Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nimmt im brisanten Viertelfinal-Duell mit Griechenland ihre Favoritenrolle an. „Es liegt nur an uns“, betont Bastian Schweinsteiger. Es wird ein hochemotionales Duell, auch wegen der angespannten politischen Situation.

Danzig. Den Griechen soll auch kein Rettungsschirm mehr helfen: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft plant am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) im EM-Viertelfinale in Danzig vor den Augen von Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rauswurf Griechenlands aus der „EURO-Zone“. Der dreimalige Welt- und Europameister geht als klarer Favorit in das brisante Duell.

+++ Bankdrücker schieben Frust - gegen Griechenland gebraucht? +++

+++ Neuer: "Wir wissen, dass wir noch besser werden" +++

+++ Mats Hummels gibt in der Abwehr den Takt vor +++

Entsprechend selbstbewusst geben sich Bundestrainer Joachim Löw und seine Spieler vor ihrem „Heimspiel“ auch. „Die Griechen haben es geschafft, das ist stark. Wir wissen aber, dass es nur an uns liegt, ob wir gewinnen oder nicht. Wenn wir unsere Stärken einbringen, werden wir die Griechen schlagen“, betonte Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger. „Wir verschwenden keinen Gedanken daran, dass etwas schiefgehen kann“, fügte Sami Khedira mit breiter Brust an.

Die Mission 2012 - sie soll für das DFB-Team definitiv noch nicht in Danzig gegen Außenseiter Griechenland, sondern erst am 1. Juli in Kiew mit dem lange ersehnten Gewinn der Europameisterschaft enden. Schweinsteiger hat zumindest ein gutes Gefühl, dass es endlich mit dem großen Titel klappt. Er spüre, „dass da was entsteht“, er spüre „eine unglaubliche Vorfreude“ auf das Viertelfinale und „einen großen Drang in mir, ein perfektes Spiel zu liefern. Ich hoffe, dass wir dem gegen Griechenland nahe kommen.“

Zumindest wird die Ausrichtung der deutschen Mannschaft gegen die Mauerkünstler erneut sehr offensiv sein. Zwar war in der Vorrunde trotz dreier Siege nicht mehr der begeisternde Hurra-Fußball aus der Qualifikation zu bewundern, doch Löw legte sich bereits fest: „Die Vorstellung und Philosophie, nach vorne zu spielen, bleibt unverändert.“

Allerdings sei es gerade gegen die Griechen, die vornehmlich auf Konter lauern, auch wichtig, die Balance zwischen starker Offensive und Defensive zu finden, betonte der DFB-Coach - nach dem Motto: „Der Angriff gewinnt Spiele, die Abwehr gewinnt Meisterschaften.“ Oder, wie es Schweinsteiger ausdrückte: „Wir müssen wie eine Mauer stehen.“

Mit welchem Personal Löw das Viertelfinale angehen will, wollte er zunächst wie immer nicht verraten. Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass der gegen die Dänen zum Vorrundenabschluss gesperrte Jerome Boateng als Rechtsverteidiger ins Team zurückkehren wird. Dafür müsste Lars Bender weichen. Ansonsten wird der Bundestrainer aller Voraussicht nach den Spielern vertrauen, die schon in der Gruppenphase erste Wahl waren.

Vor allem für Lukas Podolski, der gegen Dänemark sein 100. Länderspiel absolviert hatte, dürfte es erneut ein sehr emotionaler Abend werden. Schließlich spielt der gebürtige Pole erstmals während des Turniers in seinem Heimatland vor „seinem“ Publikum.

Zu den Fans zählt am Freitag in Danzig erstmals auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die der deutschen Mannschaft auf der Tribüne die Daumen drückt. Angesichts der angespannten politischen Lage birgt der Besuch der Regierungschefin, die in Griechenland wegen des deutschen Sparkurses in der Euro-Krise heftig in der Kritik steht, eine gewisse Brisanz.

Die Mannschaft wertet es dagegen als gutes Omen. „Sie scheint Glück zu bringen. Das hat sie schon ein paar Mal bewiesen. Sie gibt uns ein gutes Gefühl. Ihr Besuch zeigt, dass wir ein Land sind“, sagte Khedira.

