Neues Verbraucherportal im Internet stößt auf große Resonanz. Kunden haben schon 3800 Beschwerden eingereicht. Und die Industrie reagiert.

Hamburg. Der eine Kunde ärgert sich über eine zu große Verpackung beim Sauerkraut, gemessen am Inhalt. Ein anderer vermisst den Maracujasaft in einer Pfirsich-Maracuja-Limonade. Das sind nur zwei Beispiele von der Internetseite lebensmittelklarheit.de der Verbraucherzentralen, die seit 100 Tagen im Netz zu finden ist. Knapp 4000 Beschwerden sind bisher dort eingegangen. "Wir haben den Nerv der Verbraucher getroffen", sagte Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.

Auf dem Portal können Kunden Produkte melden, wenn sie der Meinung sind, dass Verpackungsangaben Eigenschaften und Inhalte vorgaukeln, die das Produkt nicht hat. Viele Beschwerden betreffen Zutaten und Zusatzstoffe - also etwa das Versprechen "Ohne Geschmacksverstärker Glutamat", obwohl ein anderer geschmacksverstärkender Stoff enthalten ist.

Alle Beschwerden werden von Experten überprüft. "Dann werden die Hersteller zur Stellungnahme aufgefordert", sagte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Anschließend werden die Einschätzung der Verbraucherschützer und die Meinung des Herstellers veröffentlicht. Der Kunde kann sich so selbst ein Urteil bilden. Dieses Verfahren erklärt, warum bei 3800 Beschwerden lediglich 72 Produkte in dem Portal erscheinen. Das Bundesverbraucherministerium will das Förderbudget jetzt um 200 000 Euro aufstocken, damit mehr Personal für eine schnellere Bearbeitung eingestellt wird. Auch von der Verbraucherzentrale Hamburg arbeitet ein Angestellter an dem Portal mit, das von der Verbraucherzentrale Hessen betrieben wird.

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"Die Resonanz zeigt, dass es richtig war, dieses Portal zu fördern", sagte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). Es sei zu einer wichtigen Informationsquelle geworden. "Wenn Beschwerden sich als Massenärgernis erweisen, müssen auch Änderungen von Vorschriften geprüft werden", sagte Aigner. Dagegen forderte die FDP-Ernährungsexpertin Christel Happach-Kasan, für das "Meckerportal" kein weiteres Steuergeld zur Verfügung zu stellen. Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde als Dachverband der Lebensmittelwirtschaft mahnte mehr Sachlichkeit und Objektivität der Darstellung an.

Am häufigsten melden Verbraucher Produkte, deren Werbung und Aufmachung etwas vorgaukelt, was der Inhalt nicht leisten kann. Dazu zählen Fruchtabbildungen, ohne dass die Früchte in der Zutatenliste vertreten sind. Ein Sahnemeerrettich mit Originalrezeptur aus dem Jahr 1846 enthält Guarkenmehl, modifizierte Stärke und Natriumsulfit. "Da haben die Verbraucher doch starke Zweifel, dass diese Zutaten bereits 1846 eingesetzt wurden", sagte der Projektleiter von lebensmittelklarheit.de Hartmut König.

Bei den Beispielen Sauerkraut und Limonade beharren die Hersteller auf Füllmenge und Rezeptur. Sie seien technologisch bedingt bzw. durch die Leitsätze für Erfrischungsgetränke gedeckt. "Doch inzwischen zeigt sich, dass unser Portal auch etwas bewirken kann", sagte König. "27 Hersteller haben ihre Produkte inzwischen angepasst." Dabei geht es nicht nur um die Schriftgröße auf Verpackungen, sondern auch um die Rezeptur: So enthält ein Curry-Orangen-Ketchup künftig auch wirklich Orangenschalen.

Unterdessen forderten die Verbraucherschützer strengere Vorschriften für die Kennzeichnung von Inhaltsstoffen bei Lebensmitteln. Die Politik müsse ihren Beitrag leisten, "um Irreführung und Täuschung bei Lebensmitteln zu beenden", sagte Billen.

"Noch ist es nicht verboten, einen Rohschinken mithilfe von Enzymen aus kleinen Schinkenstückchen zusammenzukleben, was zum sogenannten Klebeschinken führt", sagte Valet. Was möglich ist, muss in der Lebensmittelbuchkommission festgelegt werden, in der Hersteller, Wissenschaftler, Kontrolleure und Verbraucherschützer vertreten sind. "Ohne Dreiviertelmehrheit lassen sich keine Änderungen durchsetzen", sagte Valet. Erfolge stellen sich nur langsam ein. So dürfte bald die Kalbsleberwurst aus den Regalen verschwinden. Denn sie musste keine Kalbsleber enthalten, sondern nur Kalbfleisch und Schweineleber. "Als Kompromiss hat man sich jetzt auf die Bezeichnung Kalbfleisch-Leberwurst geeinigt. Doch das hat Jahre gedauert", sagte Valet.