Der Verteidiger des Schweizer Wetterexperten, Birkenstock, fürchtet eine Beeinflussung der Zeugin durch vorherige Aussagen anderer Ex-Geliebter.

Mannheim. Am zweiten Verhandlungstag im Vergewaltigungsprozess gegen den ARD-Wetterexperten Jörg Kachelmann kommen die Zuschauer, die stundenlang um Einlass angestanden haben, erst spät auf ihre Kosten: Am Nachmittag verliest das Gericht die Aussagen des 52-Jährigen zu jener Nacht, in der er seine frühere Geliebte, eine 37-jährige Radiomoderatorin, angeblich vergewaltigt haben soll. „Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, ich habe keine Vergewaltigung gemacht, das ist falsch“, hatte Kachelmann beim Haftrichter gesagt und intime Details zu seinem Sexleben preisgegeben.

Für die am Montag im Landgericht Mannheim anwesenden Juristen ist allerdings sehr viel spannender, wie Kachelmanns Verteidiger Reinhard Birkenstock mit etlichen Anträgen zum weiteren Verfahren die Weichen zugunsten des Angeklagten stellen will. Birkenstocks wichtigster Angriff gilt der Absicht des Gerichts, zunächst zehn frühere Partnerinnen Kachelmanns zu dessen möglicher Gewaltneigung und intimen Vorlieben anzuhören und erst dann die eigentliche Belastungszeugin.

Die Radiomoderatorin wirft Kachelmann laut Anklage vor, sie nach einem Beziehungsstreit an den Haaren gepackt, ihr ein Tomatenmesser an den Hals gehalten und sie mit den Worten „Halt die Klappe, oder Du bist tot“ aufs Bett geworfen zu haben. Dort habe er sie ausgezogen und vergewaltigt. Auslöser des Streits sei gewesen, dass sie Kachelmann nach einem gemeinsamen Abendessen mit dem Vorwurf konfrontiert habe, ein Verhältnis mit einer anderen Frau zu haben.

Kachelmanns Darstellung hört sich nach der vor Gericht verlesenen Aussage völlig anders an. Er habe sich mit der Frau seit 1998 nur zehn bis zwölf Mal im Jahr getroffen und ihr nie eine Beziehung versprochen. Allerdings habe er ihr auch nie klar gesagt, dass er keine gemeinsame Perspektive sehe, dafür müsse er sich bei ihr entschuldigen. Er sei sehr misstrauisch in Beziehungen, seit ihm seine geschiedene Frau zwei Kinder habe unterschieben wollen. Er habe dies herausgefunden, nachdem seine Zeugungsunfähigkeit festgestellt worden sei.

+++ DIE VIELEN LEBEN DES JÖRG KACHELMANN +++

In jener Nacht zum 9. Februar will Kachelmann seine Freundin – wie zuvor per SMS vereinbart – leicht bekleidet auf dem Bett vorgefunden haben. In einer Hand habe sie Handschellen gehalten und in einer anderen eine Reitgerte. Nach einvernehmlichen Sex und einem Essen sei es zu einem Beziehungsstreit gekommen, und er habe ein Verhältnis zu einer anderen Frau eingeräumt. Daraufhin habe seine Freundin ihre Beziehung für beendet erklärt, sie hätten gemeinsam geweint, und er sei gegangen. Er habe die Frau nicht vergewaltigt und ihr auch kein Messer an den Hals gehalten, versicherte der Moderator demnach.

Birkenstock fordert mit Blick auf diese völlig unterschiedlichen Darstellungen das Gericht auf, vor allen anderen Zeuginnen zunächst die Frau anzuhören und sie mit ihren „unglaubwürdigen“ Aussagen zu konfrontieren. Wichtige Gutachten stellten ihre Glaubwürdigkeit in Frage. Selbst das Oberlandesgericht Karlsruhe habe wegen solcher Bedenken Kachelmann aus der Untersuchungshaft entlassen, sagt der Anwalt. Wenn die Radiomoderatorin die Schilderungen und Eindrücke von Kachelmanns früheren Geliebten höre, könne sie ihre Aussagen darauf abstimmen.

Zur Kernfrage, ob die Nebenklägerin glaubhaft ist, könnten die zehn Ex-Geliebten Kachelmanns nichts aussagen, sagt Birkenstock. Ihnen sei auch nicht zuzumuten, dass sie intimste Details ihres Privatlebens offenlegen müssen. Zudem seien einige der Aussagen für die Wahrheitsfindung nicht mehr zu gebrauchen, weil die Frauen ihre Geschichten bereits an die Medien verkauft haben. Ob das Gericht den Forderungen des Verteidigers entspricht oder die Zeuginnen wegen der intimen Details nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit anhören wird, um ihre und die Persönlichkeitsrechte Kachelmanns zu schützen, will das Gericht nun am Mittwoch verkünden.