Der Kapitän gibt seiner Reederei eine Mitschuld an der Unglücksfahrt des Kreuzfahrtschiffes. Bergungsarbeiten wieder aufgenommen.

Hamburg/Giglio. Mehr als eine Woche nach der Havarie der "Costa Concordia" wurde am Sonntag das erste Opfer aus Deutschland identifiziert . Dabei handelt es sich um einen Mann, genauere Angaben wollte die italienische Polizei nicht machen. Insgesamt wurden bisher 13 Leichen aus dem Wrack geborgen, unter ihnen eine Frau aus dem unter Wasser liegenden Heck. Etwa 23 Menschen werden noch vermisst, darunter weitere Deutsche.

Außerdem holten Taucher Dokumente aus dem Safe in der Kabine von Kapitän Francesco Schettino, 52. "Capitano Dilettante", wie ihn italienische Medien beschimpfen, hat der Reederei Costa Crociere für sein riskantes Manöver eine Mitschuld gegeben. Die "Verbeugung" vor der Insel Giglio "wurde noch vor dem Start in Civitavecchia von Costa geplant und verlangt", soll Kapitän Schettino bei einer Anhörung gesagt haben.

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Die Reederei Costa Crociere habe ihn aufgefordert: "Grüßen Sie die Insel." Mit Routen, die nahe an der Küste entlangführen, "machen wir Werbung für uns", wird der unter Hausarrest in Meta di Sorrento stehende Süditaliener zitiert. Manöver dieser Art habe es laut Schettino bereits "vor Capri, Sorrento, auf der ganzen Welt" gegeben. "Das war geplant. Wir sollten das schon eine Woche zuvor tun." Der Chef der Reederei, Pier Luigi Foschi, sagte dagegen, ein Schiff dürfe sich natürlich der Küste nähern - solange die Sicherheitsbestimmungen eingehalten würden. "Das gehört zur Schifffahrt mit Touristen, wo den Fahrgästen auch ein Spektakel geboten werden soll. Aber es ist verboten, der Küste zu nahe zu kommen."

Die Staatsanwaltschaft in Grosseto hofft jetzt auf die aufgezeichneten Gespräche der Blackbox. Ob diese aber zur Zeit der Katastrophe noch funktionstüchtig war, ist unklar: "Wir hatten an Bord ein Problem, seit 15 Tagen war das Back-up der Sprachaufzeichnung kaputt. Wir haben einen Techniker gebeten, das Problem zu beheben, aber das ist nicht passiert", lautete eine weitere Aussage des mittlerweile suspendierten Kommandanten.

Auch von einer geborgenen Festplatte, auf der womöglich Aufzeichnungen von Überwachungskameras auf der Brücke des Schiffes gespeichert sind, versprechen sich die Ermittler weitere Erkenntnisse. Entlasten könnte Schettino seine Angabe, wenn sie der Wahrheit entspricht, er habe unmittelbar nach der Kollision mit einem Felsen bei der Reederei angerufen und sowohl ein Schlepperboot als auch Hubschrauber zur Rettung angefordert.

Unterdessen wurden nach Unterbrechungen gestern die Bergungsarbeiten wieder aufgenommen. Allerdings nur auf dem Teil des Schiffes, der aus dem Wasser ragt. Die See war zu aufgewühlt, die Lage des Schiffes zu instabil, sodass keine Taucher in den gefluteten Teil vordringen konnten.

Mittlerweile zeichnet sich immer deutlicher ab, dass sich das Drama rund um das gestrandete Kreuzfahrtschiff noch lange Zeit hinziehen könnte. Mit dem Abpumpen von 2400 Tonnen Diesel und Schweröl aus den Tanks konnte die niederländische Bergungsfirma Smit bislang nicht einmal beginnen - die Ausrüstung dafür steht seit Tagen bereit. Obwohl bisher aus dem havarierten Schiff noch keine Kraftstoffe in nennenswertem Umfang ausgetreten sind, ist die Unterwasserwelt um Giglio, wo sich der größte Meeresnationalpark Europas befindet, bereits gefährdet, denn Speiseöl, Spülmittel und andere giftige Substanzen vom Schiff sind ins Wasser gelangt. Und es könnte auch noch Monate dauern, bis das 290 Meter lange Schiff mit seinen 114 500 Registertonnen tatsächlich abtransportiert ist. Zumindest dann, wenn es nicht sinkt.

Denn angesichts der wackligen Lage der "Costa Concordia" auf den Felsen befürchten Experten, dass das Schiff durch hohe Wellen auf dem stark abfallenden Meeresboden bis in mehr als 30 Meter Tiefe abrutschen könnte.

Auch bei einem vollständigen Absinken könnten Rettungstaucher jedoch weiterhin arbeiten. "Die Taucher erreichen Tiefen bis zu 400 Meter", sagte Michael Schnurbus von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Sollte dies passieren, würde die Suche aber "kaum noch Sinn haben, da so gut wie keine Chance" mehr bestünde, Überlebende zu finden.

Das Unglück im Mittelmeer könnte sich zu einer der teuersten Schiffskatastrophen entwickeln. Bergung und Schadenersatzklagen der geretteten Passagiere und der Angehörigen der Opfer verschlingen möglicherweise Hunderte Millionen Euro.