Berlin. Die Pandemie? Ist vorbei, die Maske kommt weg. Nun nimmt sich unsere Kolumnistin Zeit für eine Reflexion – und für ein Lob der Medizin.

Da bist du krank mit hohen Entzündungswerten im Körper. Du hast Schmerzen, fühlst dich schlecht und fieberst. Es ist der Darm, sagt der Arzt und verschreibt dir Tabletten, die nach einem Chemiewerk riechen und schmecken. Und nach ein paar Tagen bist du wieder fit, feierst Ostern mit deiner Familie, als ob nichts gewesen wäre.

So ist das heute mit akuten Krankheiten, die gut erforscht sind. Sie hauen dich zwar um, aber es gibt Mittel dagegen. Die sind übrigens der Grund, warum in Industrienationen die Lebenserwartung höher ist als in unterentwickelten Ländern, wo der Großteil der Bevölkerung eben nicht den einfachen und schnellen Zugang zur medizinischen Versorgung hat.

Die Corona-Pandemie führte zu 15 Millionen Toten – weltweit

Mit Corona war das anders. Ob Menschen in einer Demokratie leben oder einer Diktatur, ob in ihrem Land Krieg wütet, Armut herrscht oder Überfluss. Das Virus traf sie alle, griff in ihr Leben ein, legte es lahm. Überall auf der Welt verloren Menschen ihre liebsten Angehörigen, ihre Mütter, Väter, Kinder, ihre besten Freunde, ihre Kollegen.

FUNKE-Kolumnistin Birgitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft.
FUNKE-Kolumnistin Birgitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) führte die Pandemie zu weltweit 15 Millionen zusätzlichen Toten. Und überall auf der Welt haben wohl die Menschen ihre ganz persönliche Corona-Geschichte. Welche mir erzählt wurden bzw. welche ich selbst erlebte:

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  • In der nepalesischen Gebirgsstadt Pohara hatte eine junge Frau gerade ihre Prüfung zur Sherpa abgeschlossen und wollte in ihrem klassischen Männerberuf richtig durchstarten und Touristengruppen aus aller Welt durch das Himalaya-Gebirge führen, als globale Lockdowns Reisen unmöglich machten. Die junge Frau heuerte in einem Lebensmittelladen an.
  • In der Gardasee-Stadt Lazise standen zwei Teenager vor einer internationalen Segler-Karriere, als das todbringende Virus erst Norditalien traumatisierte und dann das ganze Land.
  • In Berlin wechselte eine musikbegeisterte 15-jährige die Schule, um mit ihrer Querflöte im Orchester des renommierten Musikgymnasium spielen zu können. Doch mit ihrem ersten Schultag wurde der Unterricht nach Hause verlegt, das Orchester trat bis zum Abitur der Schülerin nur einmal auf.
  • Ein junges Pärchen musste die Weltreise abbrechen – und wieder bei den Eltern einziehen, weil die Wohnung noch für sieben Monate untervermietet war.
  • Ein werdender Vater infizierte sich kurz vor der Entbindung seiner Tochter – und verpasste den aufregendsten Moment seines Lebens.
  • Ein Student machte seinen Bachelor-Abschluss, ohne jemals Vorlesungen, regelmäßiges Mensa-Essen oder gar eine legendäre Semesterparty erlebt zu haben.
  • Mich selbst erwischte Corona, als mein Vater starb. Und so saß ich zu Hause am Küchentisch, als er beerdigt wurde.
  • Natürlich die vielen Pleiten, die Start Ups, die nicht hochkamen, die Restaurants, die schließen mussten, die vielen Lebensträume, die zerbrachen.

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Und nun geht die Pandemie offiziell zu Ende an diesem Osterwochenende. Die Luft ist lau, die Cafés sind voll und wir werden uns mitten ins Publikum der Musik-Comedy werfen. Wie gut, dass es die Impfungen gab, denke ich wie so oft. Mal sehen, wie die Forschung auch für andere Krankheiten, etwa Krebs, angekurbelt wurde.

Corona ist, wenn das Kind die Schule wechselt – und dann findet kein Unterricht statt

Eine Kollegin kommentiert im Radio, nun müsse es um die Long-Covid-Patienten gehen. Und wir müssten uns die Frage stellen, welche Lehren wir aus der Pandemie ziehen. Ob Lockdowns und Schulschließungen richtig waren. Ganz vernünftig, die Kollegin. Innehalten ist gut, finde ich. Auf Facebook lese ich dann von dem Shitstorm, der ihr nun entgegenschlägt. Ach so, die Querdenker, die drehen jetzt noch mal so richtig auf. Mal sehen, was langfristig von ihnen übrig bleibt.

Vor drei Jahren war das Osterfest still, erinnere ich mich, einsam zu Hause entdeckte ich die Kunst des Brotbackens, die Kinder knüpften kleine Wandteppiche, wir alle liebten Netflix. Nun werden wir unsere Warn-Apps löschen und die Garderobenschublade von den restlichen Masken befreien. Wegschmeißen werden wir sie nicht. Ich halte zwar nichts von den Prophezeiungen, nach der Pandemie sei vor der Pandemie. Aber man weiß ja nie.

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