Opfer Renate B. spricht von Missbrauch und Vergewaltigung, ihr Vater Adolf B. vom einvernehmlichen Sex. Die Zeugen sind sich uneinig.

Nürnberg/Willmersbach. Der Inzest im mittelfränkischen Willmersbach war seit mindestens 1982 ein offenes Geheimnis in der Region. Das sagten verschiedene Zeugen am Dienstag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth aus. Dort muss sich seit Ende November der 69-jährige Adolf B. wegen jahrzehntelanger Vergewaltigung seiner Tochter Renate verantworten. Er soll die heute 46-Jährige mehr als 34 Jahre lang mit Gewalt zum Sex gezwungen haben. Zum Prozessauftakt hatte Adolf B. von stets einvernehmlichen Kontakten gesprochen. Aus der Beziehung gingen drei behinderte Söhne hervor, von denen zwei starben.

Ein 44-Jähriger aus einem Nachbarort sagte am Dienstag, die Gerüchte über ein sexuelles Verhältnis des Angeklagten mit dessen Tochter seien ihm seit 1982 bekannt. Er habe keinen näheren Kontakt zur Familie gehabt und sich selbst auch nie im Willmersbach aufgehalten, aber er kenne das Gerede dort. "Die Gerüchteküche brodelt", schilderte er. Alle hätten darüber gesprochen.

Ein 73-jähriger Hobby-Jäger, der den Angeklagten aus Wirtshäusern seit rund 30 Jahren kennt, gab an, das Paar zweimal im Auto auf abgeschiedenen Wegen angetroffen zu haben, das erste Mal etwa Mitte der 80er. Er selbst habe dem Ganzen aber nicht "so viel Bedeutung beigemessen". Allerdings habe er davon gewusst, dass die Willmersbacher hinter vorgehaltener Hand viel über die mutmaßlich intime Beziehung diskutiert hätten. "Die wunderten sich, warum die Renate mitmachte", sagte er. Er selbst habe sich indes gewundert, warum die Behörden nichts unternommen hätten.

Einmal vor etwa 20 Jahren will er über den Fall sogar mit einer Mitarbeiterin des zuständigen Landratsamtes gesprochen haben. Diese habe ihm aber klar gemacht, dass sie sich nicht einmischen wolle, weil die Familie so aggressiv sei.

Wirte verschiedener Gaststätten, in denen Adolf B. regelmäßig verkehrte, schilderten ihn als friedlich, solange er nichts getrunken hatte. Dann sei er aggressiv geworden. Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Tochter beschrieben die meisten als "harmonisch". Es habe auf sie nicht den Eindruck gemacht, als hätte der Vater seine Tochter misshandelt. Ein Wirt sagte aus, die beiden hätten auf ihn wie "ein Herz und eine Seele" gewirkt. An konkreten Beispielen belegten konnte er seine Einschätzung aber nicht.

+++ Tochter schildert Martyrium im Willmersbacher Inzest-Fall +++

Unterdessen schilderte der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Gerhardshofen, zu der Willmersbach gehört, dass er vor etwa 20 Jahren von den Inzestgerüchten erfahren und einen Arzt aus einem Nachbarort gefragt habe, was in so einem Fall zu tun sei. Dieser habe ihm klar gemacht, dass die gentechnischen Untersuchungen noch nicht ausreichten, um eine Vaterschaft zu beweisen. Er müsse das Paar in flagranti erwischen, um etwas unternehmen zu können.

Der Prozess wird mit Zeugenaussagen fortgesetzt. Unter anderem sind am Nachmittag die Mutter und die vier Brüder des Opfers geladen. Sie sollen von den Übergriffen gewusst haben. Vor Gericht dürften sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Ein Urteil soll am 19. Dezember gesprochen werden.