Opfer Renate B. spricht von Missbrauch und Vergewaltigung, ihr Vater Adolf B. vom einvernehmlichen Sex. Die Familie verweigert die Aussage.

Nürnberg/Willmersbach. Nur einmal verliert der Vorsitzende Richter im Prozess um den jahrzehntelangen Inzest im fränkischen Willmersbach für einen Moment seine Beherrschung: Als ihn die als Zeugin geladene Mutter des Opfers und Ehefrau des Angeklagten Adolf B. am Dienstag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth nicht ausreden lassen will und zunächst auch die Angabe ihrer Personalien verweigert, haut der sonst so besonnen wirkende Günther Heydner wütend mit der Hand auf den Tisch. Ob sie in Haft wolle, schreit er der dünnen, kleinen Frau mit den schlohweißen Haaren zu, bis diese schließlich zu ihm ans Pult geht und erklärt, dass sie seine Fragen gar nicht hören kann.

Wie auch die drei älteren Brüder des Inzestopfers Renate sowie deren beiden Söhne verweigerte die 73-Jährige am vierten Prozesstag jede Aussage gegen Adolf B. Sie wisse ja nichts, sagte sie. Als sie den Sitzungssaal verlässt, scheucht sie der 69-Jährige mit einer Handbewegung gleichsam nach draußen.

Seit Ende November muss sich der ehemalige Bauarbeiter wegen 497-facher Vergewaltigung seiner Tochter und Inzest vor Gericht verantworten. Er soll die heute 46-jährige Renate mehr als 34 Jahre lang regelmäßig mit Gewalt zum Sex gezwungen haben, in die Anklageschrift schafften es aber nur die noch nicht verjährten Fälle. Anfang 2011 erstattete Renate B. Anzeige gegen ihn.

Zum Prozessauftakt hatte Adolf B. zwar Sex mit seiner Tochter eingeräumt, aber von stets einvernehmlichen Kontakten gesprochen. Aus der Beziehung gingen drei behinderte Söhne hervor, von denen zwei starben. Einen vierten noch lebenden Sohn hat Renate B. aus einer Beziehung mit ihrem Onkel.

Am Vormittag hatten Zeugen ausgesagt, dass der Inzest zwischen Adolf B. und seiner Tochter seit den 80er Jahren Gesprächsstoff in der Region gewesen sei. Ein 44-Jähriger aus einem Nachbarort erzählte, er selbst könne sich seit 1982 an entsprechende Gerüchte erinnern. Jeder habe darüber Bescheid gewusst.

Ein 73-jähriger Hobby-Jäger, der den Angeklagten aus Wirtshäusern seit rund 30 Jahren kennt, gab an, das Paar zweimal im Auto auf abgeschiedenen Wegen angetroffen zu haben, das erste Mal etwa Mitte der 80er. Er selbst habe dem Ganzen aber nicht "so viel Bedeutung beigemessen". Allerdings habe er davon gewusst, dass die Willmersbacher hinter vorgehaltener Hand viel über die mutmaßlich intime Beziehung diskutiert hätten. "Die wunderten sich, warum die Renate mitmachte", sagte er. Er selbst habe sich indes gewundert, warum die Behörden nichts unternommen hätten.

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Einmal vor etwa 20 Jahren will er über den Fall sogar mit einer Mitarbeiterin des zuständigen Landratsamtes gesprochen haben. Diese habe ihm aber klar gemacht, dass sie sich nicht einmischen wolle, weil die Familie so aggressiv sei.

Wirte verschiedener Gaststätten, in denen Adolf B. regelmäßig verkehrte, schilderten ihn als friedlich, solange er nichts getrunken hatte. Dann sei er aggressiv geworden. Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Tochter beschrieben die meisten als "harmonisch". Es habe auf sie nicht den Eindruck gemacht, als hätte der Vater seine Tochter misshandelt.

Ein Wirt sagte aus, die beiden hätten auf ihn wie "ein Herz und eine Seele" gewirkt. An konkreten Beispielen belegen konnte er seine Einschätzung aber nicht.

Der Prozess wird am Freitag mit den Plädoyers fortgesetzt. Möglicherweise wird dann auch schon das Urteil gesprochen.