Die Werft verkaufte vor dem Insolvenzantrag seine etwa 450 Immobilien in Neuenfelde - Neue Verwaltungsgesellschaft hat viel vor

Neuenfelde. Wenn Rolf Jahn, der am Urenfleet in der Seehof-Siedlung wohnt, um die Straßenecke biegt, kann er den großen Sietas-Werftkran sehen. Bereits seit 1977 wohnt er zur Miete in einem Reihenhäuschen - 75 Quadratmeter, kleiner Garten, etwa 500 Euro warm -, das lange Zeit von der Neuenfelder Wohnungsbaugesellschaft - ein Sietas-Betrieb - verwaltet wurde.

Wie viele seiner Nachbarn hat Rolf Jahn bei Sietas gearbeitet. "1976 hatte ich da angefangen, war im Schiffbau tätig", sagt der 62-Jährige. Und wie viele seiner Kollegen und Nachbarn war die Werft sein Leben. Der Zusammenhalt sei immer noch sehr groß. Kollegen, ob nun noch aktiv oder schon arbeitslos, seien stolz auf die Werkssiedlung, würden dieses Gefühl durch gepflegte Vorgärten und bunt dekorierte Fenster zum Ausdruck bringen. Wenigstens zu Hause wollen sich die Menschen ein Stück Idylle erhalten, wenn es auch im Arbeitsleben so schwer geworden ist. Jahn: "Vor zwei Jahren wurde mir gekündigt. Das war schrecklich für mich und ist es auch noch."

Im Oktober dieses Jahres verkaufte Sietas seine etwa 450 Wohnungen. Seitdem wird der Wohnungsbestand von der Immobiliengesellschaft "Property Partner & Friends" (PPF) verwaltet. Auch die Backsteinhäuserzeile, in der Jahn lebt, ebenso wie viele Gebäude der Seehofsiedlung. "Hamburger Kaufleute haben die Häuser erworben", sagt Henry Otterbein, Geschäftsführer von PPF. Über den Preis dürfe er keine Auskünfte erteilen.

Offenbar schon lange wollte sich Sietas von den Immobilien trennen - seit der Werftenkrise 2008 geriet das Unternehmen ins Trudeln. Damals, bei einem Besuch vom damaligen Wirtschaftssenator Gunnar Uldall und vor Bezirkspolitikern äußerte sich die Unternehmensleitung allerdings noch optimistisch - die Auftragsbücher seien bis 2010 gut gefüllt, hieß es in einem Gespräch. Es hatte nichts genützt, schon ein Jahr später musste die Stadt Sietas mit Bürgschaften zur Seite stehen. Halten, was zu halten ist, und alles andere abstoßen, hieß die Devise.

"Wohnen und Werft - das passte einfach nicht mehr zusammen", sagt Cord Schellenberg, Pressesprecher der Sietas-Werft. Zwei Jahre lang habe man verhandelt, im Oktober wurden die Verträge unterschrieben - wenige Wochen später wurde der Insolvenzantrag gestellt. "Der Verkauf der Wohnungen diente auch der Schuldenreduzierung", sagt Schellenberg.

Für Jahn und seinen Nachbarn Hans Lepenies zeichnete sich der Verkauf schon ab. "Vor einigen Jahren war der Service der Neuenfelder Wohnungsbaugesellschaft noch besser. Die Anlage sah gepflegter aus, und kleine Reparaturen wurden sofort ausgeführt", sagt Lepenies. Das habe sich rapide verschlechtert. "Mal sehen, was jetzt passiert", sagt Lepenies.

Die Verwaltungsgesellschaft hat viel vor. "Im Januar werden wir uns die Wohnungen ansehen und mit den Mietern sprechen", sagt Otterbein. Die Gebäude, die zum Großteil aus den späten 50er- und 60er-Jahren stammen, sollen "umfassend saniert werden", sagt er. Außerdem ist geplant, die Spielplätze wieder zu aktivieren. "Wir wollen die Siedlung für junge Familien aus dem Hamburger Norden attraktiv gestalten", sagt der PPF-Geschäftsführer.

Dem Bezirksabgeordneten Günter Piehl, SPD, soll er eine andere Auskunft gegeben haben. "In dem Gebiet leben viele Türken. Herr Otterbein sagte, man wolle für eine verträglichere Durchmischung sorgen", sagte er in der Bezirksversammlung. Auf Nachfrage der Harburger Regionalausgabe des Abendblatts winkt Otterbein ab. "Das habe ich nie gesagt."

Und auch in der Siedlung ist die Herkunft der Bewohner untereinander kein Thema. "Es ist sehr friedlich hier, sehr familiär", sagt Sevim Ismailoglu, die in den Mietshäusern am Urenfleet gegenüber von Jahn wohnt. "Mein Mann Emrah war bis vor einem Jahr Schweißer bei Sietas, ist jetzt leider ohne Job", sagt sie. Es sei eher die ungewisse Zukunft der Werft, die die Menschen beschäftige. Mit ihrer Wohnsituation seien sie sehr zufrieden. "Die Kinder können gefahrlos draußen spielen und aufwachsen. Das ist mir viel wert."

Ihre Freundin Ayshe Saritz, die mit ihrem Mann Yussuf ein Haus weiter lebt, nickt. "Das habe ich selbst erlebt, mein Vater war bei Sietas als Schweißer tätig." Sie hofft, dass die Wohnungen von der neuen Verwalterfirma renoviert werden. "Das Bad und die Einbauschränke sind in einem furchtbaren Zustand. Da muss etwas passieren. Wir haben selbst schon einige Dinge repariert, weil sich niemand drum kümmerte."

Angst davor, dass die Mietkosten steigen könnten, hat sie nicht. "Dann ziehe ich einfach weg."

Klaus Lübberstedt, Bezirksabgeordneter der Linken, will, dass die Menschen bleiben. Und dass sie erfahren sollen, was auf sie zukommt. "Ich vermute, der Verwalter rechnet damit, dass sich die Leute nicht gegen Teuerungen wehren werden. Das darf nicht sein."