Der HSV-Sportchef wirbt für Unterstützung bei seiner Suche nach Geldgebern, nachdem der Antrag über Investorenmodelle vertagt wurde.

Hamburg. Nach der achteinhalbstündigen Mitgliederversammlung hatte es Frank Arnesen am Sonntagabend eilig. "Es war ein langer Tag, jetzt muss ich mich erst mal ein wenig entspannen", sagte der HSV-Sportchef, der kurz darauf auf dem eigenen Sofa vor dem TV Platz nahm, um sich für seine erste Marathonsitzung als HSV-Verantwortlicher mit dem Mailänder Derby zwischen Inter und AC (1:0) zu belohnen.

Eine Belohnung hatte sich Arnesen auch redlich verdient. Kein Redner war in Saal 1 des CCH so frenetisch gefeiert worden wie der Däne. "Die Zustimmung hat natürlich gutgetan", sagte Arnesen, und witzelte: "Hoffentlich werfen die Mitglieder bei der nächsten Versammlung kein Gemüse nach mir." Auf einen etwas kritischeren Austausch muss sich der 55-Jährige bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 20. Mai allerdings sehr wohl gefasst machen. Hauptthema der nächsten Versammlung soll schließlich der Umgang mit zukünftigen Investoren sein. Und in dieser Frage scheinen sich Arnesen und ein Großteil der Mitglieder alles andere als einig zu sein.

"Es war gut, dass es keine Entscheidung über den Antrag zu Investorenmodellen gab", sagte Arnesen, der sich im Gegensatz zu Vereinschef Carl Jarchow als klarer Gegner des Antrags von Ingo Thiel outete: "Die Mitglieder können sich sicher sein, dass wir den Verein nicht verkaufen werden. Aber in manchen Angelegenheiten brauchen wir im Vorstand eine gewisse Flexibilität."

In Antrag 19 hatte Thiel zuvor gefordert, dass zukünftige Investorenmodelle zunächst von der Mitgliedschaft diskutiert und letztendlich auch abgesegnet werden müssen. Hintergrund ist der sogenannte Kühne-Deal, bei dem der Hamburger Unternehmer Klaus-Michael Kühne dem HSV 12,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hatte, im Gegenzug aber jeweils ein Drittel der Transferrechte an sechs HSV-Profis (Heiko Westermann, Dennis Aogo, Paolo Guerrero, Marcell Jansen, Dennis Diekmeier und Lennard Sowah) erhielt. Und obwohl dieses Modell im vergangenen Jahr innerhalb des Vereins überwiegend kritisch bewertet wurde, schuf Ex-HSV-Chef Bernd Hoffmann damals durch zwei umgehend aufgesetzte Verträge, die sogenannten Spielerinvestment-Vereinbarungen 2009/10 und 2010/11, unwiderrufliche Fakten.

Thorsten Fink: Nächste Saison ist Quali für Europa Pflicht!

"Einen Kühne-Deal in der jetzigen Form wird es nicht noch mal geben", versprach am Sonntag Jarchow, der aber sämtlichen Nachfragen, ob es denn einen Kühne-Deal in anderer Form geben würde, auswich. Grundsätzlich müsse der HSV auf externe Finanzhilfe zurückgreifen, sagte der Vorstandsvorsitzende, der dies bereits im Silvesterinterview mit dem Abendblatt betont hatte: "Ich will gar nicht verhehlen, dass wir im guten Kontakt sind mit Herrn Kühne. Es ist momentan so und wird in der Zukunft auch immer wieder vorkommen, dass andere Parteien wirtschaftliche Anteile an Spielern von uns besitzen, ohne aber Einfluss nehmen zu können." Dem Antrag Thiels sehe er deshalb auch im Gegensatz zu Arnesen und Aufsichtsrat Jörg Debatin, der ausdrücklich vor einer "Zementierung" warnte, gelassen entgegen.

Obwohl es niemand so recht zugeben wollte, wurde das Für und Wider eines erneuten Kühne-Deals inoffiziell unter den Aufsichtsräten schon längst diskutiert. Am Beispiel des vom HSV umworbenen Granit Xhaka zeigt sich nach Meinung mehrerer Kontrolleure auch deutlich die mögliche Gefahr, die der vertagte Thiel-Antrag nach sich ziehen würde. So würde die mindestens sieben Millionen Euro teure Verpflichtung des Schweizer Talents im Sommer wohl nur infrage kommen, wenn der HSV erneut finanzielle Hilfe Kühnes erhält. Muss ein modellierter Vertrag zunächst von den Mitgliedern besprochen und sogar abgesegnet werden, dürfte es nur schwer möglich sein, erneut den emotionalen Unternehmer Kühne für ein Engagement zu begeistern.

Um ein derartiges Szenario zu verhindern, sicherte Thiel zu, den Antrag noch einmal gründlich zu überarbeiten. "Wir müssen den Antrag sehr viel genauer fassen. Es muss klar herausgestellt werden, was unter einem Investorenmodell zu verstehen ist", sagte Thiel, der sich direkt nach der Versammlung sowohl mit Jarchow als auch mit Aufsichtsratsvize Alexander Otto austauschte.

+++ Ein bisschen Frieden auf der Mitgliederversammlung +++

+++ Kommentar: Der HSV braucht keinen Kuschelrat +++

Bevor sich Arnesen tatsächlich dem Milan-Derby widmen konnte, erinnerte er nochmals mit Nachdruck daran, dass ihm bei Spielertransfers durch die spezielle Vereinsstruktur beim HSV ohnehin schon enge Grenzen gesetzt sind. "Der Aufsichtsrat muss doch sowieso alles absegnen, was ein bestimmtes Finanzvolumen übersteigt", sagte Arnesen, "wir müssen uns aber die Freiheit erhalten, so zu arbeiten, wie wir es für richtig halten." So habe er auch beim PSV Eindhoven und bei Chelsea London mit Investoren zusammengearbeitet. "Ich kenne die Vor- und die Nachteile. Am wichtigsten ist, dass wir als Verein bei allen Transfers immer das letzte Wort behalten." Dies sei sowohl bei den sechs Kühne-Spielern als auch bei Gökhan Töre und Jacopo Sala, an denen der FC Chelsea jeweils 50 Prozent der Transferrechte hält, der Fall.

Bis zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am 20. Mai dürften aber noch zahlreiche Gespräche folgen - auch mit dem Logistikunternehmer Kühne. "Ich bin überzeugt davon, dass der neue Sportdirektor des HSV, Frank Arnesen, bei der Spielerauswahl die richtigen Entscheidungen treffen wird, und unterstütze alles, was nach seinem Urteil für den HSV vorteilhaft ist", hatte der Wahl-Schweizer noch vor Kurzem dem Hamburger Abendblatt gesagt. Ob es aber tatsächlich eine Neuauflage der Zusammenarbeit gibt, wird frühestens im Sommer entschieden.