Der geplante Fonds der Bundesregierung ist umstritten. Eingesammelte Milliarden würden im Krisenfall kaum ausreichen, so die Kritiker.

Hamburg. Fast zwei Jahre nach der Lehman-Pleite bricht für die Bankenlandschaft in Deutschland eine neue Zeit an: Eine weitere Sicherungseinrichtung soll die Risiken einer möglichen weiteren Finanzkrise dämpfen - und dafür müssen die Geldhäuser in den kommenden Jahren Milliarden aufbringen. Mit dem "Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten", dessen Entwurf Regierungskreisen zufolge morgen vom Kabinett verabschiedet wird, wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) die Lehren aus der Krise und aus den mit Steuergeld finanzierten Rettungsaktionen für inländische Institute wie etwa den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate ziehen.

Die Bundesregierung gehört mit der Bankenabgabe zu den Vorreitern

Deutschland wird damit abermals zu einem der Vorreiter in der Bankenregulierung : In Europa existiert ein ähnliches, auf künftige Krisen abzielendes Modell bislang nur in Großbritannien. In den USA dringt die Regierung hingegen auf eine Abgabe, mit der sie über zehn Jahre nachträglich rund 90 Milliarden Dollar für die Krisenkosten aufbringen will.

Branchenschätzungen zufolge werden die deutschen Banken in den nächsten Jahren jeweils nicht sehr viel mehr als eine Milliarde Euro für den Fonds aufbringen müssen. Experten weisen darauf hin, dass derartige Beträge selbst nach zehn Jahren noch nicht annähernd für eine Großpleite ausreichen, zumal die Banken unter anderem angesichts der Schuldenkrise aktuell noch längst nicht über den Berg sind. "Man könnte den Verdacht hegen, dass der Topf leer ist, bevor er voll ist", sagte Hans-Peter Burghof, Leiter des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, dem Abendblatt.

Positiv wertet der Experte dagegen die mit der Reform verbundenen weitgehenden Eingriffsmöglichkeiten der Bankenaufsicht in die Geschäfte eines taumelnden Instituts. Die Handlungsmöglichkeiten reichen bis hin zu einer Zerschlagung und - in Verbindung mit dem Geld aus dem Fonds - einer Abwicklung der Pleitebank. "Jemand, der 'Kopf oder Zahl' gespielt hat, soll wirklich alles verloren haben, wenn er falsch lag", sagte Burghof.

Verteilung der Lasten innerhalb des Bankensystems umstritten

Kritik übt er dagegen an der Verteilung der Lasten innerhalb des Bankensystems. "Ich hätte es lieber gesehen, wenn man die von den drei Institutsgruppen - private Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken - seit Jahrzehnten aufgebauten Sicherungsfonds stärken würde", sagte Burghof. Denn innerhalb dieser Gruppen lasse sich leichter gegenseitig auf Finanzdisziplin drängen. "Mit dem neuen übergreifenden Topf werden nun doch wieder Anreize geschaffen, Verluste auf andere abzuwälzen", meint Burghof.

Nach Auffassung von Burghof berücksichtigt das nun diskutierte Modell zu wenig die tatsächlichen Risiken eines Geschäftsmodells: "Das ist halt der Holzhammer." Es sei aber ein grundlegendes Problem, eine "sachgerechte Bemessungsgrundlage" zu finden.

Weitaus deutlicher wird Reiner Brüggestrat, Sprecher des Vorstands der Hamburger Volksbank. Er wirft den Autoren des Gesetzentwurfs gar "ökonomische Ignoranz" vor, weil auch die Gruppe der Volksbanken einzahlen solle, obwohl sie eine eigene Sicherungseinrichtung finanziere und es "ausgeschlossen" sei, dass der neue Fonds für eines dieser Institute zahlen müsse. "Damit kommt auf die Volksbanken eine Doppelbelastung zu, obwohl nicht zuletzt sie es waren, die in der Krise die Kreditversorgung des Mittelstands aufrechterhalten haben", sagte Brüggestrat dem Abendblatt.

Höhere Kosten für Firmenkredite wegen der Abgabe befürchtet

Die geplante Bankenabgabe könnte laut einer aktuellen Unternehmensbefragung im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) auch die Realwirtschaft belasten. Die überwiegende Mehrheit der 750 befragten Unternehmen rechnet demnach damit, dass die Banken die Kosten der Abgabe an ihre Kunden weitergeben. Sie erwarten, dass sich hierdurch ihre Kreditkonditionen zumindest leicht verschlechtern werden. Mehr als die Hälfte der Unternehmen erwartet eine deutliche (acht Prozent) oder immerhin spürbare (44 Prozent) Kostensteigerung durch die Bankenabgabe.

Trotz der nun konkret werdenden Belastungen hielten sich Bankentitel gestern an der Börse gut. Aktien der Commerzbank rutschten erst im späten Handel leicht ins Minus, Papiere der Deutschen Bank gewannen sogar überdurchschnittlich an Wert. Versicherer und Fonds bleiben von der neuen Abgabe ausgenommen.