Ein Arbeiter ist im AKW Fukushima zusammengebrochen - vermutlich aus Erschöpfung. Im Krankenhaus in Iwaki wurde sein Tod festgestellt.

Tokio. In Japan kehrt auch zwei Monate nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami keine Ruhe ein. Die Unglücksregion wird von starken Nachbeben heimgesucht, viele Menschen leben noch immer in Notunterkünften, Unzählige werden vermisst. Ununterbrochen arbeiten Reparaturtrupps in der Atomruine Fukushima unter lebensgefährlichen Bedingungen bis zur Erschöpfung. Jetzt ist dabei erstmals ein Arbeiter ums Leben gekommen. Der zwischen 60 und 70 Jahre alte Mitarbeiter einer Vertragsfirma kollabierte und verlor das Bewusstsein. Der Mann war gerade mit dem Transport von Materialien an einer Abfallbeseitigungsanlage im AKW beschäftigt, wie der Betreiber der Atomanlage, Tepco, am Sonnabend bekanntgab. Radioaktive Substanzen seien an ihm jedoch nicht festgestellt worden, auch habe er keine Verletzungen aufgewiesen.

Seit Freitag hatte der Mann in der Atomanlage gearbeitet und zum Zeitpunkt des Unfalls Schutzkleidung getragen, wie der Betreiber weiter mitteilte. Er sei einer Strahlenhöhe von 0,17 Millisievert ausgesetzt gewesen, hieß es. Eine Stunde nach Dienstbeginn am frühen Sonnabendmorgen (Ortszeit) sei er kollabiert. Er sei in bewusstlosem Zustand in ein Sanitätszimmer und anschließend in ein Krankenhaus in der Stadt Iwaki gebracht worden, wo sein Tod festgestellt wurde.

Ein Kollege von ihm, der an seiner Seite arbeitete, habe über keine gesundheitlichen Beschwerden geklagt. Es ist der erste Todesfall während der Reparaturarbeiten in dem vom Erdbeben und Tsunami vom 11. März zerstörten Atomkraftwerk. Der Betreiberkonzern Tepco setzte am Samstag seine Arbeit zur Errichtung eines Ersatz-Kühlsystems im Reaktor 1 fort. Dort war ein großer Teil der Brennstäbe geschmolzen.

Nicht lange nachdem der Arbeiter bewusstlos zusammengebrochen war, suchte erneut ein stärkeres Erdbeben die Unglücksprovinz Fukushima heim. Berichte über Schäden oder Verletzte durch das Beben gab es jedoch nicht. Auch wurde keine Tsunamiwarnung ausgegeben. US-Messungen hatten bei der Erschütterung eine Stärke von 6,2 ergeben, japanischen Behörden zufolge war lag die Stärke bei 5,7. Das Epizentrum befand sich in rund 30 Kilometern Tiefe vor der Küste Fukushimas.

Am selben Tag fuhr der Betreiberkonzern Chubu Electric auf Regierungsanweisung den letzten Reaktor in der zentraljapanischen Atomanlage Hamaoka herunter. Die Regierung hatte angesichts der Katastrophe im AKW Fukushima Druck auf den Betreiber ausgeübt. Das Kraftwerk Hamaoka in der Region Shizuoka liegt über einer geologisch kritischen Erdplatte und könnte bei einem weiteren Erdbeben ähnlich wie am 11. März die AKWs in Fukushima gefährdet sein. In den nächsten zwei bis drei Jahren soll die Anlage mit einem Wall gegen Tsunamis geschützt werden.

Lesen Sie auch: Japan will Atombetreiber Tepco vor Zusammenbruch retten

Mit einer Finanzspritze will die japanische Regierung den Betreiber des Katastrophenmeilers Fukushima vor dem Zusammenbruch retten. Auf den Konzern Tepco kommen nämlich gewaltige Entschädigungszahlungen an die Opfer der Katastrophe zu. Medien beziffern die Höhe der Kosten auf möglicherweise mehr als 10 Billionen Yen (87 Milliarden Euro). Bevor jedoch die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, sollen sich zunächst die Gläubiger von Tepco stärker an der Finanzierung zu beteiligen, sagte Regierungssprecher Edano. In Reaktion darauf gaben Bankaktien an Tokios Börse nach.

