Nach tagelangen Gesprächen trennt sich der Verein von Sportchef Helmut Schulte, der zuvor einen Vertrauensbeweis gefordert hatte.

Hamburg. Eine offizielle Erklärung gab es bis zum gestrigen Abend nicht. Dennoch sickerte die Nachricht bereits am Morgen durch: Der FC St. Pauli und Sportchef Helmut Schulte gehen künftig getrennte Wege. Lediglich die Verhandlungen über die fällige Abfindungssumme standen noch der branchenüblichen Wortstanze von der "einvernehmlichen Trennung" im Weg. Hintergründe mochte keine der beiden Seiten offiziell mitteilen.

Nach Abendblatt-Informationen fiel die Entscheidung bereits am Sonntag, nachdem auch ein letztes Gespräch gescheitert war. Danach hatten die Anwälte das Wort, um die Auflösung des bis Februar 2013 laufenden Vertrages auszuhandeln. Die Führungskrise beim Zweitliga-Klub hat einen weiteren Höhepunkt erreicht. Vor einer Woche hatte Trainer André Schubert noch im Fokus gestanden. Dessen Entlassung hatte das Präsidium bereits beschlossen - und dann wieder zurückgezogen.

+++ Folgenschwere Trennung +++

+++ St. Pauli trennt sich von Sportchef Helmut Schulte +++

Genau dieses Hin und Her war auch der letzte Auslöser für die Trennung von Schulte. Zwischen ihm und dem Präsidium hatte es schon zuvor gekriselt. Nach Abendblatt-Informationen hatte Schulte dafür plädiert, Deniz Naki und Fabio Morena keinen neuen Vertrag zu geben, war damit jedoch auf Widerstand beim Trainer und beim Vorstand gestoßen.

Vor einer Woche eskalierte dann der Konflikt. Ausgangspunkt war das Gespräch des Präsidiums mit dem Trainer, in dem dieser eigentlich seine Entlassungspapiere bekommen sollte. Schulte hatte seine Zustimmung signalisiert, da das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr zu kitten sei. Zu dem Gespräch selbst war er dann nicht eingeladen und erfuhr erst danach, dass das Präsidium völlig überraschend entschieden hatte, doch am Trainer festzuhalten. Wie Schubert das Präsidium von sich überzeugte und ob er Vorwürfe gegen Schulte erhob, ist nach wie vor unklar. Schulte war jedenfalls nicht in diese - seinen engsten Kompetenzbereich betreffende - Entscheidung eingebunden und sah sich in der Folge selbst in der Kritik.

Nach Abendblatt-Informationen verlangte der 54-Jährige daraufhin vom Präsidium einen Vertrauensbeweis. Die Verhandlungen über einen neuen Vertrag stagnierten seit November 2011, nun forderte er ein klares Bekenntnis und die Verlängerung seines Kontrakts bis 2016. Die Vereinsverantwortlichen führten daraufhin viele Gespräche, insgesamt drei mit Schulte selbst und weitere mit Spielern, Mitarbeitern der Geschäftsstelle und des Jugendbereichs. Das Präsidium zog daraus eine negative Bilanz. Die Jugendarbeit liege brach, seit Jahren habe kein Spieler mehr den Sprung in die Profimannschaft geschafft. Der seit 2010 geplante Ausbau des Trainingszentrums an der Kollaustraße, ein Projekt unter Schultes Verantwortung, habe sich zu sehr verzögert. Zudem gab es erneut Vorwürfe aus Spielerkreisen, dass Schulte bei Vertragsverhandlungen zu unklar sei. Das aktuellste Beispiel betrifft Philipp Tschauner, der noch keinen gültigen Vertrag für die nächste Saison besitzt. Der Kontrakt des Torhüters hätte sich nur bei 25 Ligaeinsätzen automatisch um ein Jahr verlängert. Durch seine Verletzung kommt Tschauner, der nun auch von anderen Vereinen umworben wird, jedoch nur auf 24 Partien. Schulte, so der Vorwurf, hätte den Vertrag frühzeitig verlängern müssen.

Im Gespräch mit der Vereinsführung entgegnete Schulte den Vorwürfen. Er signalisierte, dass der Jugendbereich des Klubs bei seinem Amtsantritt in einem chaotischen Zustand gewesen sei, die Lizenzierung des Nachwuchsleistungszentrums durch den DFB nun jedoch kurz bevorstehe. Beim Ausbau des Geländes an der Kollaustraße liege man im Plan. Und im Fall Tschauner hätte aufgrund der möglichen Teilnahme an der Relegation bis zuletzt die Möglichkeit bestanden, dass der Torwart 25 Einsätze erreichen würde.

Dennoch verweigerte das Präsidium die Vertragsverlängerung und den geforderten Vertrauensbeweis, obwohl mehrere Vorstände in der Vergangenheit die erfolgreiche Transferpolitik Schultes gewürdigt hatten. Schließlich hat der Sportchef Leistungsträger wie Max Kruse, Matthias Lehmann und Carlos Zambrano ans Millerntor geholt. Zudem gilt Schulte als St.-Pauli-Urgestein. Bereits 1984 hatte er über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Jugendtrainer angeheuert, war dann Co-Trainer, später Cheftrainer geworden. 2008 kehrte er nach einem Engagement als Nachwuchskoordinator beim FC Schalke 04 als Sportchef zurück.

Wie geht es nun weiter? Vorerst soll sich ein Trio bestehend aus Scout Stefan Studer, Co-Trainer Thomas Meggle und Vizepräsident Jens Duve die Arbeit aufteilen und in Zusammenarbeit mit Schubert die Vertragsgespräche führen - sowohl mit potenziellen Neuzugängen als auch mit den Profis des FC St. Pauli, deren Situation ungeklärt ist.

Heute tritt die Mannschaft des FC St. Pauli beim Oberligaklub Altona 93 zu einem Freundschaftsspiel an (18.30 Uhr, Adolf-Jäger-Kampfbahn, Griegstraße).