Mit einer großen Trauerfeier nimmt Russland am Sonnabend Abschied von dem Eishockey-Team, das ein Flugzeugabsturz fast komplett auslöschte.

Moskau/Jaroslawl. Nach dem Flugzeugabsturz mit einem Eishockey-Team an Bord nimmt Russland an diesem Sonnabend bei einer Trauerfeier Abschied von den 43 Toten. In der „Arena 2000“ in Jaroslawl kommen Familienangehörige, Freunde und Fans zusammen, um der verunglückten Spieler des Erstligisten Lokomotive Jaroslawl zu gedenken. Seit Mittwoch haben vor der Halle viele Fans und Bürger tausende Blumen abgelegt und ihrer Trauer Ausdruck verliehen.

Am Ort der Katastrophe werde schon bald ein Denkmal errichtet, sagte der Gouverneur des Gebiets, Sergej Bachrukow, am Freitag. Man wolle das Denkmal mit Fans und Bürgern absprechen. Jaroslawl liegt rund 280 Kilometer nordöstlich von Moskau.

Unter den Toten beim Absturz der Maschine vom Typ Jak-42 war auch der deutsche Nationalspieler Robert Dietrich . Die „Bild“-Zeitung zitierte am Freitag dessen Freundin Lena: „Robert hat mich noch aus dem Flugzeug angerufen. Er war total glücklich, dass er spielen durfte, hat sich super auf den Saisonbeginn gefreut.“ Knapp eineinhalb Jahre waren beide demnach ein Paar. „Ohne meine Freunde und Familie würde ich das alles nicht durchstehen.“ Sie wolle jetzt auch nach Russland fliegen, sagte die 22-Jährige.

In Moskau kämpften Ärzte unterdessen weiter um das Leben der beiden Geretteten. Der Zustand des Spielers Alexander Galimow sei weiter kritisch, teilten die Spezialisten einer Klinik in der Hauptstadt nach Angaben der Agentur Interfax mit. Auch ein Besatzungsmitglied wurde weiter behandelt.

Im Gebiet Jaroslawl begann nach dem Unglück vom Mittwoch eine offizielle dreitägige Trauer. Ermittler suchten weiter nach der Ursache des Absturzes. Spezialisten gehen bisher von einem technischen Versagen und einem Pilotenfehler aus, wie der Chef der örtlichen Ermittlungsbehörde, Oleg Lipatow, vor Journalisten sagte.

Unklar war nach wie vor, warum die Maschine hunderte Meter über die Startbahn aufs Feld hinausrollte, dann beim Abheben nicht die nötige Höhe erreichte und schließlich abstürzte. Experten erhoffen sich Aufschluss beim Auswerten der Flugschreiber. Nach Darstellung von Lipatow sollen den Angehörigen in den nächsten Tagen auch persönliche Gegenstände der getöteten Insassen übergeben werden.

Lokomotive Jaroslawl müsse nach dem Tod seiner Spieler den Hinterbliebenen große Summen zahlen und verliere damit ein ganzes Jahresbudget, sagte Gouverneur Bachrukow. Deshalb sollten die Russische Staatsbahn RZD als Clubeigentümer und die Regierung neue Mittel finden.

„Wir tun alles, um eine neue Mannschaft zusammenzustellen, die dem Andenken der Toten gerecht wird“, sagte der Gouverneur. Dazu sollen Spieler von anderen Clubs der Kontinentalen Eishockey-Liga (KHL) in Jaroslawl spielen. Dutzende Sportler hatten sich in den vergangenen Tagen dazu bereiterklärt.

Nach dem Jak-Absturz mit den insgesamt 45 Menschen an Bord sowie anderen Unglücken in den vergangenen Wochen und Monaten ordnete die russische Führung an, die Luftfahrtindustrie im Land grundsätzlich zu überprüfen.

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Robert Dietrich - ein Nachruf von Jörg Mebus

Robert Dietrich war kein Freund großer Worte. Der Eishockey-Profi wirkte mit seiner zurückhaltenden, introvertierten Art in seiner ruppigen Sportart mitunter seltsam deplatziert. „Robert war ein ausgezeichneter und ein ganz feinfühliger Profi“, sagte DEB-Sportdirektor Franz Reindl und rang wie alle Vertreter des deutschen Eishockeys am Mittwoch um Fassung.

Erst im Juni war der 25-Jährige in die russische Eliteklasse Kontinental Hockey League (KHL) gewechselt, um sich dort mit den Besten zu messen. Weltstars wie Sergej Fedorow oder Dominik Hasek spielen mittlerweile dort, einige Experten halten die KHL für die beste Liga nach der nordamerikanischen Profiliga NHL. Die Adler Mannheim, wo er bis zum Sommer aktiv war, genügten Robert Dietrich nicht mehr. Seinen bis 2013 gültigen Vertrag löste er auf. Im zweiten Versuch wollte er den Durchbruch in einer ganz großen Liga schaffen. Der erste, bei den Nashville Predators in der NHL, war fehlgeschlagen.

Die Aussichten standen gut, auch weil er sich in seiner neuen sportlichen Heimat perfekt verständigen konnte. Robert Dietrich ist im kasachischen Ordschonikidse geboren, seinen größten Auftritt im Trikot einer Nationalmannschaft hatte er aber in Deutschland - und für Deutschland. Er absolvierte bei der Weltmeisterschaft 2010 in Gelsenkirchen, Köln und Mannheim neun Spiele für die Gastgeber.

„Robert hat sich in Jaroslawl sehr wohlgefühlt. Er war den Sommer über in Düsseldorf. Wir haben uns ab und zu auf der DEG-Geschäftsstelle noch gesehen“, sagte Teamleiter Walter Köberle von der Düsseldorfer EG, bei der Dietrich zwischen 2006 und 2008 gespielt hatte, der Rheinischen Post. Wenige Stunden vor dem Absturz hatte der Ex-Nationalspieler noch mit Köberle telefoniert: „Er hat mir gesagt, dass er gleich losfliegen würde. Das ist brutal und unglaublich.“

Dietrich hatte die Jugendabteilungen bei seinem Heimatverein ESV Kaufbeuren durchlaufen, im Allgäu stand er im Alter von fünf Jahren erstmals mit einem Schläger auf dem Eis. Sein Talent blieb nicht lange verborgen, 2002 wechselte er zu den Junioren der Adler Mannheim. Über die Stationen EC Peiting, ETC Crimmitschau und Straubing Tigers landete er 2006 in Düsseldorf, wo ihm unter Trainer Don Jackson der Durchbruch gelang. Er zeigte derart beeindruckende Leistungen, dass auch die Scouts aus der nordamerikanischen Profiliga NHL auf ihn aufmerksam wurden.

2008 wechselte Dietrich nach Nashville, schaffte dort aber nicht den Sprung in die erste Mannschaft, sondern nur ins Farmteam - zu wenig für den ehrgeizigen Verteidiger. Im Sommer 2010 kehrte Dietrich deshalb nach Deutschland zurück und wurde Leistungsträger in Mannheim. In 48 Spielen sammelte er 20 Punkte (3 Tore, 17 Vorlagen). Wahrscheinlich waren die Adler für ihn von Beginn an nur eine Durchgangsstation. Das Russland-Abenteuer war noch einmal ein Versuch, ganz groß rauszukommen. Er endete tragisch.