Hamburgs Handballklub setzt auf neue Talente wie Stefan Terzic und übt sich in Demut und Ehrfurcht vor dem Triple-Gewinner THW Kiel.

Neumünster. Es wirkte irgendwie symbolträchtig. Der Isländer Alfred Gislason, 52, war wieder einmal der Erste. Der Trainer des deutschen Meisters, Champions-League- und deutschen Pokalsiegers THW Kiel erreichte deutlich vor seinen Kollegen Martin Schwalb, 49, vom HSV Hamburg und dem Flensburger Coach Ljubomir Vranjes, 38, die Räumlichkeiten der Holstenhallen in Neumünster, um über die neue Saison der Handball-Bundesliga zu plaudern, die heute Abend mit dem Spiel TV Großwallstadt gegen MT Melsungen beginnt.

Gislason und sein Team hatten die vergangene Spielzeit dominiert wie keine andere Mannschaft zuvor. Mit 68:0 Punkten spazierte die Mannschaft um Kapitän Marcus Ahlm punktverlustfrei zum Meistertitel - und es spricht wenig dafür, dass sich das in der anstehenden Serie ändern wird. Wie zum Beweis halten 17 der 18 Bundesligatrainer den THW für den großen Favoriten auf die Meisterschale - darunter auch Schwalb und Vranjes. Er selbst sei gar nicht gefragt worden, flachste Gislason. Doch an der Dominanz seines Teams wird auch der Isländer nicht zweifeln. Natürlich wolle er mit dem THW in allen Wettbewerben sein Bestes geben, bekannte Gislason, "aber es wird schwer. Wir haben vier neue Spieler. Und auch die müssen sich einarbeiten." Das Saisonziel ist dennoch klar. Es lautet Titelverteidigung, was auch sonst.

+++ In der Jugend im Tor - heute am Kreis +++

Ein Gedanke, den man beim Vorgänger nach der Meisterschaft 2011 schnell begraben hatte, nach exakt drei Spielen. Eine konkrete Platzierung, gar den Kampf um die Tabellenspitze wollen die Verantwortlichen des HSV deshalb diesmal nicht als Ziel ausgeben. Natürlich, betonte Schwalb, wolle man möglichst viele Spiele gewinnen. "Aber wenn wir Enthusiasmus und Begeisterung aufs Parkett bringen und ich nach 60 Minuten das Gefühl habe: Das ist eine große Mannschaft, die der HSV präsentiert - dann bin ich zufrieden."

Die Töne der Hamburger sind leiser geworden. Wohl auch, weil die Verantwortlichen selbst nicht richtig einschätzen können, wo die Leistungsfähigkeit der Mannschaft anzusiedeln ist. Mit dem HSV ist es kurz vor dem Saisonstart in Wetzlar an diesem Sonnabend (19 Uhr) ein bisschen wie mit der bei Kindern so beliebten Wundertüte: Man weiß nicht, was drinnensteckt, hofft aber, dass es einem Freude bereiten wird und keine Fehlinvestition war.

Das Gesicht des Teams hat sich verändert. Es ist jünger geworden. Weniger berechenbar. Das französische Brüderpaar Guillaume, 36, und Bertrand Gille, 34, hat den Verein verlassen und den Weg für talentierte Hoffnungsträger geebnet, die kostengünstiger sind und deren Schicksal eng mit dem des HSV verbunden ist: Entwickeln sich die Neuzugänge Stefan Terzic, 18, auf Halbrechts, Andreas Nilsson, 22, am Kreis und Max-Henri Herrmann, 18, im Tor zu Leistungsträgern, dürfte die sportliche Zukunft des Vereins auf einem sicheren Fundament stehen. Die Talente jedenfalls sollen die nötige Zeit bekommen, an sich und ihrem Spiel zu arbeiten. Genauso wie der HSV.

+++ Torsten Jansen wird operiert – Fredrik Petersen als Ersatz +++

Der Hamburger Handballklub muss nach dem Teilrückzug seines Hauptgesellschafters Andreas Rudolph, der nicht mehr als Mäzen Budgetlücken schließen will, in dieser Saison erstmals stärker aufs Geld schauen. Zwar weist der Verein einen Etat von 8,1 Millionen Euro aus und liegt damit in der Rangliste der 18 Bundesligaklubs direkt hinter Ligakrösus THW Kiel (9,5 Millionen). Dennoch ist der HSV wie derzeit viele Vereine Sparzwängen ausgesetzt, die auch vor den Profis nicht haltmachen. Wie das Abendblatt berichtete, sollen die HSV-Profis auf 20 Prozent ihres Gehalts verzichten, um die Saison zu sichern. "Wir versuchen zu konsolidieren, drehen jeden Stein um, versuchen Einsparungen vorzunehmen", sagte Schwalb. Das sei aber "nicht nur unerfreulich" - zumal einzelne Spieler offenbar Verständnis für die Maßnahmen zeigen: "Es gibt Signale aus der Mannschaft, die davon zeugen, dass unser Weg anerkannt wird", sagte Schwalb.

Der neue HSV - er ist demütig geworden. Eine Haltung, die Sympathien weckt und die Hoffnung nährt, dass der Verein dem großen THW Kiel vielleicht doch Paroli bieten kann. Konkurrenz, da waren sich die Manager und Trainer aus Kiel, Hamburg und Flensburg einig, belebt das Geschäft. "In den Jahren, in denen andere Vereine an der Tabellenspitze gekratzt haben, merkte man schon eine höhere Präsenz des Handballsports in den Medien", bekannte Flensburgs Geschäftsführer Dierk Schmäschke, der darauf hofft, dass der Vizemeister die absolute Herrschaft der Kieler beenden kann. Aufgegeben hat auch der HSV die vage Hoffnung nicht: "Ich werde meinen Jungs schon was erzählen, wenn es gegen Kiel geht", versprach Martin Schwalb. Der Handball-Bundesliga würde es guttun.