Die Zahl der Kältetoten in Europa steigt drastisch: Mindestens 120 Menschen sind bereits erfroren, darunter auch mehrere in Deutschland.

Berlin. Eiszeit, Extremfrost und immer mehr Kältetote: Mindestens 120 Menschen sind in Europa bereits den sibirischen Temperaturen zum Opfer gefallen, auch in Deutschland erfroren mehrere Menschen. In Magdeburg starb ein 55 Jahre alter Mann. Nach Auskunft der Polizei dürfte er der erste erfrorene Obdachlose in diesem Jahr in Deutschland sein. Die Kirchen forderten mehr Solidarität mit Obdachlosen.

Vor allem im Osten Europas ist die Lage dramatisch. In der Ukraine erhöhte sich die Zahl der Erfrorenen um 20 auf 63, wie das Zivilschutzministerium am Donnerstag mitteilte. In Polen starben nach Angaben des Innenministeriums in Warschau bisher 29 Menschen.

In Niedersachsen starb ein gehbehinderter Rentner in der Eiseskälte. Ein Spaziergänger habe die Leiche des 69-Jährigen am Donnerstag auf einem Feldweg zwischen Harderode und Bremke entdeckt, teilte die Polizei in Hameln mit. Es spreche alles dafür, dass der Mann in der eiskalten Nacht an Unterkühlung gestorben sei.

Den Toten in Magdeburg hatte eine Passantin auf einer Bank vor einem Geschäft entdeckt. Am Mittwoch war in Stendal im Norden Sachsen-Anhalts eine 73 Jahre alte Frau beim Eisbaden in einem See ums Leben gekommen. In der Nacht zum Sonntag war in Leegebruch bei Berlin eine 55-Jährige erfroren, nachdem sie in einen Wassergraben gefallen war.

Bei Temperaturen von stellenweise minus 30 Grad Celsius wurde die Lage in der Ukraine immer dramatischer, wie Medien am Donnerstag berichteten. Die meisten Kälteopfer dort waren Obdachlose. Nach Angaben des Zivilschutzministeriums wurden in den vergangenen sechs Tagen mehr als 900 Menschen wegen Erfrierungen und Unterkühlungen in Krankenhäuser gebracht. Die Zahl der Wärmestuben stieg auf mehr als 2000.

In Rumänien wurden bisher mindestens 22, in Bulgarien zehn Tote gezählt. In Tschechien kostete die Kälte seit Wochenbeginn mindestens sieben Menschen das Leben. In Österreich stürzte eine 83-Jährige beim Spaziergehen und erfror.

Die evangelische und die katholische Kirche mahnten zu mehr Aufmerksamkeit im Umgang mit Wohnungslosen. „Keiner soll den Kältetod sterben“, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag). Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund sagte: „Wir dürfen nicht wegsehen.“ Obdachlose anzusprechen und ihnen Hilfe zu vermitteln, sei „ein Gebot menschlicher Vernunft“. Die Behörden im Elsass stellten mehr als 400 zusätzliche Bettenplätze für Obdachlose bereit.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet von Donnerstag auf Freitag die kälteste Nacht dieses Winters. „Es kann noch einmal zwei, drei Grad kälter werden“, sagte Meteorologe Helmut Malewski am Donnerstag in Offenbach. Die Temperaturen waren an manchen Orten Deutschlands in der Nacht zum Donnerstag bereits auf bis zu minus 20 Grad gefallen. Der DWD registrierte zum Beispiel in Marienberg im Erzgebirge minus 20,6 Grad. „Es bleibt überall bei Frost“, sagte der Wetterexperte. „Das wird auch die kommende Woche - so wie es aussieht - andauern.“

Dauerfrost und eisiger Ostwind ließen den Müritzsee zufrieren. „Bei minus 14 Grad gibt es nur noch ganz wenige freie Stellen auf der Müritz, am Rand ist das Eis dicker als sonst üblich“, sagte Olaf Schatzki vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Waren (Mecklenburg-Vorpommern). Die Behörden warnten aber davor, das Eis zu betreten. Frostgrade und Niedrigwasser legten den Fährverkehr auf die ostfriesische Insel Wangerooge lahm. Auch auf der Elbe und auf dem Elbe-Lübeck-Kanal muss ab Freitag mit Einschränkungen für die Schifffahrt gerechnet werden, hieß es beim Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg.

Eisige Kälte auch im Baltikum: In Lettland wurde am Donnerstagmorgen in der Region Zoseni mit minus 30,7 Grad der bisherige Kälterekord für den 2. Februar aus dem Jahr 1976 übertroffen, teilten lokale Wetterinstitute mit. Auch am internationalen Flughafen Riga zeigte das Thermometer mit minus 23,8 Grad einen neuen Tiefstwert für die lettischen Hauptstadt für diesen Tag an - verglichen mit dem 2. Februar 1942.

In Norditalien blockierten Eis und Schnee ebenfalls Straßen und Schienen. An der südlichen Adria lag am Donnerstag Schnee, was dort sehr selten ist. Auch an den kroatischen Küsten schneite es.

Der strenge Winter machte auch den Menschen in der Türkei zu schaffen: Dort störten Schneefälle den Verkehr und die Energieversorgung. Auf dem Atatürk-Flughafen in Istanbul seien am Vortag 180 Flüge ausgefallen, berichteten türkische Medien am Donnerstag. Ein Frau starb in den Trümmern ihres von einer Lawinenverschütteten Hauses in dem Dorf Secmen im Südosten. In ländlichen Regionen im Osten seien etwa 1000 Straßen zu Dörfern nicht mehr zu befahren. Teilweise sei das Stromnetz zusammengebrochen.