Japanische Regierung hält die Gefahr einer kompletten Kernschmelze derzeit für gebannt - sofern die Reaktoren weiter gekühlt werden.

Tokio. Die Regierung in Japan hält die Gefahr einer vollständigen Kernschmelze im zerstörten Kernkraftwerk Fukushima Eins derzeit für sehr gering. "Wenn wir die Kühlung aufrechterhalten, ist so etwas unwahrscheinlich“, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Dienstag. Die andauernde Kühlung der Reaktoren mit Millionen Litern Wasser zeige zumindest eine gewisse Wirkung. Die enormen Massen verstrahlten Wassers behinderten allerdings die Versuche, die vom Tsunami vor fast sechs Wochen zerstörten Kühlsysteme zu reparieren.

Die Arbeiter scheiterten wegen gewaltiger Mengen an Dampf mit dem Versuch, zwei ferngesteuerte Roboter tief in das Gehäuse des Reaktors 2 vordringen zu lassen, um die Strahlenwerte und die Temperatur im Reaktorgebäude zu messen, wie der Betreiberkonzern Tepco am Dienstag bekanntgab. Die Kameras der Roboter seien durch den Dampf beschlagen, hieß es. Die Roboter seien zurückgelotst worden, um sicherzustellen, dass sie nicht verloren gehen.

Bei der 51 Minuten dauernden Erkundung der Roboter seien am Vortag nahe des Eingangs des Reaktorgebäudes 4,1 Millisievert an Radioaktivität gemessen worden, gab der Betreiber weiter bekannt. Die Temperatur im Gebäude habe 34 bis 41 Grad Celsius betragen, bei einer Luftfeuchtigkeit von 94 bis 99 Prozent und einer Sauerstoffkonzentration von 19 bis 20 Prozent, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Jiji unter Berufung auf den Betreiberkonzern.

Die Messergebnisse bedeuten demnach, dass die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist, um die Reparaturtrupps in das Reaktorgebäude zu lassen. Daher sei eine Ventilation nötig. Ob sich in dem Reaktorgehäuse Wasseransammlungen befinden, habe man nicht feststellen können.

Unterdessen begannen die Arbeiter mit dem Abpumpen hochgradig mit radioaktiven Partikeln verseuchten Wassers aus dem Turbinengebäude des Reaktors 2. Das Wasser werde in eine Auffanganlage gepumpt, in die rund 30.000 Tonnen passten, berichteten japanische Medien. Nach Schätzung des Betreiberkonzerns Tepco befinden sich in und um das Turbinengebäude rund 25.000 Tonnen verseuchten Wassers. Die radioaktive Verseuchung belaufe sich auf über 1000 Millisievert pro Stunde. Die verseuchte Brühe sei wohl ein Nebeneffekt der Bemühungen, mit Wasser eine Überhitzung der Reaktoren und der Abklingbecken zu verhindern, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. Die regulären Kühlsysteme waren vom Tsunami am 11. März zerstört worden.

Die Atomaufsichtsbehörde hatte bestätigt, dass Brennstäbe in den Reaktoren 1, 2 und 3 teilweise geschmolzen sind. Nach Angaben des Atombetreibers Tepco besteht zudem die Möglichkeit, dass gebrauchte Brennstäbe in Reaktor 2 beschädigt sind. Wie groß die Schäden sind, sei noch nicht klar, sagte Regierungssprecher Edano. Atomexperten seien noch dabei, die Details zu analysieren. Solange die Anlage so wie derzeit weiter "bis zu einem gewissen Maß“ gekühlt werde, sei eine komplette Kernschmelze unwahrscheinlich.

Um die dabei anfallenden verstrahlten Wassermassen loszuwerden, will Tepco über die nächsten drei bis vier Wochen 10 000 Tonnen aus dem Turbinengebäude des Reaktors 2 und einem damit verbundenen unterirdischen Tunnelschacht, der nahe am Meer liegt, in eine Auffanganlage für radioaktiven Abfall abpumpen. Dazu werden 800 Meter lange Schläuche verwendet. Pro Tag könnten damit etwa 480 Tonnen abgepumpt werden, meldete die Agentur Jiji Press weiter. Das würde bedeuten, dass das Abpumpen von 10.000 Litern rund 21 Tage dauert.

In den Reaktoren 1 und 3 sollen sich weitere rund 42.500 Tonnen relativ gering verstrahlten Wassers befinden, hieß es unter Berufung auf Tepco weiter. Hier beläuft sich die Radioaktivität auf 10 bis 57 Millisievert, berichtete die Agentur Kyodo unter Berufung auf den Betreiber. Die Arbeiter setzten ihre Vorbereitungen fort, für dieses Wasser Behelfstanks sowie einen auf dem Meer schwimmenden Riesentank zu installieren, in den 10.000 Tonnen Wasser passen.

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Shimizu: Tepco hat Unglück selbst verursacht

Der Tepco-Chef Masataka Shimizu hat sich im japanischen Parlament der Kritik der Abgeordneten gestellt und sich erneut für das Reaktorunglück in Fukushima entschuldigt. Vor der Haushaltskommission sagte Shimizu, dass der Tsunami vom 11. März "jenseits unserer Erwartungen" gewesen sei. Allerdings gab er zu, dass Tepco das Unglück selbst verursacht habe.

Der Abgeordnete Shuichi Kato der oppositionellen Neuen Komeito Partei hielt ihm ein Exemplar der Tepco-Sicherheitsregeln entgegen: „Dies sagt aus, dass der Präsident die nukleare Sicherheit als seine oberste Priorität ansieht. Mit diesem im Kopf, lassen Sie mich fragen, wie Sie sich fühlen.“ Shimizu sagte, „als die Person, die die endgültige Verantwortung für die Sicherheitsstrategie für das Atomkraftwerk trägt“, könne er „nicht genug Worte finden“, sein Bedauern auszudrücken.

Der 66-Jährige hatte sich bereits am 13. März für das Unglück entschuldigt, war dann jedoch krank geworden. Erst knapp einen Monat später, am 11. April, trat er wieder an die Öffentlichkeit. Tepco steht ebenso wie die Regierung seit Wochen wegen seiner als zögerlich und unzureichend empfundenen Kommunikation in der Kritik. Am Montag musste sich auch Ministerpräsident Naoto Kan der Befragung durch das Parlament stellen. Die Umfragewerte des ohnehin angeschlagenen Regierungschefs stiegen zwar jüngst, zwei Drittel der Befragten sind jedoch weiter unzufrieden mit seiner Arbeit.

(Mit Material von dpa/afp)