsplätzen" kommen, hatte er damals vor der Presse gesagt.

Bei den Mitarbeitern lösten die Nachrichten am Freitag gemischte Gefühle aus. "Es ist ganz gut, dass wir jetzt wissen, wie die Lage ist", sagt Margit Quast, die seit 16 Jahren als Kranfahrerin bei Sietas arbeitet. "Die Finanzkrise hat uns zuletzt stark unter Druck gesetzt, dazu kamen die Altlasten, die in den vergangenen Jahren angefallen sind, als wir noch Containerschiffe gebaut haben", sagt die 48-Jährige. Die neue Führung unter Rüdiger Fuchs mache ihre Arbeit im Prinzip gut, allerdings sei der Start in den Spezialschiffbau bei der Werft in den vergangenen Monaten auch nicht ganz reibungslos abgelaufen. Inzwischen aber liefen die Arbeitsprozesse beinahe wieder optimal. "Es wäre einfach unvorstellbar, wenn unsere Werft, die den Dreißigjährigen Krieg überstanden hat, diese Krise jetzt nicht überlebt", sagt Margit Quast und schüttelt den Kopf. "Aber wir sind ja Leiden gewohnt", ergänzt ihr Kollege Volker Schürmann. Sie treffen jetzt auch die Sietas-Tochter Neuenfelder Maschinenfabrik.

Diese Gesellschaft ist von der Insolvenz zwar nicht betroffen. Allerdings ist der Boom bei den dort gebauten Schiffskranen vorbei. Die Belegschaft soll von 250 Beschäftigten wieder auf die einstmals 120 Mitarbeiter schrumpfen. "Die Verhandlungen beginnen am Montag. Ob wir den Stellenabbau akzeptieren, ist noch offen", sagte Hamburgs IG-Metall-Chef Eckard Scholz. Immerhin liegen Anfragen von Hamburger Betrieben vor, die sich für die Spezialisten interessieren. Für die anderen fordert die IG Metall eine Transfergesellschaft, um die Werker neu zu qualifizieren.

"Wir wissen, dass in Deutschland nie mehr Containerschiffe gebaut werden", sagt Sietas-Mitarbeiter und Betriebsrat Schürmann. Die Hoffnung der Branche ruhe jetzt auf den Offshore-Windparks. Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen soll sich bundesweit von heute 17 auf 35 Prozent verdoppeln. Deutschland plant bis 2020 Investitionen von 30 Milliarden Euro für Windräder auf dem Meer. 200 bis 300 Schiffe, schätzen Branchenkenner, brauchen die Betreiber, um die Anlagen zu erstellen und zu warten. Wenn nur einige dieser Schiffe in Hamburg bei Sietas gebaut werden könnten, wären ihre Jobs wieder sicher.