Berlin. Die Hitze lähmt ganz Europa, der Ukraine-Krieg wütet, Putin sitzt am Gashebel – das kann unsere Kolumnistin nicht mehr schönreden.

Würde Corona mit K geschrieben, wäre es eine perfekte Alliteration: Korona, Krieg, Klimaschock. Aber so bleibt es bei dem gesprochenen gleichen Anlaut. Abgesehen davon: Mit schlechter Gesundheit, einem kaputten Weltfrieden und einer bevorstehenden Hitzewelle nie da gewesenen Ausmaßes ist es derzeit nicht getan. Da wäre noch: Inflation. Energiekrise. Facharbeitermangel.

Ganz ehrlich, ich hatte schon bessere Sommergefühle. Der Norden Italiens trocknet aus, ausgerechnet der Teil, wo ich mich so wohlfühle. Die Wälder Brandenburgs brennen ab – die Natur rund um Berlin ist bedroht und damit ein großes Stück Lebensqualität ohnehin gequälter Hauptstädter.

Das Bildungssystem war schon vor Corona marode, jetzt liegt es – vor allem in den Brennpunkt-Grundschulen – am Boden. Aus lauter Verzweiflung kürzt Berlin die Schulstunden an Grundschulen, weil es mit dem Lehrernachwuchs nicht klappt – trotz der guten und sicheren Bezahlung.

Brigitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft.
Brigitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Keine Frage: Ich bin in diesen Tagen nicht besonders gut drauf. Wahrscheinlich ist es dieses grässliche Virus, das mich nun endlich auch erwischt hat und mit seinem sogenannten milden Verlauf fest auf meinen Bronchien lagert.

Und die Omikron-Variante B5? Lagert fest auf meinen Bronchien

Das mein Privatleben gerade gnadenlos durchrüttelt. Aber ich will Sie jetzt nicht mit persönlichen Details behelligen (liebe Leserin Lisa K., das war es ja auch, was Sie an meinen Kolumnen so nervt), sondern aufs Ganze blicken. Und, ganz objektiv gesehen, da gab es schon mal bessere Aussichten auf die Zukunft, oder?

Tatsächlich fällt bei genauerer Betrachtung der Früher-war-alles-besser-Gedanke schnell in sich zusammen. Ich denke an die Wende. Die große Freiheit. Mauer weg, Kalter Krieg vorbei, die Welt stand uns offen. Das Problem war nur, dass uns kaum jemand brauchte. Da blieb nur die Flucht nach vorn: Ellbogen einsetzen bei den Auswahlverfahren, die damals Assessment-Center hießen, und die Konkurrenz vom Platz schießen.

Heute gibt es Prämien für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die halbwegs interessierte Nachwuchskräfte für ihr Unternehmen anwerben. Es wird gelockt mit Vier-Tage-Woche, Essensgutscheinen, Obst, Kaffee, Freizeit­aktivitäten, Weiterbildung, Homeoffice. Ganz nach dem Motto: Wünsch dir was.

Die CEOs müssen endlich den Bewerbern zeigen, was sie drauf haben

Bei dem Gedanken wackelt meine schlechte Laune. Denn den alten Bossen, all den CEOs, gehen die Arbeitskräfte aus, und es reicht beim Recruiting nicht mehr, sich zurückzulehnen und genüsslich einer jungen, sich abstrampelnden Bewerberin bei ihrer Performance zuzusehen.

Nein, wer einstellt, braucht eine eigene Performance, um für Bewerber interessant zu sein. Nach dem Motto: Du willst, dass ich hier arbeite? Dann zeig mal, was ihr hier so draufhabt. Und vor allem: Was mir das bringt.

Dann denke ich an die Umwelt. Vor ein paar Jahrzehnten waren es nur ein paar Klima-Nerds, die vor der globalen Erwärmung warnten. Es wurde auch über Waldsterben diskutiert oder das Ozonloch.

Mit dem ÖPNV fuhren nur Senioren und Schulkinder

Das größte Glück blieb aber das eigene Auto. Darauf war schließlich die gesamte Verkehrsführung ausgerichtet. Nur Seni­oren und Schulkinder fuhren Bus.

Mag sein, dass das nicht ganz stimmt, aber so ist meine Erinnerung. Der Weg zur Uni mit dem Rad? Als ein Pkw-Fahrer hinter mir an der roten Ampel vergaß zu bremsen und ich im hohen Bogen vom Rad fiel, endeten meine Versuche damals.

Heute führt mein Weg in die Redaktion über Pop-up-Radwege. Die Autos verloren dafür eine Fahrbahn und etliche Parkplätze. Der Bus vor mir fährt emissionsfrei, zumindest manchmal. Ich bin mir sicher, dass der eine oder die andere SUV-Fahrer/-in dort mit dem 9-Euro-Ticket einsteigt.

Die Schwammstadt wärs – dort wäre es auch schöner

Ja, ja, das ist alles viel zu optimistisch. Das kann den Klimawandel nicht aufhalten, die Hitzedramen, Hochwasserkatas­trophen, Waldbrände. Aber vielleicht wird es wenigstens ein wenig lebenswerter, wenn es mehr Bäume in den Straßen gibt, dafür weniger Autos, wenn mir beim Anfahren mit dem Rad an der grünen Ampel kein Dieselruß mehr ins Gesicht bläst.

Es ist einfach so: Die Herausforderungen sind gigantisch. Es wird sich vieles ändern. Aber vielleicht wird nicht alles schlechter. Tatsache ist: Es gibt echt viel zu tun. Jetzt sofort.

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