Sie sind überhastet und verkrampft vor dem Tor: St. Paulis Angreifer treffen seit Monaten nicht mehr. Schubert als Psychologe gefordert.

Hamburg. Seinen 24. Geburtstag verbrachte Max Kruse gestern im Kreis seiner Familie. Kaffee, Kuchen, Geschenke - das klassische Programm am trainingsfreien Nachmittag. Zumindest diese Chance ließ sich St. Paulis Offensivkraft nicht nehmen. Zu gerne hätte er Sohn Lauro Maxim erzählen können, wie der Papa in Aue die Bälle reihenweise im Tor versenkt hatte. Stattdessen musste sich der Jubilar auch an der Kaffeetafel Fragen gefallen lassen.

Fragen, weshalb der FC St. Pauli trotz guter Einschussmöglichkeiten im zweistelligen Bereich mit einem 1:2 aus dem Erzgebirge zurückgekehrt war. Weshalb das Team kaum noch Tore erzielt und 2012 keiner der dafür vorgesehenen Spieler ein Erfolgserlebnis feierte. Der Max trifft nicht mehr - und seine Kollegen im Angriff auch nicht.

Ein Problem, das mittlerweile chronische Züge angenommen hat. St. Paulis schlechtes Abschlusszeugnis gefährdet akut die Versetzung in die Bundesliga. "Es ist eine reine Kopfgeschichte. Die Jungs verkrampfen, agieren vor dem Tor zu hektisch, unsauber und unpräzise", hat André Schubert erkannt, der gestern eigens einen Zettel mitgebracht hatte, um die lange Liste an Torchancen noch einmal samt Spielminute und Beteiligter aufzusagen. Der Trainer wollte damit die Dominanz seiner Elf dokumentieren, doch die Verlesung erinnerte eher an einen Mängelbericht bei der Kfz-Inspektion: "Sie dürfen sich nicht verrückt machen lassen", mahnt Schubert, "auch wenn jetzt die Minuten ohne Tor gezählt werden."

Oder die Monate: Drei sind es nun schon bei Kruse. Marius Ebbers und Deniz Naki trafen zuletzt vor 114 Tagen beim 3:1 gegen Dresden, dem letzten Spiel mit drei Toren. Mahir Saglik wartet schon acht Tage länger, und Petar Sliskovic erzielte sein letztes Pflichtspieltor am 14. Dezember 2010 im Trikot der U23 von Mainz 05.

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"Der Ball will einfach nicht mehr rein", sagt Kruse, "natürlich macht man sich so seine Gedanken. Aber ich weiß, dass ich es kann, ich habe es in der Hinrunde ja gezeigt." Fünf Tore (und drei Vorlagen) waren es nach dem Hinspiel gegen Aue, 2012 hat er noch keinen Scorerpunkt geschafft. Auch deshalb, weil die Kollegen seine Zuspiele nicht mehr verwerten. In der Hinrunde hatte St. Pauli hinter Frankfurt und Düsseldorf noch die meisten Tore erzielt, 34 in 17 Spielen. Zuletzt waren es neun Tore in neun Spielen - nur Braunschweig, Cottbus und Aachen treffen noch seltener. Wer die Spielstatistik als Beweis für Überlegenheit anführt, muss auch diese Zahlen analysieren. Schubert weiß um das Problem, kann es aber nicht im Training beheben. Der 40-Jährige ist als Psychologe gefordert.

Gestern zeigte er sich als Schulterklopfer, Mutmacher und Gratulant. "Geschenke gab es aber keine", sagte Kruse und quälte sich zu einem Grinsen, "das läuft bei uns anders. Da muss das Geburtstagskind immer das Team beschenken. Ich muss mir da für die nächsten Tage noch was einfallen lassen." An Ideen dürfte es nicht mangeln. Sonntag kommt Cottbus...