Berlin. In seinem Podcast „Das Coronavirus-Update“ erklärt Christian Drosten, wie das Coronavirus mutieren könnte. Wird das Virus harmloser?

  • In Deutschland diskutieren viele Menschen über die Effektivität der Corona-Regeln der Bundesregierung
  • Auch ob sich Covid-19 verändert und ob das Virus möglicherweise harmloser wird, interessiert viele
  • Christian Drosten thematisiert diese Fragen in seinem Podcast „Das Coronavirus-Update“
  • Der Charité-Chef-Virologe betont, es sei möglich, dass sich das Virus im weiteren Pandemie-Verlauf abschwäche
  • Wie wird das Coronavirus mutieren?

Gegen die strengen Corona-Regeln gab es Deutschland Proteste und viel Kritik. Immer wieder wurde diskutiert, ob die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in der Form so notwendig waren.

Nun hat sich Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, am Donnerstag im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“ zu diesem Thema geäußert. Lesen Sie hier: Christian Drosten: Virologe will live mit Punkband auftreten

Drosten: Studie zeigt Wirksamkeit von Corona-Regeln

Drosten zieht eine Studie des Imperial College in London zurate. Die Forscher haben anhand der Totenzahlen der europäischen Länder bis Anfang Mai ein Szenario entwickelt, wie viele Tote es gegeben hätte, wenn keine nicht-pharmazeutischen Maßnahmen veranlasst worden wären. Nicht-pharmazeutische Maßnahmen sind etwa die Maskenpflicht oder Abstandsregeln. Lesen Sie hier: Virologe sieht Anzeichen, dass Corona zu einer harmloseren Variante mutiert.

Die Ergebnisse der Studie schildert Drosten so: Allein in Deutschland wären nach Berechnungen der Forscher bis Anfang Mai etwa 570.000 Menschen an Covid-19 gestorben – statt rund 7000. Ähnlich hohe Zahlen wären demnach auch in den anderen Ländern aufgetreten, die besonders von der Pandemie betroffen waren.

Das ist der Coronavirus-Experte Christian Drosten

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    Infektionsrate in Deutschland deutlich geringer als in anderen Ländern

    Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich sich auch Erkenntnisse zu den Infektionsraten in Europa ableiten, so der Virologe. Die meisten bevölkerungsreichen Länder – etwa Frankreich, Spanien oder Italien – weisen demnach eine Infektionsrate von 4 bis 5 Prozent auf, in Deutschland liegt der Wert hingegen bei 0,85 Prozent. „Hier sehen wir, was wir in Deutschland durch die Präventionsmaßnahmen geleistet haben“, sagt Drosten, der in seinem an diesem Dienstag (17. Juni) veröffentlichten Podcast weitere Maßnahmen fordert.

    Zu ähnlichen Schlüssen komme man, wenn man die Studie zur Maskenpflicht in Jena betrachte. Sie war dort schon am 6. April eingeführt worden, während bundesweit die Pflicht zum Tragen einer Maske beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln erst Ende April in Kraft trat. Durch die frühe Maskenpflicht reduzierten sich die Fallzahlen in Jena nach 20 Tagen um ein Viertel, bei Personen über 60 sogar um mehr als die Hälfte.

    Lokale Immunität – eine Erklärung für leichte Covid-19-Verläufe?

    Auch die Immunität gegen das Coronavirus ist derzeit ein wichtiges Thema – gerade mit Hinblick auf eine mögliche zweite Welle der Infektionen. Drosten zitiert im Podcast aus einer Studie aus Zürich. Eine interessante Erkenntnis daraus sei, dass es Hinweise auf lokale Immunreaktionen gebe. Dabei kommt es zu einer lokalen Produktion von Antikörpern etwa an den Schleimhäuten, nicht aber im Rest des Körpers, beispielsweise an den Lymphknoten. Lesen Sie hier: Christian Drosten hält weitere Corona-Ausbrüche im Herbst für wahrscheinlich.

    Eine mögliche Erklärung dafür sei eine frühe Reaktion des Immunsystems, die die Virusreaktion zum Stillstand gebracht haben, erklärt der Virologe. Die Patienten hätten demnach nur milde oder keine Symptome gehabt – neben dem Einfluss der Blutgruppen eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Verläufe der Krankheit Covid-19. Eine lokale Immunreaktion bedeutet laut Drosten allerdings auch, dass sich der Patient nochmal infizieren kann.

    Coronavirus: Wirken Nasensprays und Inhalatoren?

    An der Podcast-Folge am Dienstag hatte sich Drosten zuversichtlich zur Wirkung von Nasensprays und Inhalatoren im Kampf gegen das Coronavirus gezeigt. Grundlage für seine Aussage waren die Ergebnisse einer Studie einer Gruppe von Forschern der Universität von North Carolina.

    Die Forscher wollen herausgefunden haben, dass das Virus seinen Weg in die Atemwege bevorzugt über die Nase nimmt. Die Erklärung dafür sei, dass in der Nasenschleimhaut besonders viele ACE2-Rezeptoren vorhanden sind, über welche die Coronaviren in die Zellen gelangen, wo sie sich vermehren.

    Von den Nasenschleimhäuten würden die Viren praktisch in die Lunge heruntergeatmet, wo sie teils schlimme Schäden anrichten.

