Ovationen für den Chef der Deutschen Bank. Josef Ackermann verabschiedet sich mit großen Gefühlen, Lob und Selbstkritik von den Aktionären.

Frankfurt. Mit einem Mal wusste Josef Ackermann nicht mehr, wohin mit seinen Händen. Ganz kurz beklatscht er sich selbst, dann merkt er, dass das seltsam wirkt. Schließlich faltet er die Hände vor dem Körper und lächelt einfach sein Ackermann-Lächeln in die Halle. Vor ihm stehen Hunderte Aktionäre und applaudieren, und das schon seit mehr als einer Minute. Sie klatschen ein letztes Mal für ihren Star. Mochte der Vorstandschef auch umstritten gewesen sein - die Kleinaktionäre, die jedes Jahr in die Festhalle der Messe Frankfurt kommen, lieben ihn. Die Hauptversammlung ist daher die perfekte Bühne für seinen Abschied von der Bank. Je länger der Applaus andauerte, desto schwerer schluckte Ackermann. Und als er sich hinsetzte, musste er sich Tränen der Rührung aus den Augen wischen. "Ein Tag der Wehmut" sei es für ihn. Man glaubte es ihm.

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Ackermanns letzter Tag in der Bank wurde noch einmal zu einer großen Joe-Show. Das war schon klar, ehe das Aktionärstreffen richtig begonnen hatte. Die beiden neuen Bankchefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen durften sich zwar mit dem Amtsinhaber zum Gruppenfoto aufstellen - doch der Schweizer stand einen halben Schritt weiter vorne, auf eine Stuhllehne gestützt, Jain und Fitschen wie Sekundanten daneben.

Denn auf dieser Bühne lief eine perfekt orchestrierte Abschiedsvorstellung. Aufsichtsratschef Clemens Börsig sorgte gleich für das angemessene Pathos: "Eine Epoche kommt zu ihrem Ende." Die Deutsche Bank sei aus der Finanzkrise als Gewinner hervorgegangen. "Dieser Erfolg wird immer mit Ihrem Namen verbunden bleiben", sagte er unter tosendem Beifall.

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Dann war es an Ackermann selbst, Bilanz zu ziehen. "In den vergangenen zehn Jahren haben wir gemeinsam eine neue Deutsche Bank gebaut", befand er mit hörbarem Stolz. In guten Zeiten habe die Bank Rekordergebnisse erreicht, in schlechten Zeiten Widerstandsfähigkeit bewiesen. "Das Ziel, das wir uns seinerzeit gesteckt haben, eine Eigenkapitalrendite in Höhe von 25 Prozent vor Steuern, ist von manchen hierzulande als Ausdruck der Gier kritisiert worden", so Ackermann. Dabei sei dieses Ziel "nie Selbstzweck" gewesen.

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Wäre die Bank nicht in der ersten Hälfte seiner Amtszeit so profitabel geworden, so Ackermann, "wären wir mit Sicherheit nicht ohne Staatsgeld durch die schwere Finanzkrise gekommen, und diese Bank sähe heute ganz anders aus". Ackermann verwies auf die führende Stellung im Investmentbanking. Gleichzeitig sei die Bank längst nicht mehr so stark vom Kapitalmarkt abhängig wie in früheren Jahren: "Im Geschäft mit Privat- und Geschäftskunden sind wir dabei, eine zweite Erfolgsgeschichte zu schreiben, die vergleichbar ist mit dem Aufstieg in die Top-Liga bei den globalen Investmentbanken." Diesen Erfolg kann sich Ackermann maßgeblich mit ans Revers heften - denn der Kauf der Postbank 2008 ging in erster Linie auf seine Initiative zurück.

Doch Ackermanns letzter Auftritt sollte nicht von Zahlen geprägt sein, sondern vor allem von Emotionen. Aufwendig würdigte er die Mitarbeiter der Bank ("Sie waren fantastisch") und deren soziales Engagement. Es folgte ein Film, in dem die Bank mit perfekt choreografierten Bildern von Glasfassaden und Kunstwerken und mit wohlwollenden Stimmen gefeiert wurde.

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War Ackermann einst als reiner Anwalt der Aktionärsinteressen angetreten, so hatte er zum Ende seiner Amtszeit immer stärker die gesellschaftliche Rolle der Bank betont. "Wir wissen, dass wir als eine führende Bank hier besondere Verantwortung tragen." Und er räumte Fehler ein: Dem Anspruch, dass kein Geschäft den Ruf der Bank aufs Spiel setzen dürfe, "sind wir aus heutiger Sicht in den Jahren des allgemeinen Überschwangs vor der Finanzkrise nicht immer voll gerecht geworden".

Und sie wird es aus Sicht ihrer zahlreichen Kritiker bis heute nicht. Das konnten die Aktionäre im Eingangsbereich der Hauptversammlung förmlich riechen: Einige Aktivisten hatten mit einer Güllespur gegen die "dreckigen Geschäfte" der Bank demonstriert. Die Vorwürfe fügten sich zu einer Liste der Altlasten zusammen, die Ackermanns Nachfolger abarbeiten müssen: eine Klagewelle im Zusammenhang mit amerikanischen Hypothekengeschäften, umstrittene Engagements bei Rüstungsunternehmen sowie die endlosen Streitigkeiten rund um die Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch. Einige Kritiker hätten sich gerne ausführlicher dazu geäußert, "aber durch die ausschweifende Selbstbeweihräucherung fehlt die Zeit dafür", giftete ein Aktionär. Globalisierungskritiker fassten Ackermanns Bilanz unter den Stichworten "Steuerflucht, Waffenhandel und Zocken mit Nahrungsmitteln" zusammen und riefen seinem Nachfolger zu: "Jain, lass es sein." Wobei gerade der Investmentbankingchef für Sünden der Vergangenheit verantwortlich gemacht wird.

Der Angst, dass die Bank künftig stark durch das Investmentbanking dominiert werde, trat Ackermann entgegen: "Die Deutsche Bank ist eine globale Bank. Aber wir haben tiefe Wurzeln in unserem Heimatmarkt, und wir pflegen diese Wurzeln." Die Skepsis vertrieb das nicht: Der Applaus für die beiden neuen Chefs Fitschen und Jain fiel spärlich aus. Ackermann widmete den ungeliebten Nachfolgern nur zwei Sätze in seiner einstündigen Rede. Sie könnten auf dem Erreichten aufbauen, beschied er knapp. "Dabei begleiten Sie meine besten Wünsche - nicht zuletzt auch als Aktionär." Noch einmal war Ackermann starker Applaus sicher.