Im zentraljapnischen AKW Hamaoka fuhr unterdessen der Betreiberkonzern Chubu Electric am Freitag einen der beiden noch am Netz hängenden Reaktoren herunter. Nach Reaktor Nummer 4 soll an diesem Sonnabend Reaktor Nummer 5 folgen. Die Regierung hatte angesichts der Katastrophe im AKW Fukushima im Nordosten des Landes Druck auf den Betreiber ausgeübt, da das Kraftwerk Hamaoka in der Region Shizuoka über einer geologisch kritischen Erdplatte liegt und bei einem weiteren Erdbeben ähnlich dem vom 11. März gefährdet sein könnte.

Die Reparaturtrupps in der Atomruine in Fukushima kämpfen verzweifelt gegen immer neue Rückschläge. Nach der Entdeckung unerwartet stark beschädigter Brennstäbe in Reaktor 1 in Folge von Wasserlecks begannen die Arbeiter am Freitag, ein Ersatzkühlsystem aus Wärmeaustauschern aufzubauen. Es sei jedoch unklar, ob das weiter in die Reaktorhülle gepumpte Wasser so weit steigt, dass es bis an die Rohre für das Ersatzkühlsystem reicht, wie Medien am Freitag meldeten. Die Regierung stellt den Krisenplan des Betreibers Tepco bereits in Frage.

Am Vortag hatte Tepco mitgeteilt, dass ein großer Teil der Brennstäbe im Reaktor 1 geschmolzen ist. Der Wasserstand zur Kühlung der Brennstäbe sei erheblich niedriger als erwartet. Er erwarte, dass Tepco die Planung zur Stabilisierung der Reaktoren überarbeiten wird, sagte Industrieminister Banri Kaeda. Regierungssprecher Yukio Edano entschuldigte sich unterdessen, dass erneut hochradioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer gelangt ist. Tepco hat das Leck inzwischen nach eigenen Angaben wieder gestopft.

Die Brühe war aus einem Schacht nahe der Meerwasseraufnahme für den Reaktor 3 ausgetreten. Ein ähnliches Leck war im vergangenen Monat nahe des Reaktors 2 entdeckt worden. Tepco hatte am 17. April einen Krisenplan vorgelegt, wonach er die Lage in dem AKW in sechs bis neun Monaten unter Kontrolle bringen will. Tepco ließ seine Arbeiter trotz der neuen Rückschläge am Freitag mit den Vorbereitungen beginnen, das Gehäuse des Reaktors 1 mit einer Hülle zu überziehen. Die Arbeiten dazu sollen möglichst im Juni beginnen.

Tepco wird wegen der Katastrophe in diesem Geschäftsjahr voraussichtlich eine Billion Yen (8,7 Milliarden Euro) abschreiben müssen. Die gleiche Summe benötigt der Konzern, um Gas, Öl und Kohle für konventionelle Kraftwerke einzukaufen. Diese sollen die in Fukushima ausgefallenen Kapazitäten ersetzen. Die Regierung will daher Tepco helfen, nicht unter der Last der Milliardenentschädigungen zusammenzubrechen. Der staatliche Rettungsplan für Tepco sieht vor, dass die Regierung der zu gründenen Finanzierungsgesellschaft unverzinste Anleihen zur Verfügung stellt. Diese können jederzeit eingelöst werden, um damit Tepco mit Krediten zu versorgen. Darüber hinaus sollen andere Atombetreiber im Lande ebenfalls Mittel beisteuern. Im Gegenzug für die Staatshilfe akzeptierte Tepco die Bedingung der Regierung, harte Sparmaßnahmen zu ergreifen. Zudem soll ein unabhängiger Ausschuss das Finanzgebaren des Konzerns überprüfen.

Manche Politiker sorgen sich jedoch, dass dies zu höheren Stromrechnungen führt und die Kosten am Ende auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Das Regierungsvorhaben bedarf der parlamentarischen Zustimmung. Es sollen entsprechende Gesetzesanträge noch in der laufenden Sitzungsperiode dem Parlament vorgelegt werden. Um schnelle Hilfe für die Opfer der Katastrophe zu gewährleisten, will die Regierung nach Informationen der Nachrichtenagentur Jiji Press an Stelle von Tepco vorläufige Entschädigungen für Fischer und Bauern in der Region zahlen, bis die Finanzierungsgesellschaft steht.

Unterdessen hat die Zahl der Todesopfer des Erdbebens und Tsunami vom 11. März die Marke von 15.000 überschritten. Noch immer werden 9500 Menschen vermisst.

(Mit Material von dpa)