Allzu großen Stress will die DFB-Auswahl der Kanzlerin aber ersparen. Natürlich gehöre auch die Möglichkeit eines Elfmeterschießens in einem Viertelfinale dazu, sagte Torwart Manuel Neuer, „aber ich hoffe natürlich, dass wir das Spiel nach 90 Minuten entschieden haben und es nicht dazu kommt. Aber für den Fall der Fälle bin ich vorbereitet.“ Einen Zettel wie Jens Lehmann bei der WM 2006 gegen Argentinien hat der Münchner Keeper auf jeden Fall nicht im Stutzen: „Ich merke mir alles und sehe dann, welcher Schütze auf mich zukommt.“

Die Viertelfinalpartie ist emotional hoch aufgeladen - auf beiden Seiten, in beiden Ländern. Kein Wunder: Das letzte Aufeinandertreffen fand im März 2001 im Athener Olympiastadion im Rahmen der Qualifikation für die WM in Japan und Korea statt. Deutschland besiegte Griechenland mit 4:2. Doch damals war das Verhältnis zwischen beiden Ländern noch unbelastet. Von der späteren Krise, die Griechenland seit Ende 2009 in seinen Grundfesten erschüttert, oder gar von einem EU-Rettungsschirm, den vor allem der deutsche Steuerzahler zu finanzieren hat und der mit harten Sparauflagen verbunden ist, konnte damals niemand etwas ahnen.

Denn das Gros der Griechen verachtet das Krisenmanagement in der Eurozone und insbesondere in seinem Land als aufgebürdetes Spardiktat der Deutschen – mit verheerenden Auswirkungen für das traditionell gute Verhältnis zwischen beiden Völkern. Schon seit einiger Zeit kursieren Karikaturen in griechischen Zeitungen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Finanzminister Wolfgang Schäuble in SS-Uniform zeigen. Auch renommierte Analysten wie Georgios Delastik von der Athener Tageszeitung „Ethnos“ schreiben unverhohlen von einem „Vierten Reich“, das die Griechen unterjoche.

„Keine Frage: Die Sympathie für die Deutschen ist auf dem Tiefpunkt angelangt“, sagt dazu Prof. Thomas Maloutas, Sozialgeograph an der Athener Charokopio-Universität und Leiter des angesehenen Griechischen Nationalen Forschungsinstituts für Sozialfragen (EKKE).

So sehr sich Samaras und Co. um Gelassenheit bemühen: Die Griechen verfolgen sehr genau die Veröffentlichungen in der deutschen Presse. Griechen-Kapitän Karagounis, der für das Spiel am Freitag ist, nahm im privaten Athener Fernsehsender „Mega Channel“ kein Blatt vor den Mund: „Ich habe das Gefühl, dass die Deutschen unsere Würde verletzen wollen. Dazu kann ich nur sagen: Wir stecken zwar in einer schweren Krise. Aber in Griechenland wurde die Demokratie geboren.“

Ob das gegen die Deutschen reicht? Klar ist: Gegen das Löw-Team wollen die Griechen wie die Löwen kämpfen. Gelingt den Defensiv-Spezialisten die Überraschung, dann wäre die Freude zu Füßen der Akropolis besonders groß. Zeitungshändler Kostas Stefanopoulos im nördlichen Athener Vorort Halandri trifft die Stimmung, wenn er sagt: „Auf dieses Spiel wartet ganz Griechenland. Vielleicht verlieren wir 0:5. Falls wir aber weiterkommen, dann ist hier der Teufel los.“

Die voraussichtliche deutsche Aufstellung: 1 Neuer - 20 Boateng, 5 Hummels, 14 Badstuber, 16 Lahm - 7 Schweinsteiger, 6 Khedira - 13 Müller, 8 Özil, 10 Podolski - 23 Gomez. - Trainer: Löw

BILANZ I: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestreitet im EM-Viertelfinale gegen Griechenland am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) in Danzig das 862. Länderspiel ihrer Geschichte. Seit 1908 gab es 498 Siege, 174 Unentschieden und 189 Niederlagen. Das Torverhältnis lautet 1924:1024. BILANZ II: Joachim Löw betreut das deutsche Team zum 82. Mal als Bundestrainer. 56 Siege stehen für den 52-Jährigen zu Buche, dazu 13 Unentschieden und zwölf Niederlagen. Von seinen 16 Turnierspielen als Chefcoach konnte Löw zwölf gewinnen, vier endeten mit Niederlagen.

