Mirco aus Grefrath bleibt verschwunden. Neue Zeugenaussagen haben jedoch wieder Bewegung gebracht - und den Fokus der Ermittler verschoben.

Grefrath. Seit einem Monat berührt das Schicksal des schüchternen, blonden Mirco die Menschen in Deutschland. Trotz einer der größten Suchaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik und wochenlanger Fahndungsaufrufe auch im Ausland: Der Elfjährige aus Grefrath am Niederrhein bleibt verschwunden. Alles deutet auf eine Entführung hin, vieles auf noch Schlimmeres. Am vergangenen Wochenende appellierten Mircos Eltern im Fernsehen an den möglichen Entführer - vergeblich.

Bis zu 1000 Polizisten hatten tagelang viele Quadratkilometer unübersichtliches Gelände durchkämmt. Tornados stiegen auf, um mit Spezialkameras zu suchen. Wünschelrutengänger und Wahrsager aus aller Welt boten ihre Hilfe an. „Es ist natürlich nach vier Wochen für uns unerträglich, dass wir immer noch nicht Mirco gefunden haben“, sagte Polizeisprecher Willy Theveßen am Freitag. Für die Familie sei das Rätselraten um das Schicksal des Jungen schrecklich.

Am Freitag nahm die Polizei mit Tauchern das Flüsschen Niers erneut unter die Lupe. Es war durch eine beängstigende Zeugenaussage vom Rand in die Mitte des Suchgebiets gerückt: Am Abend, als Mirco verschwand - es war Freitag, der 3. September, im Fernsehen wurde das Fußball-Länderspiel Deutschland-Belgien übertragen - hörte eine Zeugin einen markerschütternden Kinderschrei in der Nähe eines Klosters an der Niers. Erst drei Wochen später bringt sie den Schrei mit Mircos Verschwinden in Zusammenhang und meldet sich bei der Polizei. Plötzlich bestätigen auch weitere Zeugen, den Schrei gehört zu haben.

Ein Experte soll nun klären, von wo der Schrei kam. Polizeisprecher Theveßen gibt sich auch nach vier Wochen zuversichtlich, was die Suche nach dem Täter angeht: „Stück für Stück setzt sich das Puzzle zusammen. Wir kreisen den Täter langsam ein.“ Dabei gehen die Ermittler - die Sonderkommission wurde von über 80 auf 55 Beamte reduziert - von Prämissen aus, die von sogenannten Profilern stammen.

Diese hatten die Tat analysiert und sind überzeugt, dass der Täter aus der Region stammen muss und spontan gehandelt hat. „Er hat absolute Ortskenntnis bewiesen“, sagt Theveßen. Bereits einige Tage nach Mircos Verschwinden hatte die Polizei auf einem Parkplatz westlich von Grefrath Mircos Kleidung entdeckt: seine Hose und sein Polohemd. Auch sein Handy wurde zuletzt westlich von Grefrath geortet. Der Schrei lenkt den Blick der Ermittler nun auf das Gebiet nordöstlich des 16 000-Einwohner-Dorfs.

Die Region war schon einmal im Visier der Soko: Fährtenhunde hatten bis knapp einen Kilometer vor dem Kloster Mircos Spur gewittert, dann aber verloren. Während die Polizei lange davon ausging, dass der Entführer nach links abbog und Richtung Westen fuhr, ist er tatsächlich wohl noch ein Stück weiter über die Niers nach Nordosten gefahren, bevor er umkehrte und Grefrath in großem Bogen umfuhr.

+++ Zur Website der Soko Mirco +++

Schicksale wie das von Mirco erregen immenses Aufsehen, zum Glück auch, weil sie seltener geworden sind. Die Zahl der Sexualmorde an Kindern hat in den vergangenen vier Jahren laut Polizeistatistik in Deutschland nie über vier Fälle pro Jahr gelegen. 1989 und 1992 waren es noch jeweils neun Morde. Nicht enthalten sind allerdings die Fälle, in denen Kinder spurlos verschwinden und sich ihr Schicksal nur erahnen lässt.

Die größten Hoffnungen setzen die Ermittler auf das DNA-Analyselabor des Landeskriminalamts in Düsseldorf. Dort werden Hunderte DNA-Proben des Falls untersucht und verglichen. Sollte sich Täter-DNA herausfiltern lassen und sollte der Entführer schon vorher auffällig geworden sein, wie es die Profiler vermuten, könnte die DNA-Datenbank des Bundeskriminalamts schnell einen Namen ausspucken.

+++ Eltern flehen Täter an: Gib uns unser Kind zurück! +++

Andernfalls wäre immer noch ein Massen-Gentest in der Region ein probates Mittel, um den wohlmöglich „unauffälligen, netten Nachbarn“ ausfindig zu machen, vor dem sich Grefrath und Umgebung seit einem Monat fürchtet. Vorausgesetzt, die Profiler irren nicht. „Das wäre verheerend“, räumt ein Polizeisprecher ein.