Hamburger Strafverteidiger vertritt Wettermoderator jetzt im Vergewaltigungsprozess

Köln/Berlin. Überraschung im Prozess des Jahres: Der wegen Vergewaltigung angeklagte Wettermoderator Jörg Kachelmann, 52, bekommt einen neuen Verteidiger. Der Kölner Anwalt Reinhard Birkenstock legte gestern sein Mandat nieder. Über sein Büro ließ er folgende Erklärung verbreiten: "In der Strafsache gegen Herrn Jörg Kachelmann teile ich mit: Ich habe der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim heute angezeigt, dass ich nicht mehr Verteidiger von Herrn Kachelmann bin."

Neuer Anwalt des Fernsehmoderators ist der Hamburger Jurist Johann Schwenn, wie Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker bekannt gab. Der Jurist: "Ich werde Herrn Kachelmann weiterhin medienrechtlich vertreten." Außerdem gehöre Pflichtverteidigerin Andrea Combé weiterhin zum Team. Schwenn gilt als erfahrener Strafverteidiger. Er war unter anderem Anwalt des Hamburger Millionärs Jan Philipp Reemtsma, als dessen Entführer Thomas Drach der Prozess gemacht wurde.

Fragen zu den Gründen seiner Entscheidung beantwortete Birkenstock nicht. Stattdessen verwies der Straf- und Steuerrechtler auf eine vorbereitete Erklärung, wonach er "aus berufsrechtlichen und prozessualen Gründen ... zu keiner weiteren Auskunft in dieser Sache mehr zur Verfügung" stehe. Auf die Frage, ob es zwischen ihm und Kachelmann zu einem Zerwürfnis gekommen sei, sagte Birkenstock in einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur dapd nur: "Ich gebe keinerlei weitere Erklärungen ab."

Das Landgericht Mannheim will den Prozess gegen den TV-Wetterexperten nach mehreren Verschiebungen möglichst bis Ende März 2011 abschließen. Morgen sollte der nächste Verhandlungstag sein. Ob es dabei bleibt, ist unklar. Kachelmann steht seit drei Monaten wegen Vergewaltigung seiner Ex-Freundin, 37, in Mannheim vor Gericht. Er soll sie nach einem Beziehungsstreit mit einem Messer bedroht und sexuell misshandelt haben. Der TV-Moderator bestreitet die Vorwürfe.

Sicher ist: Mit dem Abgang von Birkenstock verliert die Verteidigung nach 15 Verhandlungstagen "ihr Gesicht". Der Anwalt vertrat Kachelmann seit dem Ermittlungsverfahren. Im Team gab der 65-Jährige mit der rauchig-heiseren Stimme eindeutig den Ton an. Und es schien, als sei ihm der Fall eine Herzensangelegenheit - sogar seine Frau bezog er in das Verfahren ein, die ausgebildete Psychologin betreute Kachelmann in den Verhandlungspausen.

Gegenüber dem Gericht fuhr Birkenstock als Hauptverteidiger einen klaren Konfrontationskurs: Gleich zu Beginn stellte er Befangenheitsanträge gegen zwei der Richter, später nochmals gegen das gesamte Gericht, nachdem es die Strafkammer abgelehnt hatte, das mutmaßliche Opfer über ein Zeugnisverweigerungsrecht wegen möglicher Selbstbelastung zu belehren. Beide Male wurden die Anträge abgelehnt, doch zumindest mit dem zweiten Antrag hatte Birkenstock das Gericht nicht gut aussehen lassen. Die Richter korrigierten sich und holten die verlangte Belehrung nach. Birkenstock war es auch, der in den Verhandlungspausen mit den Fernsehteams sprach und sichtlich Freude daran hatte, auf immer neue Art zu sagen, dass er über nicht öffentliche Verhandlungen nichts sagt.

Für Nachfolger Johann Schwenn wird es keine leichte Aufgabe. Er muss sich in ein bereits mehrere Monate dauerndes Strafverfahren einarbeiten, was allein angesichts der Masse an Gutachten und Vernehmungsprotokollen eine Herausforderung ist. Hinzu kommt: Sollte Schwenn am Ende des Verfahrens ein Plädoyer halten, so wird er Zeugenaussagen würdigen müssen, bei denen er selbst nicht dabei war.