Der HWWI-Index steigt auf ein Allzeithoch. Wolle, Zucker, Kaffee und Kakao kosten immer mehr. Die Unternehmen planen Preiserhöhungen.

Hamburg. Wenn Leon Leschus derzeit auf seinen Monitor mit den aktuellen Rohstoffpreisen blickt, wird dem Experten des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) ein wenig mulmig. Nicht nur der Preis für Wolle und Baumwolle ist in den vergangenen Monaten durch die Decke gegangen, auch Zucker, Kaffee, Pflanzenöle und Kautschuk haben sich in dieser Zeit enorm verteuert.

Insgesamt lag der HWWI-Rohstoffpreisindex - Energiewerte herausgerechnet - im November in US-Dollar um 3,2 Prozent höher als im Sommer 2008 und erreichte damit ein neues Allzeithoch. In Euro lagen die Rohstoffpreise sogar um 19,2 Prozent höher. "Wenn diese Entwicklung so weitergeht, dann kann der Anstieg der Rohstoffpreise deutliche Auswirkungen auf die Konjunktur in Deutschland haben", sagt Leschus.

Die Uno-Welternährungsorganisation FAO warnte erst kürzlich vor einer möglichen Explosion der Lebensmittelpreise, die allerdings weniger Deutschland als vielmehr die armen Länder treffen könnte. So müssten die ärmsten Staaten der Welt bereits in diesem Jahr zwischen elf und 20 Prozent mehr für die Einfuhr von Nahrungsmitteln aufwenden, erklärte die Uno-Organisation. Würden die Ernten nicht deutlich gesteigert, drohten bereits im kommenden Jahr Engpässe.

Der starke Anstieg der Preise für Agrarrohstoffe lässt sich vor allem durch die wachsende Weltbevölkerung erklären. Die Menschen sind hungrig und sie werden immer anspruchsvoller. Das Angebot aber ist zu klein, es reicht kaum aus, um die steigende Nachfrage in Schwellenländern wie Russland oder China zu befriedigen. Bei anderen Rohstoffen kommt noch das Problem hinzu, dass die Förderung während der Wirtschaftskrise heruntergefahren wurde. Befeuert wird der Anstieg zudem durch Spekulanten, die die Preise weiter in die Höhe treiben.

In der Zukunft dürften sich diese Probleme noch verstärken. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers gehen mittlerweile rund 80 Prozent der Unternehmen aus Handel und Konsumgüterindustrie von weiter steigenden Rohstoffpreisen aus. Über 40 Prozent rechnen in den kommenden fünf Jahren auch häufiger mit Versorgungsengpässen.

Schon gibt es die ersten Hamburger Unternehmen, die von einer Knappheit dringend benötigter Stoffe berichten. "Die Lage bei Kautschuk, den wir als Grundstoff für unsere Klebemasse benötigen, ist angespannt", sagt der Sprecher der Beiersdorf-Tochter Tesa, Reinhart Martin, dem Abendblatt. Langfristig werde man kaum um eine Anhebung der Preise für die Kunden herumkommen. Auch der Reifenhersteller Continental hatte zuletzt über einen erheblichen Druck durch die gestiegenen Kautschukkosten berichtet. Laut HWWI ist der Preis für den Gummirohstoff allein im November um 12,2 Prozent in die Höhe geschnellt. Starke Regenfälle in Südostasien hatten das Angebot beschränkt. Zudem wurde die Förderung des Rohstoffs während der weltweiten Wirtschaftskrise erheblich zurückgefahren.

Am stärksten gestiegen sind im vergangenen Monat einmal mehr die Preise für Baumwolle (plus 19,3 Prozent). Zu den Ernteausfällen wegen Überflutungen in Pakistan kamen zuletzt auch noch Exportbeschränkungen in Indien und eine immer stärkere Nachfrage in China hinzu. Die Verdopplung der Baumwollpreise seit Jahresbeginn hat bereits den Hamburger Versandhandelsriesen Otto und die Modekette Hennes & Mauritz dazu veranlasst, über Preiserhöhungen für Bekleidung im kommenden Jahr nachzudenken.

In der Süßwarenbranche gibt man sich angesichts stark angezogener Zuckernotierungen (plus 9,1 Prozent) hingegen noch gelassen. Zwar fiel die Ernte beim weltgrößten Produzenten Brasilien im ersten Halbjahr dieses Jahres um fast ein Drittel geringer aus als im Vorjahr. Deutsche Lebensmittelhersteller beziehen ihre süße Rohware aber überwiegend vom heimischen Kontinent. "Die Versorgung mit Zucker in Europa stellt derzeit kein Problem dar", sagt der Sprecher des Bundesverbands der deutschen Süßwarenindustrie, Torben Erbrath.

Stärker kümmern wollen sich die Unternehmen allerdings um ihre Versorgung mit Kakao. "In Westafrika kommt es noch immer zu 30 Prozent Ernteausfällen jährlich", sagt Erbrath. Dies hänge unter anderem mit der Unwissenheit und der mangelnden Ausbildung der dortigen Plantagenarbeiter zusammen. Preislich bewege man sich beim Rohkakao derzeit zwar noch immer auf einem hohen Niveau, liege aber unter den Höchstständen, die Mitte dieses Jahres erreicht worden seien.

Zu möglichen Preiserhöhungen bei Süßwaren wollte sich Erbrath mit Blick auf das Bundeskartellamt nicht äußern. Die Behörde wacht mit Argusaugen auf mögliche Absprachen in der Branche. Ähnlich sieht es beim Deutschen Kaffeeverband in Hamburg aus, dessen Geschäftsführer es gegenüber dem Abendblatt generell ablehnte, die Entwicklungen auf dem weltweiten Kaffeemarkt zu kommentieren. Vor allem schlechtes Wetter in Kolumbien hatte zuletzt für höhere Preise bei den schwarzen Bohnen gesorgt.