    Christian Drosten gehört zu den führenden Virologen Deutschlands.
    Christian Drosten gehört zu den führenden Virologen Deutschlands. © dpa | Christophe Gateau

    Christian Drosten hat Hoffnung auf Nasenspray gegen Corona

    „Es ist lohnenswert zu überlegen, ob man inhalative Wege der Therapie und auch später der Impfung geht“, sagte Drosten. Erste Substanzen, welche die Vermehrung des Coronavirus behindern, seien ja bereits bekannt. Remdesivir sei eines davon. Auf Basis der Studie müsse man nun überlegen, ob man sie auch bereits in der Frühphase einer Erkrankung als Nasenspray oder als Inhalator für die Lunge verabreichen sollte.

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    „Das ist ein großer Unterschied, ob ein Wirkstoff erstmal über den Darm ins Blut und von da aus in das betroffene Gewebe eindringen muss oder ob das direkt gehen kann.“ Allerdings gebe es besagte Substanzen noch nicht in der dafür benötigten Form, wobei Pharmaunternehmen bereits daran arbeiteten. Auch interessant: Drosten warnt in NDR-Podcast vor Zahlen aus Italien.

    Maske sollte auch die Nase bedecken

    Im Zuge der Erkenntnisse über die Nase als bevorzugtes Zielorgan für Sars-Cov-2 äußerte sich Drosten auch zum richtigen Tragen eines Mundschutzes. „Also dieses Raushängen lassen der Nase ist natürlich nicht gut“, sagte Drosten. Um das zu wissen, hätte es die Ergebnisse der Studie allerdings nicht gebraucht.

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      „Ich denke schon, dass man davon ausgehen kann, dass beim Ausstoßen aus der Nase auch ordentlich Virus mit ausgestoßen wird.“ Es sei dabei nicht wichtig, ob das Virus hauptsächlich in der Nase oder in der Lunge sitze.

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      Coronavirus ist laut Studie besonders gut überlebensfähig

      Drosten nahm in dem Podcast außerdem Stellung zu einer weiteren Studie der Universität Oxford. Diese hatte die Entwicklung unterschiedlicher Populationen des Coronavirus untersucht.

      „Die Viren differenzieren sich jetzt schon ein wenig und wir haben Mutationen, welche die verschiedenen Äste des jungen Stammbaums unterscheiden“, erklärte Drosten zur Evolution von Sars-Cov-2.

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      Die Studie hatte insgesamt Virenpopulationen von 405 Personen untersucht und festgestellt, dass in manchen Personen zwei unterschiedliche Virenpopulationen von Sars-Cov-2 gleichzeitig vorhanden waren. Das könne man sich wie eine grüne und rote Variante vorstellen, sagte Drosten. Fast alle Patienten hätten nur eines der beiden. „Aber es gibt einige Patienten, die haben das gemischt. Die sogenannten bunten Patienten.“

      Das sei zunächst eine ziemlich schlechte Nachricht.

      • Wenn zwei unterschiedliche Virusstämme sich unabhängig voneinander verbreiten würden und dann wieder aufeinander treffen, zeuge das einmal von der guten Überlebensfähigkeit des Virus.
      • Zweitens würde es belegen, dass sich Sars-Cov-2-Viren trotz unterschiedlicher Entwicklungen zusammen vermehren können, wenn sie wieder aufeinander treffen. Das wiederum würde Mutationen begünstigen.

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      Coronavirus bald ein einfacher Schnupfen?

      „Population aus gemischten Zusammensetzungen sorgen dafür, dass das Virus eine bessere Aussicht auf Anpassung an den Menschen hat“, erklärte Drosten. Das sei jedoch nicht unbedingt eine schlechte Nachricht. „Dieses Anpassen kann dazu führen, dass es sich besser überträgt, aber in der Nase bleibt und zu einem einfachen Schnupfen wird.“ Lesen Sie hier: Christian Drosten erhält Morddrohungen.

      Eine Mutation des Coronavirus hin zu einem schwereren Krankheitsverlauf könne zwar auch geschehen, ergebe für die Entwicklung das Virus aber evolutionsbedingt keinen Sinn. Bei schneller und heftiger eintretenden Symptomen würden sich Menschen früher isolieren und dadurch weniger Mitmenschen anstecken, sagte Drosten. „Virenepidemien schwächen sich deswegen auch in der Regel ab.“ Dafür gebe es viele Beispiele aus der Vergangenheit.

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      „Das Virus wird wohl in jedem Fall harmloser werden – Alleine schon durch die Bevölkerungsimmunität“, fuhr Drosten fort. Aber vielleicht spiele eben auch die Evolution des Coronavirus noch eine Rolle. Lesen Sie hier: So mutiert Corona.

      Fakten über den Virologen Christian Drosten:

      Das „Coronavirus-Update“ von Christian Drosten ist derzeit eines der beliebtesten Podcast-Formate Deutschlands. Aufgrund des abflachenden Infektionsgeschehens kündigte Deutschlands bekanntester Virologe an, den Podcast nur noch einmal pro Woche auszustrahlen.

      • Christian Drosten ist 47 Jahre alt. Er wuchs auf einem Bauernhof im Emsland auf. In Dortmund und Münster studierte er Chemietechnik und Biologie, später noch Humanmedizin in Frankfurt am Main
      • Später arbeitete er am Institut für Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg. Dort etablierte er ein Forschungsprogramm zur molekularen Diagnostik tropischer Viruskrankheiten
      • Von 2007 bis 2017 war er Leiter der Virologie in Bonn, seit 2017 arbeitet er an der Charité in Berlin
      • Drosten wurde bereits mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet

      Hier finden Sie die wichtigsten Informationen zur Coronavirus-Krise: