Die Transaktionssteuer könnte Milliarden in die Staatskassen bringen. Europäische Union beschließt Regeln für Hedgefonds.

Hamburg/Brüssel. Die Europäische Union zeigt Zähne. Als Lehre aus dem Desaster der Finanzmarktkrise gehen die Politiker jetzt die Ursachen der Probleme an. Hedgefonds, die maßgeblich für die Krise verantwortlich gemacht werden, sollen künftig stärker an die Leine gelegt werden. Fondsmanager müssen sich erstmals registrieren lassen und Risiken sowie Anlagestrategien offenlegen. Darauf einigten sich gestern die EU-Finanzminister - trotz massiver Bedenken aus Großbritannien, dem Hauptsitz der Investmentfirmen.

Doch damit nicht genug. Die EU ist fest entschlossen, die Finanzmärkte an den Milliardenkosten zur Rettung von Banken und Staaten infolge der Krise stärker zu beteiligen und die Lasten nicht allein den Steuerzahlern aufzubürden. Der Ruf nach einer Finanztransaktionssteuer wird lauter - und findet zunehmende Unterstützung.


Als Erste stellte gestern die Berliner Koalition die Weichen für eine solche Abgabe. Die Spitzen von Union und FDP forderten die Regierung auf, sich für eine europäische und globale Finanzsteuer starkzumachen. Details über die Gestaltung wurden noch nicht beschlossen, ob dies über eine Steuer auf Finanzgeschäfte oder eine Abgabe auf Vergütungen und Gewinne von Finanzfirmen geschehen soll. Die Sozialdemokraten in Deutschland und Österreich wollen sogar ein europaweites Volksbegehren zur Einführung einer Transaktionssteuer beim Handel mit Finanzprodukten auf den Weg bringen. "Eine solche Steuer würde die Nettozahler entlasten", sagte Österreichs Vizekanzler Josef Pröll.

Die Finanztransaktionssteuer stößt bei deutschen Ökonomen auf ein unterschiedliches Echo, wie eine Umfrage des Abendblatts ergab. Zu den Befürwortern zählen vor allem Wirtschaftswissenschaftler der arbeitnehmernahen Institute. Einig sind sich jedoch alle: Das Instrument der Transaktionssteuer allein reicht nicht aus, um künftige Krisen zu verhindern. Fast alle befürworten eine stärkere Eigenkapitalunterlegung bei Banken. Auch das Verbot von Leerverkäufen von Aktien und eine stärkere Kontrolle von Finanzprodukten seien die Gebote der Stunde.


Gustav A. Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), bezeichnet die Finanztransaktionssteuer als "wichtiges Element zur Regulierung der Finanzmärkte" Sie könnte sogar im europäischen Alleingang eingeführt werden, da das Beispiel schnell Schule machen würde, ist der Volkswirt überzeugt. Die Steuer hätte gleich mehrere Vorteile: Sie bringe jedem Land - auf jedem Kontinent - Milliardeneinnahmen, die angesichts der hohen Schuldenlasten jedem Finanzminister nur recht sein können. Nach einer Berechnung des österreichischen Wifo-Instituts würde schon die Erhebung eines Satzes von 0,05 Prozent auf alle Transaktionen Deutschland Einnahmen von zwölf Milliarden Euro bescheren, EU-weit kämen rund 95 Milliarden Euro in die Kassen.

Die Steuer wirke zudem verursachergerecht und treffe jene Akteure, die maßgeblich zu der Krise mit beigetragen haben - wie Hedgefonds und hoch frequente Händler, meint Horn. Allein im Devisenmarkt werden täglich rund drei Billionen Dollar rund um den Erdball gehandelt. Darüber hinaus hätte die Steuer auch eine Lenkungswirkung, da sie voraussichtlich das hoch spekulative Tagesgeschäft einschränken könnte - insbesondere den rein spekulativen Kauf- und Verkauf von Aktien und Devisen innerhalb weniger Minuten.

Auch Rudolf Hickel, Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW), erwartet, dass vor allem "kurzfristige, aggressive Spekulationen eingedämmt werden". Mit einer Transaktionssteuer würden Finanzgeschäfte zudem mit der Realwirtschaft steuerlich gleichgestellt. So müssten auch die Industrie bereits beim Kauf von Rohstoffen Mehrwertsteuern, die deutlich höher liegen, bezahlen, während Spekulationen im Finanzmarkt nicht besteuert werden - mit Ausnahme der daraus erzielten Gewinne.


Sogar der Deutsche Sparkassen- und Giroverband begrüßt eine Transaktionssteuer. "Es könnte hoch spekulative Finanzderivategeschäfte eindämmen", sagte der Verbandspräsident Heinrich Haasis. Anders als bei einer Bankenabgabe würden alle Marktteilnehmer wie Versicherungen und Hedgefonds zur Kasse gebeten.

Doch schon in der Bankenwelt ist der Vorschlag umstritten. So lehnen die Privatbanken die Abgabe ab: "Ohne überhaupt an den Ursachen der Krise anzusetzen, verteuert eine solche Steuer die Finanzdienstleistungen", so der Bundesverband deutscher Banken. Auch der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, fürchtet Mehrbelastungen. "Man besteuert den Finanzmarkt, aber bezahlen muss es der Sparer, der geringere Zinsen erhält, der Häuslebauer, der mehr für seine Hypothek bezahlen muss. Man will die Banken treffen, trifft aber die Verbraucher." Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) sieht in der Steuer nur "ein Placebo, das politisch Erträge abwirft, aber keine Probleme löst". Hüther plädiert vielmehr für eine Stärkung der Finanzaufsicht in Deutschland. "Wir brauchen eine handlungsfähige Aufsicht."

Der Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse, Jochen Intelmann, erwartet unterdessen nicht, dass eine Transaktionssteuer den Handel deutlich einschränkt. Beim Kauf von Finanzprodukten werden schon heute Provisionen fällig. Diese würden um die Transaktionssteuer erhöht. "Keiner, der zum Beispiel 10 000 Euro investieren möchte, wird sich von einer Steuer von zehn Euro abschrecken lassen.", glaubt Intelmann. "Von einer solchen Summe hängt keine Investitionsentscheidung ab."