Die Fans wünschen sich nach den Niederlagen mehr Ruhe im Verein. Klubchef Hoffmann droht heute schon die nächste Pleite

Hannover/Hamburg. So einfach wollten "Die Hanseaten" Armin Veh nicht davonkommen lassen. Auf dem weihnachtlich gedeckten Tisch wurden dem smarten HSV-Trainer, der gestern Nachmittag den im Mai 2006 gegründeten Fanklub in der Kneipe "Bei Mike" im Parkgrund 17 besuchte, Zitronenkuchen, Kaffee und Schokomuffins geboten, doch zumindest verbal hatte die Gastfreundschaft auch ihre Grenzen. Gleich 23 Mitglieder des Schenefelder Fanklubs hätten die 2:3-Niederlage bei Hannover 96 am Vortag live im Stadion verfolgt, wurde Veh gleich zu Anfang etwas vorwurfsvoll mitgeteilt. Warum denn die anderen immer mehr laufen würden, fragte einer, was denn dieser Guerrero für Manieren hätte, wollte eine andere wissen, und wie es denn mit diesem HSV weitergehen soll, wollten alle wissen.

Nach vier Pleiten aus den letzten fünf Spielen werden Gründe gesucht

Zumindest die letzte Frage scheint nach der vierten Niederlage aus den letzten fünf Pflichtspielen für keinen der Hamburger Verantwortlichen einfach zu beantworten zu sein. Der HSV spielte unorganisiert in Frankfurt - und verlor, unglücklich in Köln - und verlor, uninspiriert in Dortmund - und verlor, und unbekümmert in Hannover - und verlor. "Wir müssen irgendwie zusehen, dass wir trotz allem bis zum Winter oben dran bleiben", sagte Veh, der vor dem nächsten Spiel gegen den VfB Stuttgart weiß, dass bei einer erneuten Niederlage ein "heißer Herbst" droht. Sportchef Bastian Reinhardt sprach nach der bitteren Pleite in Hannover etwas plattitüdenhaft davon, dass man jetzt noch mehr die Ärmel hochkrempeln und "arbeiten, arbeiten, arbeiten" müsse, und Kapitän Heiko Westermann meinte erkannt zu haben, dass man ja gar nicht so schlecht gespielt habe, zumindest auf einem guten Weg sei. Ein Satz, dem man "Bei Mike" so gar nicht zustimmen wollte.

Ernsthafte Lösungsansätze scheint beim HSV derzeit jedenfalls niemand parat zu haben. Dabei stellten die Hamburger im Nordderby bei Hannover 96 wirklich nicht die schlechtere Mannschaft - ganz im Gegenteil. Das Team von Trainer Veh, der erneut auf neun potenzielle Stammkräfte verletzungsbedingt verzichten musste, spielte - anders als bei der Niederlage eine Woche zuvor in Dortmund - couragiert und engagiert, erarbeitete sich eine Vielzahl von Tormöglichkeiten, nutzte aber nur zwei durch Youngster Heung Min Son (40. und 54.) und verlor folglich die Partie. "Jetzt sind wir im Mittelfeld der Liga", sagte Startelf-Debütant Muhamed Besic, der wenig Hoffnung zu haben schien, dass sich die Lage kurzfristig bessern könnte. Ein Titel, von dem nicht nur in Schenefeld seit 23 Jahren geträumt wird, ist bereits nach einem Drittel der Saison abgehakt.

Heute wird der Amateurdelegierte für den neuen Aufsichtsrat gewählt

"Für unsere Ansprüche ist das leider viel zu wenig", gab Veh direkt nach dem Schlusspfiff zu, der nur wenige Sekunden nach Mike Hankes glücklichem Last-Minute-Tor zum 3:2 in der Nachspielzeit ertönte. Dass der Treffer wie auch die Tore zum 0:1 (Stindl/31.) und zum 2:2 (Schultz/59.) nur durch individuelle Fehler zustande kam, war im Anschluss an die Begegnung nur noch eine Randnotiz. "Alle drei Treffer dürfen so nicht passieren, aber das interessiert morgen keinen mehr", sagte Veh, auf den nun schwere Wochen zukommen: "Es ist derzeit einfach zum Kotzen."

Ein "heißer Herbst" droht nach der erneuten Niederlage auch Klubchef Bernd Hoffmann, der die Pleite gegen 96 live in der AWD-Arena mit Vorstandskollegin Katja Kraus von der Tribüne aus verfolgte. Obwohl sich seine Zukunft - sein Vertrag läuft Ende 2011 aus - erst nach der Aufsichtsratswahl am 9. Januar entscheiden soll, könnte es eine Vorentscheidung bereits am heutigen Abend geben. In der Dannemann Lounge der Imtech-Arena wird der Delegierte der Amateure für den neuen Aufsichtsrat, der über eine Verlängerung von Hoffmanns Kontrakt entscheidet, gewählt. Zur Wahl stehen Amtsinhaber Eckart Westphalen, ein vermeintlicher Hoffmann-Unterstützer, und Ex-Vorstand Christian Reichert, ein vermeintlicher Vorstandskritiker. Und obwohl es vordergründig um die Interessen der Amateure gehen soll, geht es hintergründig um die grundsätzliche Ausrichtung des Klubs. Hoffmann selbst misst der heutigen Wahl höchste Bedeutung bei. Sollte Westphalen im Amt bleiben, dürfte sich der Vorstandschef einmal mehr bestätigt fühlen und einigermaßen gelassen der Wahl im Januar entgegenblicken. Bei einem Sieg Reicherts befürchtet der leidgeprüfte Klubchef dagegen einen erbitterten Wahlkampf bis zur Mitgliedversammlung und ähnlich wie vor zwei Jahren eine Lagerwahl.

Die Mitglieder der "Hanseaten" haben jedenfalls schon längst ihre Entscheidung getroffen. "Wir brauchen endlich mal Ruhe im Verein", sagt ein Fan im HSV-Trikot. Und wie das geschafft werden kann? "Kämpfen und Siegen". So einfach ist das.