Die Chefin der Hamburger Bäckereikette, Friederike Stöver, über kritische Kunden, Konkurrenz und Probleme als alleinerziehende Mutter.

Hamburg. Friederike Stövers Telefonnummer lautet 040/890 93-130. Es ist die direkte Durchwahl der Chefin der Hamburger Bäckereikette Le Crobag und sie steht auf jeder Papiertüte des Unternehmens. Erboste Kunden wählen sie, wenn sie sich über alte Croissants, zu weiche Baguettes oder pampige Verkäufer beschweren wollen. Sie rufen aber auch an, um neue Produkte vorzuschlagen oder um ein Lob loszuwerden. "Die meisten sind ziemlich überrascht, wenn sie mich persönlich in der Leitung haben", sagt Stöver und lacht.

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Es ist ein sehr breites, spitzbübisches Grinsen, das die Le-Crobag-Chefin ihrem Gegenüber in der Bahrenfelder Firmenzentrale schenkt. Der hochgewachsenen, schlanken Frau ist anzumerken, dass sie sich gern mit Menschen unterhält. "Nur im Dialog mit den Kunden können wir besser werden." Sachliche Kritik leitet die Chefin von 1100 Mitarbeitern meist umgehend an die betroffenen Gebietsleiter weiter, sie stellt sich aber auch schützend vor ihre Angestellten und Franchisenehmer, wenn eine Kundin nur Dampf ablassen möchte. "Manchmal ist eine Oberziege am Apparat, die einfach nur einen schlechten Tag hatte", sagt Stöver und hält sich kurz darauf schuldbewusst die Hand vor den Mund.

Solch offene Worte rutschen der Geschäftsführerin häufiger im Gespräch heraus. Direkt, ehrlich und ungekünstelt wirkt die 51-Jährige, die schon seit 1994 an der Spitze der Hamburger Bäckereikette steht. Einiges muss sie in dieser Zeit richtig gemacht haben, denn der Umsatz ist von 25 auf mittlerweile 75 Millionen Euro angestiegen, die Zahl der Filialen wuchs von 50 auf 122. Auch für das fast abgelaufene Jahr 2011 erwartet die Chefin ein Umsatzplus von rund elf Prozent.

Das Prinzip von Le Crobag: Tiefgefrorene Teiglinge werden von der französischen Muttergesellschaft Boulangerie Neuhauser importiert, gären in speziellen Schränken mehrere Stunden nach und werden dann aufgebacken. Belegt werden die Baguettes direkt vor Ort. Nahezu alle großen Bahnhöfe haben die Hamburger mit ihren Schnellimbissen in den vergangenen Jahren besetzt.

Doch das Geschäft ist deutlich härter geworden. Als Le Crobag vor 30 Jahren in der Hansestadt gegründet wurde, gab es nur wenige Firmen, die belegte Baguettes und Croissants verkauften. Heute mischen Fast-Food-Riesen wie McDonald's ebenso mit wie andere Großbäcker oder Coffeeshop-Ketten. "Wir werden von allen Seiten bombardiert", sagt Stöver.

Müde oder routiniert erscheint die Le-Crobag-Chefin aber auch nach 17 Jahren Amtszeit nicht. Eher angriffslustig und voller Ideen. "Wir sehen noch Platz für jede Menge neue Standorte, aber es ist verdammt schwer, da ranzukommen", sagt sie. Im kommenden Jahr will Stöver zehn neue Filialen in Deutschland eröffnen und dafür rund 120 zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Insgesamt sieht sie noch Potenzial für bis zu 30 neue Geschäfte in der Bundesrepublik. "In Hamburg träume ich von einer weiteren Filiale am Schlump."

Parallel will die Chefin gemeinsam mit ihrem Co-Geschäftsführer Jens Bartolatus die schon seit Jahren geplante Expansion nach Polen in Angriff nehmen und das Geschäft in Moskau ausweiten, wo Le Crobag bislang mit bescheidenen zwei Standorten von Franchisepartnern am Start ist. Die größten Chancen aber sieht Stöver in Österreich, wo sie bis zu 20 Le-Crobag-Filialen für möglich hält. "Wir wollen die Marke internationalisieren", sagt sie. Gern würde Stöver auch ins Mutterland des Baguettes, nach Frankreich expandieren. "Doch dafür müssen wir noch Überzeugungsarbeit bei unserem Gesellschafter leisten." Die Neuhauser-Gruppe aus Lothringen, der Le Crobag seit 1998 gehört, steht der Eröffnung von Geschäften im eigenen Land eher skeptisch gegenüber, weil hier Croissants und andere Spezialitäten ohnehin an jeder Ecke zu bekommen sind.

Friederike Stöver hat allerdings schon mehr als einmal bewiesen, dass sie ausgesprochen beharrlich und durchsetzungsstark sein kann. Aufgewachsen auf einem Bauernhof im niedersächsischen Altenbücken bei Hoya fing sie zunächst als studentische Aushilfskraft in der ersten Le-Crobag-Filiale am Hamburger Hauptbahnhof an. Anschließend arbeitete sie sich zur Lizenzpartnerin, Verkaufsleiterin und zur Chefin hoch. Kein einfaches Unterfangen als alleinerziehende Mutter. "Ohne die Unterstützung meines damaligen Chefs und meiner eigenen Mutter hätte ich das sicher nicht geschafft", sagt Stöver. Jahrelang hütete die über 80-Jährige bei Friederike Stöver ein und hielt ihrer Tochter auf diese Weise den Rücken frei. Dass es in Deutschland kaum Frauen in Führungspositionen gibt, kann die Le-Crobag-Chefin gut verstehen. "Es gibt nur wenige, die sich den Spagat zwischen Kind und Karriere wirklich zumuten wollen. Man hat immer das Gefühl, der Firma oder der Familie nicht gerecht werden zu können." Eine Quote sei daher auch keine Lösung. "Eine Frau, die wirklich nach oben kommen will, schafft das auch."

Die Geschäftsführerin versucht, Frauen im eigenen Unternehmen zu fördern, bietet ihnen viele Teilzeitstellen an. Gebietsleiterinnen können bei Le Crobag frei über die eigene Zeit verfügen. "Ich kontrolliere nie die Arbeitszeiten meiner Angestellten, wichtig ist nur, dass die Arbeit gemacht wird", sagt Stöver. Dafür müsse sie aber auch in Kauf nehmen, dass sie ihre Führungskräfte nicht jederzeit erreichen könne und eine E-Mail auch mal um fünf Uhr morgens beantwortet werde.

Bei knapp 60 Prozent liegt der Frauenanteil insgesamt bei Le Crobag, viele Mitarbeiterinnen sind schon seit Jahrzehnten bei der Kette beschäftigt. "Wir haben vermutlich eine der höchsten Geburtenquoten in der Firma", sagt Stöver und lacht. "Dabei freue ich mich über jedes neue Kind, allerdings bremsen Schwangerschaften ein Unternehmen auch aus." Wenn eine Mitarbeiterin in Mutterschaftsurlaub gehe, müsse sie jedes Mal für einen Ersatz sorgen, manche Projekte müssten gar für mehrere Monate unterbrochen werden.

Geduld aber ist eine Tugend, die die impulsive Chefin nur in sehr begrenztem Umfang besitzt. "Dennoch glaube ich, dass wir uns insgesamt auf dem richtigen Weg befinden", sagt sie.