Die Kleinsten trifft die Katastrophe am härtesten. Neben Hilfsgütern verteilen die Organisationen nun auch Schecks und Gutscheine.

Berlin/Islamabad. Mehr als acht Millionen Kinder in den pakistanischen Hochwassergebieten leiden nach Schätzungen von Unicef an den Folgen der Jahrhundertflut. Die stellvertretende Vorsitzende des UN-Kinderhilfswerks in Deutschland, Ann-Kathrin Linsenhoff, teilte am Dienstag mit, etwa 3,5 Millionen seien dringend auf Hilfe zum Überleben angewiesen. „Die Not, die wir in Pakistan sehen, ist unvorstellbar.“ I n Notlagern in der südlichen Provinz Sindh starben 17 Menschen an Krankheiten und Unterernährung, darunter neun Kinder. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen befürchtet weitere Opfer.

Wie der pakistanische Sender Aaj TV am Dienstag berichtete, erlagen in den Distrikten Kashmor und Larkana 16 Menschen Magen-Darm-Infektionen. Zudem sei im Distrikt Thatta, in dem der über die Ufer getretene Fluss Indus ins Arabische Meer fließt, ein Kind verhungert. Der Direktor der regionalen Katastrophenbehörde, Khair Mohammad Kaloro, bestätigte, dass es „einige Todesfälle“ gegeben habe. Er wies Vorwürfe zurück, die Menschen hätten sich in den Lagern infiziert. Allein in der Provinz Sindh betreibe die Regierung mehr als 2800 Auffanglager , in denen etwa 900.000 Flutopfer untergebracht seien und medizinisch versorgt würden, sagte Kaloro. „Diejenigen, die nun gestorben sind, waren schon vorher krank.“

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Insgesamt sind nach UN-Angaben mehr als 17 Millionen Pakistaner von den Überschwemmungen betroffen. Während die Pegelstände in Nord- und Zentralpakistan allmählich fallen, sind am Unterlauf des Indus noch riesige Landstriche überflutet. Ärzte ohne Grenzen warnte vor dem Ausbruch lebensbedrohlicher Krankheiten aufgrund verschmutzter Brunnen. Wenn Vertriebene in ihre Dörfer zurückkehrten, hätten sie oft nur verdrecktes Wasser. „Dann können wir davon ausgehen, dass die Durchfallerkrankungen zunehmen“, sagte der Präsident der deutschen Sektion der Organisation, Tankred Stöbe.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass bereits etwa 200.000 Menschen an Durchfall erkrankt sind. Mehr als eine Viertel Million Flutopfer leide an Hauterkrankungen, sagte Stöbe, der sich derzeit in Pakistan aufhält. „Doch diese Erkrankungen sind in der Regel nicht tödlich.“ Auch Malaria-Fälle, deren Zahl zunehme, führten nicht zum Tod, da es sich um eine leichte Form handle.

Unterdessen gibt es Berichte, nach denen die Flüchtlinge in den überfluteten Gebieten im Nordwesten des Landes ihre erhaltenen Hilfsgüter wie Öl, Mehl und Kekse an Händler verkaufen, die damit Läden beliefern. Geld kommt oft besser an als andere Formen der Hilfe. Durch derartige Tauschgeschäfte wird auch die Annahme vieler Hilfsorganisationen unterstützt, dass es häufig effizienter, effektiver und sogar billiger sei, den Betroffenen statt etwa Lebensmittel einfach Geld zu geben. Einige große Wohlfahrtsorganisationen haben laut Nachrichtenagenturen bereits damit angefangen, den Betroffenen Geld – häufig in Form von Schecks oder Gutscheinen – zu geben, andere wollen es noch tun.

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Allerdings gibt es auch Mitglieder humanitärer Einrichtungen, wie etwa größere Behörden der Vereinten Nationen, bei denen sich Sorgen breit machen, die Geldvergabe könne Inflation und Korruption in Gang setzen. Viele pakistanische Behörden teilen offenbar diese Bedenken - statt Geld verteilen sie lieber Dinge wie Kleidung und Arzneimittel an die Hochwasseropfer. „Wir bevorzugen Geld“, sagte Mirbat Khan, der die Trümmer seines überfluteten Dorfs im Bezirk Nowshera begutachtete. Die Verteilung von Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern sei nicht sehr gut. „Menschen, die es nicht verdienen, bekommen Dinge, die andere wirklich brauchen.“

„Wir können Menschen vertrauen“, sagt Claudie Meyers von der Hilfsorganisation Oxfam, die bereits Schecks in Höhe von jeweils etwa 60 Dollar (knapp 47 Euro) an 7.000 Familien im Nordwesten Pakistans verteilt hat. „Sie können bei ihren Bedürfnissen Prioritäten setzen. Wenn ich in dieser Situation wäre, würde ich Lebensmittel kaufen. Das tun (die Betroffenen) auch.“ Auch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP), das bis Ende September sechs Millionen Menschen in Pakistan mit Essen versorgen will, ist zu dem Schluss gekommen, dass die Vergabe von Geld durchaus sinnvoll ist. Die Geldvergabe sei etwa fünf Prozent billiger als Lebensmittel in Lastwagen zu transportieren, um sie anschließend zu verteilen.