Nach der Tragödie in Russland gedenkt Präsident Medwedew an der Absturzstelle der Opfer. Und er fordert eine Erneuerung der Flugzeugflotte.

Moskau/Jaroslawl. Nach dem Flugzeugabsturz in Russland mit einer ganzen Eishockey-Mannschaft an Bord hat Kremlchef Dmitri Medwedew an der Unglücksstelle sichtlich bewegt der 43 Opfer gedacht. Bei dem Besuch in der Nähe der Stadt Jaroslawl legte er am Donnerstag rote Rosen am Wolga-Ufer nieder. Dort war am Vortag die Jak-42 mit dem Eishockey-Team von Lokomotive Jaroslawl kurz nach dem Start abgestürzt. Wenig später prangerte der Präsident wie schon bei vielen anderen Unglücken zuvor den maroden Zustand der Luftflotte an.

Zwei Überlebende, der Spieler Alexander Galimow und ein Crewmitglied, wurden indes nach Moskau in Spezialkliniken geflogen. Ihr Zustand war kritisch. Unter den Toten war auch der deutsche Nationalspieler Robert Dietrich , der erst seit dieser Saison bei Lokomotive spielte. Die Suche nach der Unglücksursache dauerte an. Möglicherweise war ein Motor nicht funktionstüchtig und der Pilot nicht ausreichend auf die Notlage vorbereitet, wie die Agentur Interfax unter Berufung auf Ermittler meldete.

Nach dem Todesflug des russischen Erstligisten Lokomotive Jaroslawl ordneten die Behörden der Region - rund 280 Kilometer nordöstlich von Moskau - vom 9. bis 11. September öffentliche Trauerbeflaggung an. Tausende Menschen legten an der Halle von Lokomotive Jaroslawl Blumen, Trikots und Schals nieder.

„Der letzte Flug von Lokomotive. Beim Flugzeugunglück wird einer der stärksten Eishockeyclubs des Landes ausgelöscht“, schrieb die Zeitung „Nowyje Iswestija“. Spontan erklärten sich 36 Spieler anderer Mannschaften bereit, ein neues Team in Jaroslawl zu bilden. „Ich hoffe, dass die Clubs der Kontinentalen Eishockey-Liga die Spieler gehen lassen“, sagte Liga-Präsident Alexander Medwedew nach Angaben der Agentur Interfax.

Bei einem internationalen politischen Forum in Jaroslawl zur Zukunft Russlands legten die Teilnehmer, darunter auch der türkische Präsident Abdullah Gül, eine Schweigeminute ein. Kremlchef Medwedew wies die Behörden am Rande des Forums an, die Flugzeugflotte auf den Prüfstand zu stellen.

Falls russische Firmen keine sicheren Flugzeuge bauen könnten, müssten sie diese im Ausland kaufen. „Priorität haben die Passagiere, nicht die Interessen der Luftfahrtbranche“, betonte Medwedew bei einem Treffen mit Verkehrsminister Igor Lewitin. Nach einer solchen Katastrophe könne man nicht zur Tagesordnung übergehen.

Viele Bedienstete der russischen Luftflotte seien schlecht ausgebildet oder würden keine Leistung bringen, sagte Medwedew. „Ich werde die Regierung mit der Modernisierung der Branche beauftragen. Aber die Lage bleibt schwierig, wie die Serie der Luftfahrtkatastrophen zeigt“, führte der Präsident aus. Allein in den vergangenen drei Monaten waren in Russland bei drei Flugzeugabstürzen mehr als 60 Menschen getötet worden.

Medien berichteten, dass es in letzter Zeit wiederholt Probleme mit Jak-Maschinen gegeben habe. Demnach sind immer noch 100 Maschinen des Typs im Einsatz. Experten machten den insgesamt schlechten Zustand der oft noch sowjetisch geprägten Luftfahrtindustrie verantwortlich für die Katastrophe.Nach dem Absturz des fast 20 Jahre alten Flugzeugs vom Typ

Jakowlew (Jak-42) bargen Helfer alle Leichen und stellten auch die beiden Flugschreiber sicher. Damit solle die genaue Absturzursache geklärt werden, hieß es. Taucher waren nach Medienberichten insgesamt 30 Mal in die Wolga gestiegen, in die brennende Teile der Maschine gestürzt waren.

