Defizite in Mathematik und bei den Umgangsformen. In Hamburg können nicht alle Lehrstellen besetzt werden.

Hamburg. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schlägt Alarm. 10 000 Ausbildungsplätze, befürchten die Experten, können in diesem Jahr nicht besetzt werden. "Wir rechnen zudem damit, dass mindestens 100 000 junge Menschen jährlich ihre Schule nicht ausbildungsreif verlassen", sagte ZDH-Sprecher Alexander Legowski dem Abendblatt. "20 Prozent aller Schulabgänger haben Defizite." Dem pflichtet der Präsident der Hamburger Handwerkskammer, Josef Katzer, bei: "Die Jugendlichen sind zwar in den vergangenen zehn Jahren nicht schlechter geworden. Aber noch einem Viertel unserer Bewerber mangelt es an schulischen Fähigkeiten."

Den künftigen Nachwuchsmangel in seiner Branche sieht Elektromeister Thomas Dauk aus Duvenstedt bereits vor sich. "Offenbar denken viele Jugendliche mit schlechten Zeugnissen, für ein Handwerk wird es schon reichen", sagt er. Doch ohne gute Mathematikkenntnisse habe man keine Chance. "Aber auch Bewerbungen habe ich schon monatelang verspätet und schlicht per E-Mail erhalten", sagt der Firmenchef. Ein Schüler kam schon nach einem Tag Probearbeit nicht wieder. "Seine Abmeldung ließ dann so lange auf sich warten, dass wir am nächsten Morgen zunächst noch mit ihm gerechnet hatten", sagt Dauk.

Der Elektromeister ist in Hamburg kein Einzelfall. Enttäuscht von seinen Lehrlingen aus den vergangenen Jahren hat der Konditormeister Walter Schmidt die Ausbildung ganz aufgegeben. Und auch Ralf Grigoleit, Geschäftsführer bei F.O. Henneberg Sanitärtechnik, fällt es immer schwerer, geeignete Lehrlinge zu finden. "Formale Fehler und schlechte Zensuren" gehören für ihn inzwischen zum Alltag. Bleibt die vom Zentralverband ausgemachte Zahl von unzureichend ausgebildeten Jugendlichen konstant, steuert Deutschland auf ein riesiges Problem bei der Ausbildung zu. Denn auch die Zahl aller Schulabgänger geht bundesweit immer weiter zurück. Allein in diesem Jahr beträgt das Minus 23 600. Betroffen ist vor allem Ostdeutschland, wo der Rückgang doppelt so hoch ausfällt wie im Westen. Aber auch in Hamburg sind die Auswirkungen des demografischen Wandels zu spüren. Denn fast ein Drittel der zuletzt knapp 2400 Auszubildenden kam bisher von außerhalb der Landesgrenzen, ein großer Teil davon aus Mecklenburg-Vorpommern. "Auch in der Hansestadt werden wir in diesem Jahr Ausbildungsplätze nicht besetzen können. Da bin ich mir sicher", sagt Katzer. "Es vergeht keine Sitzung mit den Obermeistern, bei der dieses Problem nicht thematisiert wird." Im Kampf um Nachwuchs aus den immer schwächeren Geburtsjahrgängen, versucht das Handwerk jetzt mit seiner 50 Millionen Euro teuren Werbekampagne zu punkten.

Selbst aber im für Jugendliche besonders attraktiven Kraftfahrzeughandwerk wird Kritik am Nachwuchs laut - etwas an den Umgangsformen mit den Kunden, die eine immer größere Rolle spielen. "Da müssen wir mit den Lehrlingen noch viel üben", sagt Bernd Seeger, Abteilungsleiter Berufsbildung und Technik bei der Hamburger Kfz-Innung.

Zwar konnten bisher die Ausbildungsplätze immer besetzt werden. Doch Seeger schließt nicht aus, dass der "eine oder andere der 500 Betriebe der Innung noch mehr ausgebildet hätte", wenn sich mehr qualifizierte Bewerber gefunden hätten. 2010 will die Innung etwa 220 Lehrstellen anbieten.

Um doch noch möglichst viele Ausbildungsplätze besetzen zu können, will der ZDH bundesweit noch besser über die einzelnen Berufe informieren. "In Haupt- und Realschulen müsste dies flächendeckend geschehen", fordert ZDH-Sprecher Legowski. "Auch das in Hamburg geplante längere gemeinsame Lernen hilft den schwächeren Schülern, weil sie länger von den Begabten profitieren können", ist Katzer überzeugt.

Für den Einstieg in die Ausbildung ist aber letztlich der Wille des Bewerbers entscheidend. "Wer deutlich machen kann, dass er genau diesen Beruf lernen will, hat auch mit schwachen Noten eine Chance." Da sind sich Legowski und Katzer einig.