BILANZ III: Die deutsche Mannschaft hat ihre letzten 14 Pflichtspiele alle gewonnen. Das ist Rekord in der Geschichte der DFB-Auswahl. Die letzte Niederlage in einem Wettbewerbsspiel war das 0:1 gegen Spanien im WM-Halbfinale 2010 in Südafrika.

EM-BILANZ: Für Deutschland ist das Turnier in Polen und der Ukraine die elfte Teilnahme an einer EM-Endrunde. Das ist der Bestwert aller Nationen in Europa. Von den bislang 41 Spielen konnten 22 gewonnen werden. Zehn Partien endeten unentschieden, neun gingen verloren.

GRIECHENLAND: Gegen Griechenland hat Deutschland noch nie verloren. In den bislang acht Partien gab es fünf Siege und drei Unentschieden, eines davon war das 0:0 in der Vorrunde der EM 1980 in Italien. Die deutsche Mannschaft wurde anschließend Europameister.

EM-EINSÄTZE: Kapitän Philipp Lahm kann mit einem Einsatz gegen Griechenland zu Thomas Häßler und Jürgen Klinsmann aufschließen, die aktuell mit jeweils 13 Einsätzen die deutschen Rekordspieler bei Europameisterschaften sind. Dahinter folgt mit zwölf Partien in Andreas Brehme ein weiterer Weltmeister von 1990. Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger folgen mit jeweils elf EM-Spielen.

EM-TORSCHÜTZEN: Lukas Podolski und Mario Gomez jagen Jürgen Klinsmann. Der ehemalige Bundestrainer ist mit fünf Treffern Deutschlands erfolgreichster EM-Torschütze. Dahinter folgen Gerd Müller, Dieter Müller, Rudi Völler und Podolski, der beim 2:1 gegen Dänemark seinen insgesamt vierten EM-Treffer erzielte. Gomez hat nach seinen Toren gegen Portugal (1) und die Niederlande (2) ebenso drei Treffer auf dem Konto wie Klaus Allofs, Karl-Heinz Riedle und Michael Ballack.

HUNDERTER-MARKE: Lukas Podolski hat mit seinem Einsatz gegen Dänemark als zehnter Nationalspieler die magische Marke von 100 Länderspielen erreicht. Rekordnationalspieler ist Lothar Matthäus mit 150 Einsätzen. Auf Platz zwei folgt Miroslav Klose mit 119 Partien. Kapitän Philipp Lahm steht gegen Griechenland vor seinem 90. Einsatz im Nationaltrikot.

TORSCHÜTZEN: Der 34 Jahre alte Klose hat im deutschen EM-Kader die meisten Tore für Deutschland erzielt. Mit 63 Treffern macht der Angreifer weiter Jagd auf Rekordtorschütze Gerd Müller (68 Treffer). Lukas Podolski liegt mit 44 Toren auf Platz sieben der Rangliste der erfolgreichsten deutschen Länderspiel-Torschützen. Mit einem Treffer gegen Griechenland würde er mit dem heutigen Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (45) gleichziehen. Mario Gomez hat nach seinen drei EM-Turniertoren 25 Treffer auf dem Konto.

SPERRE: Von einer Gelb-Sperre bedroht ist im deutschen Kader nur Abwehrspieler Holger Badstuber. Bei einer weiteren Verwarnung im Viertelfinale gegen Griechenland wäre der Münchner bei einem Erfolg des DFB-Teams im Halbfinale gegen Italien oder England gesperrt.

SCHIEDSRICHTER: Der Slowene Damir Skomina pfeift das Spiel. Der 35-Jährige kommt zu seinem dritten Einsatz bei der EM. Zuvor hatte er die Vorrundenspiele Niederlande gegen Dänemark (0:1) und Schweden gegen England (2:3) geleitet. Beide Begegnungen hatte der Slowene sicher im Griff. Skomina steht seit 2003 auf der Liste der Europäischen Fußball-Union (UEFA) und des Weltverbandes (FIFA).