Japan hob die Gefahr des Atomunfalls in Fukushima auf die höchste Stufe 7 an. Die Katastrophe gilt damit als so schwer wie der Unfall in Tschernobyl.

Tokio. Japan stuft die Strahlengefahr nach dem Atomunfall in Fukushima jetzt so hoch ein wie die Verseuchung nach der Katastrophe von Tschernobyl. Die Atomaufsicht in Tokio hob die Einschätzung aller Auswirkungen des Unglücks am Dienstag von Stufe 5 auf die höchste Stufe 7 an. Gut vier Wochen nach der Naturkatastrophe stoppten starke Nachbeben kurzzeitig die Arbeit der Einsatzkräfte am AKW Fukushima Eins. Ein Brand konnte schnell gelöscht werden.

Die höchste Warnstufe auf der sogenannten Ines-Skala wurde bisher nur nach dem Super-Gau am AKW in Tschernobyl 1986 erreicht. Bis jetzt seien in Fukushima zwar erst zehn Prozent der radioaktiven Materialien von Tschernobyl freigesetzt worden, hieß es. Die Gefahren-Einschätzung Japans bezieht sich jedoch auf die gesamten, auch künftigen Folgen. Am Ende könnte in Fukushima sogar noch mehr Radioaktivität entweichen als damals in der Ukraine, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf den Betreiber Tepco.

Der Leiter des Lehrstuhls für Reaktorsicherheit und -technik an der RWTH Aachen, Professor Hans-Josef Allelein, ist dennoch weiter der Ansicht, dass der Unfall im Nordosten Japans noch nicht ganz so gefährlich ist wie Tschernobyl. Er und andere Fachleute weisen auf einen großen Unterschied hin: 1986 habe es in der Ukraine - anders als in Japan - eine heftige Explosion gegeben, die das radioaktive Material hoch in die Atmosphäre geschleudert habe. „Mit der unschönen Konsequenz, dass wir verhältnismäßig hohe Werte auch über Europa weit verstreut gemessen haben und teilweise immer noch messen.“ In Japan seien dagegen noch rund 90 Prozent der radioaktiven Stoffe in den Anlagen und könnten möglicherweise größtenteils sicher eingeschlossen werden.

Ines-Skala hilft bei Bewertung von atomaren Ereignissen

Die Anhebung auf die Ines-Gefahrenstufe 7 (“Schwerste Freisetzung“) bedeutet, dass es Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld gibt. Japan hatte vor diesem Schritt lange gezögert, den einige Experten schon früher gefordert hatten. Alle Kriterien für die Warnstufe 7 seien erfüllt, erläuterte jetzt Horst May, Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit: „Nur über mögliche gesundheitliche Spätschäden lässt sich noch nichts sagen.“

Japans Regierungschef Naoto Kan sah am Dienstag auch Fortschritte im Kampf gegen einen möglichen Super-Gau. Die Lage im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Eins „stabilisiert sich Schritt für Schritt“, sagte Kan. Er bekräftigte, es gebe keine Pläne, die japanischen Atomkraftwerke sofort abzuschalten. Nach der Anhebung der Gefahrenstufe hatte die Börse in Tokio deutlich nachgegeben. Bereits am Vortag hatte die japanische Regierung Evakuierungen außerhalb des bisherigen 20-Kilometer-Sperrkreises angeordnet.

Teile des Landes wurden am Dienstag erneut von zwei starken Nachbeben ab Stärke 6 erschüttert. Sie brachten wieder Häuser in Tokio ins Wanken.

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Die Männer im Atomkraftwerk Fukushima Eins wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Die Arbeit der Pumpen, die die überhitzten Brennstäbe kühlen, wurde aber nach Angaben des Betreibers Tepco nicht unterbrochen. Seit dem Beben der Stärke 9,0 vor gut einem Monat gab es Hunderte Nachbeben.

Derweil versuchen Arbeiter in Fukushima weiter, die Atomruine unter Kontrolle zu bringen. Am Dienstag mussten sie einen kurzzeitigen Brand in einem Schaltschrank mit Batterien löschen. Wie die Agentur Kyodo unter Berufung auf Tepco meldete, hatte ein Arbeiter den Brand bemerkt. Die Radioaktivität in der Nähe sei dadurch aber nicht gestiegen. Die Ursache des Feuers war unklar.

Waren aus Japan: Das sollten sie wissen

Die verhängte höchste Gefahrenstufe ist für die philippinische Regierung Anlass für Evakuierungsflüge. Sie will rund 2000 Landsleute, die im Umkreis von 100 Kilometern um das beschädigte Atomkraftwerk leben, nach Hause fliegen. Andere Länder folgten dem zunächst nicht. Auch das Auswärtige Amt in Berlin verschärfte seine Reisewarnung nicht. Derzeit gilt eine teilweise Reisewarnung für Japan, die die Regionen Fukushima und Umgebung betrifft.