Athen. Bei den Waldbränden in Griechenland starben Dutzende Menschen. Der Innenminister spricht bereits von einer „nationalen Tragödie“.
In Griechenland haben die außer Kontrolle geratenen Waldbrände nahe Athen 74 Menschen das Leben gekostet. Viele von ihnen verbrannten bei lebendigem Leibe. Und das ist nur eine vorläufige Bilanz – es wird noch eine unbekannte Zahl von Menschen vermisst.
„Wir haben nahe Rafina 26 weitere Leichen entdeckt“, sagte ein Helfer des Roten Kreuzes im griechischen Nachrichtensender Skai. Dies bestätigte auch der Vizebürgermeister der Region, Girgos Kokkolis. „Es ist eine nationale Tragödie“, sagte Innenminister Panos Skourletis.
Hunderte Menschen in Griechenland gerettet
Wie der griechische Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos am Dienstagmorgen im Fernsehen sagte, wurden zudem rund 170 Menschen durch die westlich und östlich der Hauptstadt lodernden Flammen verletzt, darunter 16 Kinder. Elf Menschen befanden sich auf Intensivstationen. Das jüngste Todesopfer war ein vermutlich sechs Monate altes Baby, das an einer Rauchvergiftung starb.
„Bewohner und Besucher in der Region konnten nicht rechtzeitig fliehen, obwohl sie nur ein paar Meter vom Meer entfernt in ihren Häusern waren“, sagte eine Feuerwehrsprecherin. Die Küstenwache rettete nach eigenen Angaben gemeinsam mit anderen Helfern 696 Menschen. Aber auch vier Leichen seien aus dem Wasser gezogen worden. Tausende Menschen übernachteten im Freien, in Autos und Sporthallen, wie das Staatsfernsehen berichtete.
Fernsehreporter vor Ort berichteten, dass die Zahl der Opfer noch deutlich steigen dürfte, da in verschiedenen Orten im Osten Athens immer neue verkohlte Leichen entdeckt würden. Im Großraum Athen wurde der Notstand ausgerufen.
Reporter des Nachrichtensenders Skai berichteten, in einem Haus seien die Leichen von zwei Frauen mit ihren Kindern entdeckt worden. „Die Frauen hatten ihre Kinder in ihrer Verzweiflung umarmt, um sie vor den Flammen zu schützen“, sagte ein Reporter des Senders. Auch die Leiche eines weiteren Kleinkindes sei entdeckt worden. Informationen über Touristen unter den Opfern lagen zunächst nicht vor.
Fischer zogen Menschen aus dem Meer
In der Hafenstadt Rafina drangen die Flammen bis in den Stadtkern hinein. Tausende Menschen flohen aus der Region. Hunderte retteten sich vor den Flammen ins Meer. Stundenlang zogen Fischer und vorbeifahrende Schiffe die Menschen aus den Fluten. Fischer, die Küstenwache und Urlauber mit Schlauchbooten konnten mehr als 700 Menschen in Sicherheit bringen, die an Stränden und felsigen Küstenabschnitten Zuflucht vor den Flammen gesucht hatten. Im Hafen von Rafina zeigten Dutzende Menschen Fotos ihrer Verwandten und fragten Passanten, ob sie sie gesehen hätten.
Die Feuer waren so groß, dass Rauchwolken über Athen hingen und die Sonne verdunkelten. In der Region westlich und östlich der Hauptstadt haben Tausende Athener ihre Ferienwohnungen. Mehrere Bürgermeister schilderten Reportern, dass allein im Osten Athens mehr als 200 Häuser und Hunderte Autos zerstört oder beschädigt worden seien.
„Es ist das sogenannte schlimmste Szenario eingetreten“, sagte der Chef des griechischen Zivilschutzes, Giannis Kapakis, im Fernsehen. Die Flammen wüteten in einem dicht mit Pinien bewaldeten Gebiet, wo es überall Ferienhäuser gibt.
Viele Einwohner flüchteten in Panik, mehrere Kinder-Zeltlager mussten evakuiert werden. Strom, Telefon und Internet fielen in einigen Regionen aus. Wegen der starken Rauchbildung wurden die Autobahn und die Bahnstrecke zwischen Athen und Korinth gesperrt. Was Griechenland-Urlauber jetzt wissen müssen, lesen Sie hier.
Tsipras brach Staatsbesuch ab
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras brach einen Besuch in Bosnien-Herzegovina vorzeitig ab und eilte nach Athen zurück. „Meine Gedanken sind bei den Menschen und den Einsatzkräften“, sagte er dem griechischen Fernsehsender ERT. Er äußerte den Verdacht, dass Brandstifter hinter den Feuern stecken könnten.
Tsipras ordnete an, dass Feuerwehren anderer Regionen sowie das Militär nach Athen zur Hilfe kommen, wie das Staatsradio berichtete. Zudem habe Griechenland andere Länder der EU um Hilfe gebeten, sagte eine Feuerwehrsprecherin am Montagabend.
Dienstagabend trafen dann auch erste Einsatzkräfte aus dem EU-Katastrophenschutz in Griechenland ein. Dabei handelte es sich um 64 Helfer aus Zypern, wie ein Sprecher der EU-Kommission sagte. Weitere Länder sicherten Hilfe zu, darunter Spanien, Bulgarien, Italien, Kroatien und Portugal. Sie werden – falls nötig – Löschflugzeuge, Einsatzkräfte, Ärzte oder Fahrzeuge senden.
Temperaturen um die 40 Grad
Zurzeit herrschen in Griechenland Temperaturen um die 40 Grad. Zudem wehen in der betroffenen Region Windböen der Stärke sieben.
Für die Feuerwehr, freiwilligen Helfer und das Militär kommt erschwerend hinzu, dass sie nach Einbruch der Dunkelheit ohne Hilfe der Löschflugzeuge und Hubschrauber gegen die Flammen kämpfen müssen.
Waldbrände wüten in Griechenland
Die Brände in dem Dorf Mati, das etwa 29 Kilometer von der griechischen Hauptstadt entfernt liegt, sind die schwersten seit Dutzende Menschen bei einem Feuer im August 2007 auf der Halbinsel Peloponnes starben.
Hitzwelle in Europa
Derzeit rollt eine Hitzewelle über Deutschland und Europa. Experten sehen den Klimawandel als Ursache für die rekordverdächtigen Temperaturen an. Auch in Schweden wüten Brände, bei der die Feuerwehr sogar aus Deutschland unterstützt wird. Diese Regeln sind bei erhöhter Waldbrandgefahr zu beachten. (bekö/dpa)