Der erste Verhandlungstag im Kachelmann-Prozess war schnell vorbei - ein Befangenheitsantrag stoppte das Verfahren für eine Woche.

Mannheim. Keine zehn Minuten dauerte der erste Verhandlungstag im Prozess gegen Jörg Kachelmann - und bot doch einige Überraschungen. Die erste: Das mutmaßliche Opfer erschien vor Gericht. Die 37 Jahre alte Radiomoderatorin, in den Medien meist „Sabine“ genannt, tritt als Nebenklägerin in dem Verfahren auf. Ihre Vernehmung war jedoch erst für den neunten Verhandlungstag geplant. Bis dahin müsste sie nicht an der Verhandlung teilnehmen, und viele hatten vermutet, dass sie schon aus Gründen des Selbstschutzes darauf verzichten würde. Doch vielleicht soll es ein Zeichen sein: Dass sie ihrem ehemaligen Geliebten, der sie vergewaltigt haben soll, in die Augen sehen kann.

Den zahlreichen Journalisten vor dem Mannheimer Landgericht will die Frau dagegen lieber nicht begegnen. Durch einen Hintereingang wird sie ins Gerichtsgebäude gebracht - ebenso wie Kachelmann. Der Anwalt von „Sabine“ bittet darum, keine Fotos von seiner Mandantin zu veröffentlichen.

Vor die Kameras drängt sich ein anderer: Fernseh-Komiker Oliver Pocher zieht als Kachelmann verkleidet vor dem Landgericht eine Show ab. In einem schwarzen Kleinbus fährt er vor, viele Fotografen und Kamerateams halten ihn zunächst für den Angeklagten. Mit langen schwarzen Haaren, Dreitagebart, schwarzer Lederjacke und weißem Shirt gibt der 32-Jährige ein ironisches „Pressestatement“ ab.

Um 09.06 Uhr erscheint der echte Jörg Kachelmann in Saal 1 des Landgerichts: Dunkelblauer Anzug, silberfarbene Krawatte, weißes Hemd, frisch rasiert, die Haare für seine Verhältnisse recht kurz. Das Gesicht bleibt starr, während sich Fotografen und Kameraleute an ihm abarbeiten. Seine Anwälte werden ihm gesagt haben, dass seine Ex-Geliebte im Saal ist. Doch Kachelmann lässt sich nichts anmerken. Während die Bilder bei seiner Haftentlassung eine gewisse Zuversicht zeigten, unterdrückt er nun jede Regung.

Kachelmann, das ist eine weitere Neuigkeit, hat sein Verteidigerteam erweitert: Neben dem bisherigen Strafverteidiger Reinhard Birkenstock und Medienanwalt Ralf Höcker hat Kachelmann die Heidelberger Strafverteidiger Andrea Combé verpflichtet. Was die Beobachter im Saal zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Am Morgen haben die Verteidiger Befangenheitsanträge bei Gericht eingereicht.

Um 09.11 Uhr schickt der Vorsitzende Richter Michael Seidling die Kameraleute hinaus und eröffnet die Sitzung. Er verliest die Namen der Beteiligten. Dann ein erster, kurzer Disput zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft: Anwalt Birkenstock will, dass der Rechtsmediziner Bernd Brinkmann, der im Auftrag der Verteidigung ein Gutachten erstellt hatte, einen Platz bei den anderen Sachverständigen bekommt. Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge widerspricht scharf. Wenn das ein Vorgeschmack auf diesen Prozess war, dann wird es kalt und hart. Seidling ordnet an, dass Brinkmann bei den anderen Gutachtern sitzen soll.

Es ist die vorerst letzte Prozesshandlung. Kachelmanns Verteidiger haben beantragt, sowohl den Vorsitzenden Richter Seidling als auch die Beisitzerin Daniela Bültmann wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Hierüber muss die Strafkammer entscheiden, ohne Beteiligung der Betroffenen. Um 09.18 Uhr erklärt Seidling die Sitzung für unterbrochen - Fortsetzung am 13. September.

Zur Begründung des Befangenheitsantrags lassen sich Kachelmanns Verteidiger nichts Konkretes entlocken. „Herr Kachelmann hat den Befangenheitsantrag gestellt, weil die Sorge besteht, dass die beiden abgestellten Richterpersönlichkeiten ihm nicht mit der nötigen Unvoreingenommenheit gegenüberstehen“, sagt Birkenstock. Man wolle die Richter jedoch nicht öffentlich angreifen. Vor Prozessbeginn hatten einige Medien spekuliert, dass der Vorsitzende Richter privat mit dem Vater des mutmaßlichen Opfers bekannt sei. Auch hatte für Verwunderung gesorgt, dass Seidling zunächst Zeugen aus dem Umfeld Kachelmanns hören will und erst zum Schluss das mutmaßliche Opfer.

So lange alle am Morgen auf das Spektakel gewartet haben, so schnell ist es auch wieder vorbei. Kachelmanns Anwälte werden ein letztes Mal von den Kameras bedrängt. Als sie weg sind, interviewen Journalisten einander gegenseitig. Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, die für die „Bild-Zeitung“ den Prozess beobachtet, äußert großen Respekt für den Auftritt des mutmaßlichen Opfers: „Da hat eine gedemütigte Frau ihren Hut in den Ring geworfen.“ Jedoch betont sie: „Wir wissen nicht, ob sie wirklich vergewaltigt wurde oder nicht.“