Ghanas Kevin Boateng wird vor dem “Endspiel“ gegen Deutschland psychologisch betreut. Halbbruder Jerome klagt über Rassismus und böse E-Mails.

Johannesburg. Die Emotionen kochen hoch: Jerome Boateng und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft sinnen auf sportliche Revanche für das böse Foul an Michael Ballack, Halbbruder Kevin muss deshalb bei Ghanas Nationalcoach Milovan Rajevac erstmal auf die Couch. „Er darf auf die Provokationen der Deutschen nicht eingehen. Ich werde ihn psychologisch vorbereiten. Er soll einfach Fußball spielen und frei im Kopf sein. Er ist in Deutschland geboren, aber deswegen darf er sich nicht verrückt machen“, sagte Rajevac.

Vor dem „Endspiel“ in der Gruppe D zwischen Deutschland und Ghana am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) vor 90.000 Zuschauern im Soccer-City-Stadion in Johannesburg steht Rüpel Kevin Boateng nach seinem üblen und folgenschweren Tritt gegen Ballack im FA-Cup-Finale am 15. Mai im Schweinwerferlicht. Kaum Gedanken über ein direktes Duell muss sich Jerome Boateng machen, da Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw den 12,5-Millionen-Euro-Neuzugang von Manchester City wohl erst mal auf die Bank setzt.

Das wird Rajevac mit dem Neu-Ghanaer Kevin Boateng sicher nicht machen. Der zentrale Mittelfeldspieler ist nach nur zwei WM-Spielen für die Black Stars gesetzt. Der serbische Coach lobte den früheren Bundesliga-Profi von Hertha BSC Berlin und Borussia Dortmund sowohl nach dem 1:0 gegen Serbien als auch nach dem 1:1 gegen Australien über den grünen Klee. „Kevin bringt Ghana nach vorne. Er spielt bei der WM bislang exzellent“, sagte Rajevac.

Sportlich hat sich der „Prince aus Wedding“ also längst beim WM-Achtelfinalisten von 2006 eingelebt, ob der gebürtige Berliner im Spiel gegen sein Heimatland jedoch die Nerven behält, bezweifelt nicht nur Jeromes Mutter Nina: „Jerome hat von allein erkannt, dass es nicht so klasse ist, was Kevin alles abzieht. Der kann sich nicht unterordnen, hat eine große Klappe und hält sich nicht an Regeln.“ Kevins Mutter Christina schweigt derweil lieber. Genauso wie ihr Sohn, der sich vor dem Duell gegen den Vizeeuropameister einen Maulkorb verpasst hat.

Dafür redet Jerome Boateng. Zwar derzeit nicht mit, dafür aber über den 18 Monate älteren Kevin. Trotz der seit dem Ballack-Foul herrschenden Funkstille zwischen den beiden nahm der im bürgerlichen Berlin-Wilmersdorf aufgewachsene Jerome seinen Halbbruder sogar in Schutz. „Auch Kevin ist ein Mensch, der Fehler macht. Er hat das nicht mit Absicht gemacht, er wollte Michael Ballack ja nicht die WM nehmen“, sagte der 21-Jährige dem Berliner Tagesspiegel.

Allerdings bekam Jerome die Folgen des Fouls seines Bruders an Ballack sogar persönlich zu spüren. „Es kann nicht sein, dass so viele Menschen im Internet Seiten gründen und rassistisch werden. Was meinen Sie, wie viele E-Mails mein Berater erhalten hat, deren Inhalt gegen mich gerichtet ist und rein nichts mit Fußball zu tun hat“, sagte Jerome Boateng, „das kann ich nicht verstehen, da werde auch ich wütend“.

Ein bisschen sauer ist Jerome auf seinen Halbbruder - beide haben den gleichen Vater, aber unterschiedliche Mütter - aber doch noch. „Er ist mein Bruder und bleibt mein Bruder, ich wünsche ihm wirklich das Beste, aber im Moment ist es halt so, dass wir uns nichts zu sagen haben. Das kommt auch in anderen Familien vor“, sagte Jerome, der sich im Gegensatz zu seinem Bruder Kevin nie die Frage gestellt hat, für welches Land er international spielt: „Ich bin zuallererst Deutscher, mit Deutschland habe ich mich ein Leben lang identifiziert.“