Beim FC St. Pauli rumort es weiter. Nach der Entscheidung für Trainer André Schubert soll heute ein Gespräch mit Sportchef Helmut Schulte folgen.

Hamburg. Die Bagger haben gute Arbeit geleistet. Von der altehrwürdigen Gegengeraden am Millerntor ist nach zwei Tagen Arbeit bereits nichts mehr zu erkennen außer ein großer Trümmerhaufen, bei dessen Anblick viele der langjährigen Besucher wohl die eine oder andere Träne verdrücken, um sich im selben Moment zu freuen - auf das, was da Neues entstehen wird. Was für den Abriss der Tribüne gilt, kann man von den Geschehnissen der letzten Tage im Verein nicht unbedingt behaupten.

Am Dienstag kehrte zwar vordergründig ein wenig Normalität ein beim FC St. Pauli. Die Mannschaft traf sich am Trainingszentrum an der Kollaustraße, einige Spieler, die am Sonntag nicht zum Einsatz gekommen waren, absolvierten unter der Leitung von Fitnesscoach Pedro Gonzalez ein paar Übungen auf dem Platz, andere blieben drinnen im Kraftraum, die nächsten huschten nur schnell in die Kabine, um sich nach kurzer Zeit wieder zu verabschieden, da sie nicht für das Testspiel am Abend gegen den SSV Rantzau vorgesehen waren. Doch spätestens als die Vizepräsidenten Bernd-Georg Spies und Tjark Woydt auf dem Gelände auftauchten - ein eher seltenes Ereignis - und kurz angebunden in der Spielerkabine verschwanden, war klar: Hinter den Kulissen des FC St. Pauli rumort es weiter, die Einsturzgefahr ist noch nicht gebannt.

Einzig Trainer André Schubert hat sich in Sicherheit gebracht. Er hat es im Gespräch am Montag geschafft, das Präsidium in letzter Sekunde doch noch von sich zu überzeugen . Und bei aller weiterhin bestehenden Kritik an seinem Führungsstil und dem Umstand, dass er es nicht geschafft hat, alle Spieler, insbesondere die mit wenig Einsatzzeiten, über die gesamte Saison ins Boot zu holen, hat er weite Teile der Mannschaft bereits am Sonntag vor dem Spiel gegen Paderborn endgültig auf seine Seite gezogen.

In der Kabine hielt Schubert eine offene und ehrliche Ansprache, die weniger mit dem bevorstehenden Spiel als mit den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Spekulationen um seine Person zu tun hatte, und mit der er viel Achtung und Sympathie bei den Spielern zurückgewonnen hat. Die Einsicht eigener Fehler, die Schubert in den letzten Tagen offenbarte, hat sowohl die Mannschaft als auch die Verantwortlichen in ihrem Glauben bestärkt, dass der 40-Jährige nun den richtigen Weg eingeschlagen hat. Aus sicherer Entfernung kann Schubert nun den Architekten des Vereins dabei zuschauen, wie sie weitere Stützbalken untersuchen, sie stärken oder vorsätzlich einreißen.

+++ St. Pauli hat ein Führungsproblem +++

Als Nächster auf dem Prüfstand: Helmut Schulte. Der Sportchef muss sich heute einem ähnlichen Gespräch mit dem Präsidium stellen wie Schubert. Ausgang offen. Die Spekulationen um seinen Abschied, die es in Ansätzen schon vor Jahresfrist gegeben hatte, haben durch die Weiterbeschäftigung des Trainers jedenfalls rasant an Fahrt aufgenommen. Es stellt sich die Frage, ob das Präsidium dem Manager nun die gleiche Chance gibt wie Schubert, nämlich Fehler einzugestehen und es in Zukunft besser zu machen, oder ob die Verantwortlichen in Anbetracht des spätestens seit dieser Woche belasteten Verhältnisses zwischen Schubert und Schulte Konsequenzen ziehen. Die augenblickliche Stimmungslage spricht gegen Schulte. Und wenn die Vizepräsidenten Spies und Woydt sich gestern bei ihrem Besuch nach der Meinung der Mannschaft über den Sportchef erkundigt haben, dann könnte Schultes Zeit abgelaufen sein. Einige Vorwürfe sind bereits bekannt. Dass Schulte zu wenig Präsenz zeigt, dass er kaum mal eine klare Ansage macht, alle Probleme aussitzt und konfliktscheu ist. Hinzu kommt nun, dass Schulte als derjenige gesehen wird, der die Probleme mit André Schubert hätte erkennen und mit ihm besprechen müssen. Er müsste das Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainer auf der einen und dem Präsidium auf der anderen Seite sein und wenn nötig auch mal Tacheles reden.

Es geht die Angst um, dass nach dem ganzen Hin und Her der letzten Tage am Ende ein in seiner Autorität zumindest angeschlagener Trainer und ein weiterhin seine eigene Suppe kochender Sportchef die Mannschaft führen sollen. Schulte, der bis gestern Abend nichts von einem anstehenden Gespräch zu wissen vorgab, hielt sich bedeckt. "Ich mache meine Arbeit gewohnt unaufgeregt und sehe der Zukunft mit heiterer Gelassenheit entgegen", sagte der 54-Jährige, dessen Vertrag noch bis 2013 gültig ist. Ein Aspekt, der unter finanziellen Gesichtspunkten nicht zu vernachlässigen ist. Schließlich müsste möglichst schnell ein neuer Sportchef her, jemand, der in dieser für die neue Saison wichtigen Zeit die ausstehenden Vertragsverhandlungen führen kann. Eine interne Lösung käme dem Verein dabei sicher gelegen.

Heute muss das Präsidium eine zukunftsweisende Entscheidung fällen und die Frage beantworten, ob es das fragile Konstrukt einstürzen lässt und dann neu aufbaut oder mit den gegebenen Strukturen einen Neuanfang wagt.