Die 26:33-Niederlage der HSV-Handballer in Wetzlar verdeutlicht, was viele Experten vorhergesagt haben: Die Hamburger sind schlagbar.

Hamburg. "Ich hatte so etwas befürchtet, wenn ich ganz ehrlich bin." Am Tag nach der 26:33-(14:15)-Niederlage der HSV-Handballer bei der HSG Wetzlar wirkte Martin Schwalb gefasst. Der Trainer der Meistermannschaft von 2011 verkroch sich nicht und versuchte auch nicht, Ausreden für die schwache Leistung seiner Mannschaft im ersten Spiel der neuen Bundesligasaison zu finden. "Die Qualität, die wir momentan haben, hat für einen Sieg gegen Wetzlar leider nicht ausgereicht", sagte Schwalb nüchtern, "wir müssen jetzt gucken, dass wir uns konzentrieren und weiter an uns arbeiten."

Der 49-Jährige hatte bereits Tage vor dem Duell gegen die Mittelhessen vor deren Stärke gewarnt, immer wieder betont, was für einen guten Kader Wetzlar in dieser Saison habe. "Natürlich wollten wir am Sonnabend gewinnen", betonte Schwalb, "aber wir sind einfach noch nicht so weit."

Was genau er damit meinte, blieb den 3718 Zuschauern in der Rittal-Arena in Wetzlar nicht verborgen. Dabei begannen die Hamburger durchaus engagiert und demonstrierten großes Selbstvertrauen. Angeführt von Kapitän Pascal Hens, 32, gelang es dem HSV in den ersten zehn Minuten, Akzente zu setzen und durch einen Treffer des kroatischen Kreisläufers und neuen Vizekapitäns Igor Vori sogar mit 6:3 (9. Minute) in Führung zu gehen. Die HSG mit den Brüdern Philipp und Michael Müller gab sich jedoch unbeeindruckt und entlarvte mittels einfacher, schnörkelloser Spielzüge die spielerischen Defizite des HSV.

+++"Pascal Hens: HSV in Wetzlar "eine Katastrophe"+++

In der 22. Minute konnten sich die Hamburger zwar noch einmal mit drei Treffern absetzen (12:9) - lange Bestand hatte die Führung jedoch nicht. Individuelle Fehler und Ballverluste führten dazu, dass Wetzlar die Partie drehte und Daniel Valo kurz vor der Pause den Treffer zum 15:14 erzielte. HSV-Keeper Dan Beutler, der genauso wie der zweite Torhüter Enid Tahirovic nicht seinen besten Tag erwischt hatte, war machtlos.

"Am Ende waren es mehrere Faktoren, die zur Niederlage geführt haben", sagte Schwalb. So hätten unter anderem die so wichtigen Automatismen im Spiel gefehlt, die der Mannschaft Sicherheit geben und in der Regel zu einfachen Treffern führen. "Die Dynamik nach vorne war einfach noch nicht da."

Schlimmer allerdings wirkte sich das Defensivverhalten der Hamburger aus. "Die Abwehr, die Ballgeschwindigkeit - das sind derzeit unsere größten Probleme", gestand Martin Schwalb, der im Training der kommenden Tage bis zum ersten Heimspiel am Sonnabend gegen den TV Großwallstadt (19 Uhr, O2 World) besonderes Augenmerk auf die Defensivarbeit seiner Mannschaft legen wird.

Nach dem Weggang der Brüder Guillaume, 36, und Bertrand Gille, 34, die sowohl die 6:0- als auch die 3:2:1-Deckungsvariante in Perfektion beherrschten, musste sich die Abwehr des HSV in den vergangenen Tagen und Wochen neu formieren. Die Absprachen, das Gefühl dafür, wann der Nebenmann einen Schritt auf den Gegner zugeht, fehlen, nachdem die Hamburger infolge der Olympischen Spiele erst wenige Trainingseinheiten gemeinsam bestreiten konnten. Hinzu kommt, dass auch der defensiv starke Linksaußen Torsten Jansen, 35, nach einer Operation am Knie mindestens ein halbes Jahr lang ausfällt und durch junge, weniger erfahrene Neuzugänge wie den schwedischen Kreisläufer Andreas Nilsson oder dessen Landsmann Fredrik Petersen schwer zu ersetzen ist.

Am Anfang der Partie in Wetzlar habe vieles funktioniert, sagte Hens, der mit sieben Treffern erfolgreichster Hamburger Torschütze war, "dann haben wir aber viel Mist gebaut und nicht wieder zu unserem Spiel gefunden." Eine Tatsache, die von der 41. Minute an beim Stand von 20:19 für Wetzlar deutlich zum Ausdruck kam und die Mittelhessen ihre Führung schließlich Tor um Tor ausbauen ließ. "Da haben wir jetzt natürlich Gesprächsbedarf", kommentierte Hamburgs Spielmacher Michael Kraus die Leistung seines Teams, "so ein Auftritt wie in der zweiten Hälfte darf uns einfach nicht passieren."

An Selbstkritik mangelt es dem HSV in diesen Tagen nicht. Doch von der Höhe der Niederlage waren auch die Spieler und Verantwortlichen des Vereins überrascht. "Das war eine Katastrophe und ein denkbar schlechter Start in die Saison", sagte Hens, "wir müssen zusehen, am kommenden Sonnabend besser aufzutreten." Ein Wundermittel, das eine erneute Niederlage definitiv verhindern wird, hat allerdings auch der ehemalige Meistertrainer Schwalb nicht parat: "Wir brauchen Zeit, und die werden wir uns nehmen." Weitere Verpflichtungen sind angesichts des ausgerufenen Sparkurses und einer Etatlücke von einer Million Euro ohne private Geldgeber ausgeschlossen. Und so müssen die Fans des HSV vor dem Duell gegen Großwallstadt auf eine bessere Tagesform und genaue Absprachen ihrer Stars hoffen. Nicht nur Trainer Martin Schwalb weiß: "Für uns wird jedes Spiel jetzt eine Herausforderung."

Tore, HSG Wetzlar: Reichmann (7), Fäth (7), Valo (4), P. Müller (3), Harmandic (3/2 Siebenmeter), Schmidt (2), Fridgeirsson (2), Mraz (2), Tiedke (1), M. Müller (1), Kristjansson (1). HSV Hamburg: Hens (7), Lindberg (4/1), Vori (4), Kraus (2), Duvnjak (2), Lackovic (2), Lijewski (2), Petersen (2/1), Flohr (1). Strafminuten: 8/6. Schiedsrichter: Baumgart/Wild (Neuried/Offenburg). Zuschauer: 3718.