St. Paulis Trainer Holger Stanislawski und HSV-Coach Armin Veh verzichteten vor dem Stadtderby auf einen verbalen Schlagabtausch.

Hamburg. Es dauerte eine Weile, ehe sich die beiden Protagonisten einen Weg durch die Fotografen gebahnt und das viel zu kleine Pressepodest erklommen hatten. Schlag ein Uhr mittags am Freitag liefen St. Paulis Trainer Holger Stanislawski und HSV -Coach Armin Veh mit einer Heerschar von Journalisten im Schlepptau im nigelnagelneuen und viel zu vollen Presseraum auf der Haupttribüne am Millerntor wie zwei Boxer beim offiziellen Wiegen vor ihrem großen Kampf ein. Die Fotoapparate blitzten im Zehntelsekundenrhythmus, die Kameras surrten und St. Paulis Teammanager Christian Bönig lächelte. Doch anders als die Klitschkos, Holyfields und Tysons dieser Welt verzichteten die beiden Fußballlehrer, die von den Profis Frank Rost und Fabio Morena begleitet wurden, auch zwei Tage vor dem ersten Gong auf einen verbalen Schlagabtausch. "Eigentlich ist mir das alles ein bisschen zu harmonisch", monierte deswegen auch Stanislawski, der als Spieler offenbar ganz anderes Kampfgetöse vor dem eigentlichen Fight gewohnt war.

Allerdings wollte auch Stanislawski keinen Tiefschlag vor dem von den Fans so herbeigesehnten Derby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV (So., 15.30 Uhr/Sky und im Abendblatt-Liveticker) riskieren. Statt über umgeflügten Rasen, bedingungslose Leidenschaft und Hexenkesselatmosphäre zu schwadronieren, sprach der 40-jährige Trainer viel mehr über die gemeinsame Begeisterung für Vierbeiner, die ihn und Veh einen würde. Sogar einen gemeinsamen Gassiausflug stellte Hundebesitzer Stanislawski, in Bluejeans, dunklem Pullover und ungewohnt adrettem Karosakko, seinem Gegenüber, ebenfalls in Bluejeans und mit grau-weiß kariertem Hemd, in Aussicht. Großmäulige Kampfaussagen vor dem Spiel der Spiele hören sich jedenfalls anders an.

Frank Rost spielt am Millerntor sein 400. Bundesligaspiel

Doch auch Veh wollte sich partout auf keine Scharmützel einlassen. "Es ist schon eine starke Leistung, was Stani hier auf St. Pauli geschaffen hat. Seine Handschrift ist ganz deutlich in den Spielen zu erkennen", lobte der HSV-Trainer und betonte: "Das sage ich nicht nur, das meine ich auch genau so." So war es dann schließlich Keeper Rost vergönnt, einen ersten zaghaften Treffer zu landen, nachdem sich die beiden Trainer mehr mit Lob als mit Verbalattacken bedacht hatten. "Das wird kein Freundschaftsspiel. Es wird hart zur Sache gehen", stellte der HSV-Torhüter in seiner typischen, von allem Spaß befreiten Sachlichkeit fest. Dass er ausgerechnet am Millerntor sein 400. Bundesligaspiel feiern wird, sei deswegen auch nicht mehr als eine unbedeutende Randnotiz. Schließlich gehe es um drei Punkte, "viel mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen".

Dabei gibt es so kurz vor dem ersten Derby seit acht Jahren natürlich auf beiden Seiten noch eine ganze Menge zu sagen. Zum Beispiel, dass St. Paulis Torhüter Mathias Hain definitiv ausfallen wird, der lange verletzte Gerald Asamoah dafür erstmals eine ernsthafte Alternative im offensiven Mittelfeld ist. Oder, dass der HSV in Bestbesetzung antreten wird, Trainer Veh sogar auf den zuvor angeschlagenen Linksverteidiger Dennis Aogo zurückgreifen kann. Interessant dürfte auch ein Vergleich der beiden Ersatzbänke sein. Denn während beim Kiezklub eher nicht so große Namen wie Richard Sukuta-Pasu, Fin Bartels oder Max Kruse neben Trainer Stanislawski Platz nehmen könnten, ist neben Veh für insgesamt vier WM-Teilnehmer (Aogo, Piotr Trochowski, Maxim Choupo-Moting und Gojko Kacar) reserviert, dazu gesellen sich vermutlich noch die Nationalspieler Mladen Petric und Collin Benjamin. Kein Wunder also, dass Veh bei aller Höflichkeit die Rollenverteilung als eindeutig beschreibt: "Wir sind der Favorit, das ist natürlich ganz klar."

Nach 30 Minuten war der Schlagabtausch ohne echte Wirkungstreffer beendet, auf einen Sieger nach Punkten wurde verzichtet. Schnell noch ein gemeinsames Foto auf der Tribüne gemacht, dann trennten sich die Wege der beiden Fußballlehrer, die sich an gleicher Stelle erst wieder am Sonntag treffen werden. Bei diesem Tête-à-tête sollte es dann aber mit der Höflichkeit endgültig vorbei sein. "Wir wollen keine guten Gastgeber sein", kündigte Stanislawski zum Abschied an, und klang dabei erstmals wie ein Boxer, der um jeden Preis den Gürtel der Schwergewichts-Weltmeisterschaft gewinnen will.

Ring frei, der Kampf ist eröffnet.