Strahlenwerte in Fukushima sinken angeblich. Entscheidung über Stillegung von erdbebengefährdetem AKW Hamaoka vertagt.

Tokio. Leichtes Aufatmen in Japan: Im hochverstrahlten Reaktor 1 des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima Eins sinkt angeblich die Radioaktivität, nachdem dort erstmals seit der Katastrophe Arbeiter eingesetzt wurden. Seit Freitag seien die Strahlenwerte kontinuierlich zurückgegangen, berichtete die Nachrichtenagentur Jiji Press am Sonnabend und berief sich auf den Betreiberkonzern Tepco. Genauere Angaben wurden zunächst nicht gemacht. Die Arbeiter hatten den Reaktor am Donnerstag erstmals nach dem Beben von vor knapp zwei Monaten betreten. Ausgestattet mit Schutzmasken und Spezialanzügen sollten die Arbeiter Filter gegen die radioaktive Luft einbauen. Mit den Filtern soll die radioaktive Belastung im Gebäude so weit gesenkt werden, dass längere Einsätze möglich sind – dann am Kühlsystem.

Zeitgleich erklärt die japanische Regierung, dass das Land grundsätzlich an der Kernenergie festhalten werde. Trotz dem Unglück in Fukushima, seien Atomkraftwerke ein Teil der nationalen Energiepolitik, sagte der stellvertretende Chefsekretär des Kabinetts, Yoshito Sengoku, am Sonntag im Rundfunksender NHK. Es gäbe demnach keine Pläne, weitere Reaktoren stillzulegen.

Lediglich sollen aufgrund der großen Erdbeben- und Tsunami-Gefahr Reaktoren des Kraftwerksbetereiber in Hamaoka abgeschaltet werden. Dies allerdings nur, bis zusätzliche Schutzmaßnahmen eingeleitet wurden, sagte der japanische Ministerpräsident Naoto Kan. Rechtlich bindend war das Ersuchen jedoch nicht. Der Energiekonzern Chubu vertagte eine Entscheidung darüber zunächst.

Das AKW Fukushima Eins ist bei dem Mega-Erdbeben vom 11. März und dem anschließenden Tsunami schwer beschädigt worden, mehrfach gab es danach auch Explosionen. Die Havarie war auf der internationalen INES-Skala später auf der höchsten Stufe 7 eingestuft worden - ebenso wie der Unfall in Tschernobyl vor rund 25 Jahren.

Der Betreiber Tepco (Tokyo Electric Power Company) hatte Mitte April einen Zeitplan für die Arbeiten veröffentlicht. Das Unternehmen hofft, die Reaktoren innerhalb von drei Monaten wieder zuverlässig kühlen zu können und in neun Monaten wieder die volle Kontrolle über die Anlage zu haben.

Energieversorger vertagt Entscheidung über Stilllegung von Reaktor Hamaoka

Der japanische Energiekonzern Chubu hat seine Entscheidung über die Stilllegung von drei Reaktoren im Atomkraftwerk Hamaoka vertagt. Man sei bei einem Treffen am Sonnabend zu keiner Entscheidung gekommen und wolle die Frage nach dem Wochenende erneut diskutieren, sagte Unternehmenssprecher Mikio Inomata.

Wegen des großen Erdbeben- und Tsunami-Risikos hatte der japanische Ministerpräsident Naoto Kan den Kraftwerksbetreiber am Freitag aufgefordert, die Reaktoren abzuschalten, bis zusätzliche Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Rechtlich bindend war das Ersuchen jedoch nicht.

Das Atomkraftwerk Hamaoka liegt in der Präfektur Shizuoka 200 Kilometer westlich von Tokio. Kan verwies darauf, dass der Region nach Berechnungen von Experten mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit in den nächsten 30 Jahren ein schweres Erdbeben droht. „Wenn sich in Hamaoka ein Unfall ereignet, könnte das ernste Folgen haben“, sagte der Regierungschef.

Chubu befürchtet mögliche Engpässe bei der Stromversorgung, sollten die drei Reaktoren abgeschaltet werden. Sie seien für über zehn Prozent der Leistung des Unternehmens verantwortlich, sagte Sprecher Inomata. Chubu erwartet im Sommer eine Nachfrage von 26 Millionen Kilowatt. Mit den drei Reaktoren könnte das Unternehmen bis zu 30 Millionen Kilowatt in die Stromnetze einspeisen.

„Es könnte eng werden“, sagte Inomata. Der Energiekonzern erwäge nun, den Ausstoß seiner Gas-, Öl- und Kohlekraftwerke zu erhöhen und Stromkontingente von anderen Versorgern zu kaufen.

Hamaoka einer der leistungsstärksten Kernenergiekomplexe

Das Atomkraftwerk Hamaoka ist einer der leistungsstärksten Kernenergiekomplexe Japans. Die fünf Siedewasserreaktoren nahe der Stadt Omaezaki rund 170 Kilometer von Tokio entfernt bringen es auf eine Nettoleistung von insgesamt 3800 Megawatt (MW).

Die fünf Reaktorblöcke in Hamaoka waren allerdings nur kurze Zeit alle am Netz. Der Baubeginn des ersten Meilers war bereits 1971, der Block Hamaoka-5 ging erst 2004 ans Netz. Bereits 2009 wurden die Meiler 1 und 2 auf Dauer abgeschaltet. Die noch Energie liefernden Blöcke 3 bis 5 erreichen eine Nettoleistung von zusammen knapp 3500 MW. Dagegen bringt es der größte japanische Atomkomplex Kashiwazaki-Kariwa mit sieben Blöcken auf eine Nettoleistung von 8000 Megawatt.

Die mit Meerwasser gekühlten Reaktoren in Hamaoka gelten als besonders anfällig. Nach Störfällen musste die Leistung der Anlage in den vergangenen Jahren immer wieder zeitweise gedrosselt werden. Der Hamaoka-Betreiber Chubu Electric Power ist ein wichtiger Energieversorger der dicht besiedelten Kanto-Ebene um die japanische Hauptstadt Tokio.

Tausende Menschen gegen Atomkraft auf Japans Straßen

In der japanischen Hauptstadt Tokio sind am Sonnabend erneut tausende Menschen gegen die Nutzung der Atomenergie auf die Straße gegangen. Acht Wochen nach dem starken Erdbeben und dem damit verbundenen Reaktorunfall forderten die Demonstranten eine Wende in der Energiepolitik ihres Landes. „Atomkraft ist veraltet“, stand auf vielen Plakaten. Der Inselstaat, der kaum über Rohstoffe verfügt, deckt bisher ein Drittel seines Energiebedarfs mit Atomkraft. Die Regierung will angesichts der schwersten Atomkatastrophe seit Tschernobyl nun zwar ihre Energiepolitik überarbeiten. Allerdings hält sie grundsätzlich an der Kernenergie fest.

Einige Demonstranten begrüßten die Entscheidung von Ministerpräsident Naoto Kan, der am Freitag angeordnet hatte, das 200 Kilometer südlich von Tokio gelegene Akw Hamaoka wegen akuter Erdbebengefahr vorübergehend stillzulegen. „Ich freue mich, dass der Regierungschef endlich handelt“, sagte die 28-jährige Manami Inoue. Sie forderte aber eine vollständige Stilllegung der dortigen Reaktoren.

(Mit Material von dpa/afp/dapd)