Möglicherweise hätten die Piloten trotz eines technischen Problems versucht, die Maschine in die Höhe zu ziehen, sagte ein namentlich nicht genannter Flughafenmitarbeiter nach Agenturangaben. Angeblich gewann das Flugzeug nach dem Start auf dem Weg in die weißrussische Hauptstadt Minsk zu langsam an Höhe, streifte einen Mast und zerschellte dann am Boden. Die Kontinentale Eishockey-Liga (KHL) sagte alle Partien bis zum 12. September ab.

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Robert Dietrich - ein Nachruf von Jörg Mebus

Robert Dietrich war kein Freund großer Worte. Der Eishockey-Profi wirkte mit seiner zurückhaltenden, introvertierten Art in seiner ruppigen Sportart mitunter seltsam deplatziert. „Robert war ein ausgezeichneter und ein ganz feinfühliger Profi“, sagte DEB-Sportdirektor Franz Reindl und rang wie alle Vertreter des deutschen Eishockeys am Mittwoch um Fassung.

Erst im Juni war der 25-Jährige in die russische Eliteklasse Kontinental Hockey League (KHL) gewechselt, um sich dort mit den Besten zu messen. Weltstars wie Sergej Fedorow oder Dominik Hasek spielen mittlerweile dort, einige Experten halten die KHL für die beste Liga nach der nordamerikanischen Profiliga NHL. Die Adler Mannheim, wo er bis zum Sommer aktiv war, genügten Robert Dietrich nicht mehr. Seinen bis 2013 gültigen Vertrag löste er auf. Im zweiten Versuch wollte er den Durchbruch in einer ganz großen Liga schaffen. Der erste, bei den Nashville Predators in der NHL, war fehlgeschlagen.

Die Aussichten standen gut, auch weil er sich in seiner neuen sportlichen Heimat perfekt verständigen konnte. Robert Dietrich ist im kasachischen Ordschonikidse geboren, seinen größten Auftritt im Trikot einer Nationalmannschaft hatte er aber in Deutschland - und für Deutschland. Er absolvierte bei der Weltmeisterschaft 2010 in Gelsenkirchen, Köln und Mannheim neun Spiele für die Gastgeber.

„Robert hat sich in Jaroslawl sehr wohlgefühlt. Er war den Sommer über in Düsseldorf. Wir haben uns ab und zu auf der DEG-Geschäftsstelle noch gesehen“, sagte Teamleiter Walter Köberle von der Düsseldorfer EG, bei der Dietrich zwischen 2006 und 2008 gespielt hatte, der Rheinischen Post. Wenige Stunden vor dem Absturz hatte der Ex-Nationalspieler noch mit Köberle telefoniert: „Er hat mir gesagt, dass er gleich losfliegen würde. Das ist brutal und unglaublich.“

Dietrich hatte die Jugendabteilungen bei seinem Heimatverein ESV Kaufbeuren durchlaufen, im Allgäu stand er im Alter von fünf Jahren erstmals mit einem Schläger auf dem Eis. Sein Talent blieb nicht lange verborgen, 2002 wechselte er zu den Junioren der Adler Mannheim. Über die Stationen EC Peiting, ETC Crimmitschau und Straubing Tigers landete er 2006 in Düsseldorf, wo ihm unter Trainer Don Jackson der Durchbruch gelang. Er zeigte derart beeindruckende Leistungen, dass auch die Scouts aus der nordamerikanischen Profiliga NHL auf ihn aufmerksam wurden.

2008 wechselte Dietrich nach Nashville, schaffte dort aber nicht den Sprung in die erste Mannschaft, sondern nur ins Farmteam - zu wenig für den ehrgeizigen Verteidiger. Im Sommer 2010 kehrte Dietrich deshalb nach Deutschland zurück und wurde Leistungsträger in Mannheim. In 48 Spielen sammelte er 20 Punkte (3 Tore, 17 Vorlagen). Wahrscheinlich waren die Adler für ihn von Beginn an nur eine Durchgangsstation. Das Russland-Abenteuer war noch einmal ein Versuch, ganz groß rauszukommen. Er endete tragisch.