Die guten Ergebnisse der Grünen bei den Landtagswahlen wecken Hoffnung auf bessere Geschäfte für Wind- und Solarenergiefirmen.

Hamburg. So sieht ein Feiertag für eine komplette Branche an der Börse aus: Aktien von Solarworld legten gestern um mehr als acht Prozent zu, Papiere der Hamburger Firma Conergy kletterten um fast 13 Prozent, während die Anteilscheine von Nordex um mehr als zwölf Prozent an Wert gewannen und die des Konkurrenten PNE Wind sogar um mehr als 14 Prozent. Es waren die Ergebnisse der Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die bei den Anlegern Hoffnungen auf wesentlich bessere Rahmenbedingungen für Windkraft- und Solaranlagenhersteller wecken.

"Das Wahlergebnis in Baden-Württemberg ist ein ganz klares Votum gegen die Atompolitik der Bundesregierung", sagte Marco Cabras, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Damit ist der Druck, die Nutzung erneuerbarer Energien weiter auszubauen, noch gestiegen."

Tatsächlich ist der ÖkoDAX, ein Börsenbarometer für zehn Titel aus diesem Sektor, schon seit Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima um knapp 30 Prozent auf 257 Punkte geklettert. Dabei überlagern sich die konkreten Ereignisse mit einer zunehmenden Neigung der Anleger, bei ihren Entscheidungen den Faktor Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. "Das ist ein Megatrend, der inzwischen breite Anlegerschichten erreicht hat", so Cabras.

Allerdings darf man nicht übersehen, dass es sich bei den Wind- und Solarunternehmen um eine sehr stark politisch beeinflusste Branche handelt: Sie ist weitgehend abhängig von der Bereitschaft der Regierungen, die nachhaltige Energieerzeugung zu subventionieren. "Die Fotovoltaik ist eine der teuersten Formen der Stromerzeugung", erklärt Michael Tappeiner, Fachanalyst bei UniCredit. "Die angestrebte Energierevolution wird die Strompreise deutlich erhöhen."

Wie groß der Einfluss der Politik ist, zeigt sich drastisch an den Aktienkursen in den vergangenen Jahren: Im Jahr 2007 stand der ÖkoDAX bei mehr als 800 Punkten, doch dann schraubten mehrere europäische Regierungen die Fördergelder herunter - auch die Bundesregierung senkte die sogenannte Einspeisevergütung für Solarstrom.

Unklar ist, ob sich diese Tendenz als Folge der Japan-Katastrophe nun umkehrt. "Die Debatte um den Energiemix wird in Deutschland sehr emotional geführt, aber kaum in einem anderen Land", gibt Tappeiner zu bedenken. "Großbritannien hat gerade die Solarsubventionen im zweistelligen Prozentbereich gesenkt." Klar ist nach Auffassung des Experten aber: "Wenn nur Deutschland die Förderung anheben würde, wäre damit der kräftige Kursanstieg kaum gerechtfertigt."

Ähnlich sieht dies Katharina Cholewa von der WestLB, die erst vor wenigen Tagen die Nordex-Aktie auf "Verkaufen" zurückgestuft hat. Ihre Begründung: Die fundamentalen Perspektiven von Nordex hätten sich nach der Nuklearkatastrophe in Japan nicht so deutlich verbessert, wie es viele Marktteilnehmer offenbar annähmen. Umfassende Änderungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Europa zugunsten des Sektors der erneuerbaren Energien seien nicht zu erwarten.

Weltweit gesehen gilt dies erst recht. So weist Nord/LB-Analyst Holger Fechner darauf hin, dass sich rund um den Globus aktuell 65 Kernkraftwerke im Bau befinden und allein in China 50 weitere Meiler geplant sind. Hinzu kommt, dass sich die deutschen Spezialisten für Sonnen- und Windenergie auf neue Konkurrenz einstellen müssen. "Die Chinesen sind mit aller Macht in den Markt der Fotovoltaik eingestiegen", sagt Tappeiner. "Auch wenn die Aktienkurse nun eine wieder positivere Stimmung für Solartitel einpreisen, besteht das Risiko von Überkapazitäten." Auch Cabras erwartet neue mächtige Wettbewerber für die kleinen und mittelgroßen Spezialisten: "Je wichtiger die alternative Stromerzeugung wird, umso mehr werden sich große Energie- und Anlagenbauer auf diesem Feld engagieren."

Die Experten raten jedenfalls davon ab, nun blindlings in bestimmte Aktien aus diesem Sektor zu investieren, sondern auf die individuellen Perspektiven der Unternehmen zu achten. Einen solchen Kaufanreiz lieferte gestern der Hamburger Windkraftanlagenbauer Nordex: Der Auftragseingang sei im Jahr 2010 um 14 Prozent auf 836 Millionen Euro gestiegen, teilte die Firma mit, für 2011 erwarte man ein Auftragsplus von 20 Prozent.

Solche Nachrichten können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Solar- und Windsektor eine stark schwankungsanfällige Branche ist. "Man sollte nicht seine Altersvorsorge auf diesen Aktien aufbauen", sagt Cabras, sinnvoll seien sie als Beimischung von fünf bis zehn Prozent des Portfolios - "und heute ist ein schlechter Zeitpunkt für Zukäufe".