Vor dem Spiel gegen Großwallstadt vermisst Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar eine klare Struktur bei Hamburgs Handballern.

Hamburg. Die Enttäuschung ist noch immer spürbar. Nachdem die HSV-Handballer das erste Duell der neuen Bundesligasaison gegen die HSG Wetzlar am vergangenen Sonnabend deutlich mit 26:33 verloren haben, fordert Trainer Martin Schwalb, 49, eine Reaktion seines Teams. Beim Heimspiel gegen den TV Großwallstadt am kommenden Sonnabend (19 Uhr, O2 World) soll die Mannschaft "noch mehr Gas geben und Leidenschaft sowie den wahren Charakter des HSV Handball zeigen". Ein Sieg gegen die Unterfranken ist Pflicht - und einer, der es wissen muss, glaubt ganz fest an den Erfolg der Hamburger.

"Ich bin mir sicher, dass Martin Schwalb die richtigen Worte finden wird, um die Jungs zurück in die Spur zu bringen", sagt Stefan Kretzschmar, 39. Der Sport1-Experte und ehemalige Nationalspieler ist ein Mann der klaren Worte - und einer, der von einer Krise oder vermeintlichen Schwäche des HSV so kurz nach dem Saisonstart nichts wissen will. "Das ist ähnlich wie bei den HSV-Fußballern. Die haben auch ihr erstes Spiel verloren. Aber das Kind ist noch nicht in den Brunnen gefallen", sagt Kretzschmar, "man sollte diese Niederlagen nicht zu hoch bewerten."

Der Handball-Experte glaubt an den HSV, der "sicherlich nominell die Nummer zwei oder drei hinter dem THW Kiel ist". Was dem Team von Trainer Martin Schwalb derzeit fehle, sagt Kretzschmar, sei eine klare Struktur, "ein Anführer, der die Rolle der Brüder Guillaume und Bertrand Gille ausfüllen und übernehmen will".

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Die beiden Franzosen, die nach zehn Jahren in Diensten des HSV in ihre französische Heimat Chambéry zurückgekehrt sind, hätten eine Lücke in der Mannschaftshierarchie hinterlassen. "Sie waren echte Abwehrmaschinen, aber auch wichtige Führungsfiguren. Sie zu ersetzen und den Teamgeist aus dem Meisterschaftsjahr möglichst schnell wiederzufinden - das sind die größten Aufgaben, die die Hamburger derzeit haben", sagt Kretzschmar.

Wer in die Rolle des neuen HSV-Leitwolfs hineinschlüpfen könnte - darüber kann der gebürtige Leipziger nur spekulieren. "Das ist nicht einfach", sagt der 39-Jährige, "Pascal Hens ist sicherlich das Gesicht des HSV, aber in der Abwehr, wo eine Führungsfigur besonders wichtig ist, hat er Defizite." Letztlich sei es immer auch die Frage, wer die Aufgabe übernehmen wolle. Spielmacher Domagoj Duvnjak, 24, habe von seiner sportlichen Leistungsfähigkeit absolut das Potenzial, ein Anführer auf dem Parkett zu werden. "Die Frage ist aber, ob er auch den Anspruch hat", sagt Kretzschmar, der davon nicht richtig überzeugt scheint. Auch Duvnjaks Spielmacherkollegen Michael Kraus, 28, hält Kretzschmar nicht für die Lösung des Problems. "Bei Mimi weiß ich nicht, ob er so weit ist. Ich glaube, er versteht noch immer nicht richtig, worum es geht. Wenn er fit ist, könnte er der beste Mittelmann in Deutschland sein", sagt Kretzschmar, "aber er muss sich endlich beweisen."

Bliebe noch der kroatische Vize-Kapitän Igor Vori. "Er ist eine Bank in der Abwehr und spielt auf Weltklasseniveau", sagt Kretzschmar, "aber ich glaube, er ist niemand, der lautstark vorweg geht." Linksaußen Torsten Jansen hätte diese Funktion zumindest in der Abwehr übernehmen können. Durch eine Operation am Knie wird der 35-Jährige dem HSV allerdings mindestens ein halbes Jahr lang fehlen. "Ganz klar eine Schwächung", sagt Kretzschmar. Klingt nach einer ausweglosen Situation. Doch so düster will der 39-Jährige die Lage der Hamburger nicht malen. "Am Ende ruhen die Hoffnungen wohl doch auf Pascal Hens", sagt er und betont, dass die Situation nach dem bevorstehenden Spieltag schon ganz anders aussehen wird. Wie genau? "Besser natürlich", sagt Kretzschmar, "ich bin extrem zuversichtlich."