Im April 2007 war eine Heilbronner Beamtin erschossen worden. Generalstaatsanwalt Pflieger hält den Mord für so gut wie aufgeklärt.

Jena/Eisenach/Augsburg. Viereinhalb Jahre nach dem Mord an einer Polizistin in Heilbronn steht der Fall nach Einschätzung der Justizbehörden kurz vor der Aufklärung. Der Chef des Landeskriminalamts in Stuttgart, Dieter Schneider, sprach von großen Fortschritten in den Ermittlungen. „Wir sind sehr nah dran“, sagte er am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa.

Der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger sagte, er gehe davon aus, dass die beiden in Eisenach tot aufgefundenen Männer zu den Tätern gehörten.

Die Staatsanwaltschaft Zwickau war für eine Stellungnahme dazu nicht zu erreichen. Auch in Thüringen äußerten sich die Behörden dazu zunächst nicht.

Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) nannte die Spur nach Thüringen „erfolgversprechend“. Dort seien neben der Dienstwaffe auch die Handschellen der ermordeten Polizistin Michele K. gefunden worden. Der Fall sei aber noch nicht gelöst, sagte Gall. Die Ermittler prüfen derzeit auch Zusammenhänge zum Polizistenmord Ende Oktober in Augsburg. Bisher unbestätigt sind Berichte über Verbindungen mit der Neonazi-Szene.

In Thüringen stellte sich eine bundesweit gesuchte 36-jährige Frau der Polizei in Jena. Sie soll mit zwei mutmaßlichen Bankräubern zusammengewohnt haben, bei denen die Dienstwaffen der ermordeten Polizistin und ihres Kollegen gefunden wurden. Die Bankräuber hatten sich nach einem Überfall in Eisenach am Freitag nach Angaben der Behörden selbst getötet.

Die 36-Jährige, die laut Staatsanwaltschaft Zwickau zuletzt mehrere Decknamen nutzte, werde nun nach Sachsen gebracht, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Meiningen der Nachrichtenagentur dpa. Dort solle ihre Identität eindeutig festgestellt werden. Die Wohnung der drei in Zwickau wurde kurz nach den Vorfällen in Eisenach durch eine Explosion zerstört. Die Frau, die dort unter dem Namen Susann lebte, soll das Gebäude kurz vor der Detonation verlassen haben.

Ob man auch der 36-Jährigen eine Tatbeteiligung nachweisen könne, sei fraglich, sagte Pflieger dem Südwestrundfunk (SWR): „Einen dringenden Tatverdacht haben wir jedenfalls bei einer ersten Prüfung nicht bestätigen können.“

Im April 2007 war die 22 Jahre alte Michele K. aus dem südthüringischen Oberweißbach auf einer Heilbronner Festwiese durch einen Kopfschuss getötet worden. Ihr Kollege überlebte schwer verletzt, er lag wochenlang im Koma. Monatelang suchten Ermittler nach einem Phantom.

Die Behörden in Bayern untersuchen derzeit auch, ob es einen Zusammenhang dieses Falles zu dem Polizistenmord Ende Oktober in Augsburg gibt. „Das ist eine Spur von vielen, die derzeit geprüft und bewertet wird“, sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur dpa und bestätigte damit einen Online-Bericht der „Augsburger Allgemeinen“. Bislang seien zwischen beiden Polizistenmorden jedoch keine „Schnittstellen“ erkennbar.

Die DNA-Spuren der mutmaßlichen Bankräuber sollen mit den im Augsburger Siebentischwald gefundenen Spuren verglichen werden. Der 41 Jahre alte Augsburger Hauptkommissar war in der Nacht zum 28. Oktober nach einer Routinekontrolle von einem Unbekannten erschossen worden.

In Thüringen wird spekuliert, die mutmaßlichen Bankräuber könnten eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben. Die beiden Männer im Alter von 34 und 38 Jahren und die Frau sollen nach Darstellung der Thüringer Linke-Fraktion und Medienberichten zufolge bereits als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Zwickau, Antje Dietsch, wies dies zurück: „Das sind Spekulationen, die die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Zwickau nicht hergeben.“

Der Linke-Fraktion zufolge wurde das Trio bereits 1998 polizeilich gesucht. Nach der Aushebung einer Bombenwerkstatt in Jena seien die drei geflüchtet und spurlos verschwunden, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Martina Renner. Das Landeskriminalamt hatte die Männer wochenlang observiert. Das Verfahren wurde 2003 wegen Verjährung eingestellt. Ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums wollte sich zur Identität der mutmaßlichen Bankräuber aus ermittlungstaktischen Gründen nicht weiter äußern.

Chronologie des Heilbronner Polizistinnenmords

April 2007: In Heilbronn wird eine 22 Jahre alte Polizistin erschossen. Ihr Kollege überlebt seine lebensgefährlichen Kopfverletzungen. Am Wagen wird das DNA-Material einer Unbekannten sichergestellt.

2007 bis 2009: Die Ermittler suchen nach einen Phantom. Gen-Spuren der angeblichen "Frau ohne Gesicht“ werden bei mehr als 35 Straftaten gefunden – darunter Morde und Einbrüche.

26. August 2008: Das ZDF strahlt eine Dokumentation über die "Frau ohne Gesicht“ aus.

25. Dezember 2008: Das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart weist Spekulationen um verunreinigte Utensilien für die DNA-Analyse bei der Suche nach dem Heilbronner "Phantom“ zurück. 5. Januar 2009: Die ARD rollt die mysteriösen Straftaten, die auf das Konto der "Frau ohne Gesicht“ gehen sollen, in einer Sendung auf.

13. Januar 2009: Mit der höchsten Belohnung in der Geschichte von Baden-Württemberg will das Land die zähe Aufklärung vorantreiben: Die Belohnung wird auf 300 000 Euro verdoppelt.

11. Februar 2009: Das LKA übernimmt wegen Überlastung der Heilbronner Polizei die Ermittlungen in dem mysteriösen Fall.

27. März 2009: Leiter der Staatsanwaltschaft Heilbronn, Volker Link, räumt ein, dass die Gen-Spuren der "Frau ohne Gesicht“ beim Verpacken auf die Wattestäbchen gelangt waren. Anfang 2010: Die Polizei nimmt Kontakt zu 395 ehemaligen Gymnasiasten auf, die zur Zeit des Mordes in der Nähe des Tatortes ihren Abschluss gefeiert hatten. Neue Anhaltspunkte ergeben sich nicht.

7. November 2011: Das LKA teilt mit, dass die geraubten Pistolen der beiden Heilbronner Polizisten in einem ausgebrannten Wohnwagen bei Eisenach (Thüringen) entdeckt wurden. In dem Wohnwagen waren zuvor die Leichen von zwei Männern gefunden worden, die mit einem Banküberfall vom 4. November in Verbindung gebracht werden.

Mit Material von dpa und dapd