Der Bundestrainer hat sich noch keine Gedanken gemacht, wer für die deutsche Nationalmannschaft in einem möglichen Elfmeterschießen gegen Griechenland antreten wird. Bastian Schweinsteiger wäre ein Kandidat.

Danzig. Joachim Löw hat noch keinen Plan für ein mögliches Elfmeterschießen im EM-Viertelfinale gegen Griechenland. „Der Trainer muss dann nach 120 Minuten entscheiden“, sagte der Bundestrainer am Donnerstag in einem Interview mehreren privaten deutschen TV-Sendern im Teamquartier in Danzig. Auch Bastian Schweinsteiger, der im verlorenen Champions-League-Endspiel des FC Bayern gegen den FC Chelsea den letzten Münchner Elfmeter an den Pfosten geschossen hatte, könnte zu Löws Schützen gehören. „Schweinsteiger hat genug Selbstbewusstsein“, betonte der Chefcoach der deutschen Fußball-Nationalmannschaft einen Tag vor der Viertelfinal-Partie am Freitag gegen die Griechen.

Die Auswahl der Elfmeterschützen würde Löw nach verschiedenen Eindrücken treffen: „Wer ist noch auf dem Platz? Wer ist am ehesten in der Lage? Wer hatte im Spiel gute Momente?“, beschrieb der Bundestrainer die Kriterien, schloss aber deutlich an: „Wir müssen sehen, dass wir das Spiel vorher entscheiden.“ Löw will zur Einstimmung auf die Partie gegen den Überraschungs-Champion von 2004 auch die Bilder vom Jubel aus der Heimat nutzen. „Auch wenn wir hier etwas abgeschieden sind, bekommen wir die Stimmung zu Hause schon mit. Auch das ist für unsere Spieler eine Motivation“, sagte der Bundestrainer.

Mit dem Ausscheiden gegen den Außenseiter Griechenland und mögliche Auswirkungen will sich Löw nicht beschäftigen: „Daran denke ich nicht. Wenn wir unsere Qualität einbringen und die Griechen beschäftigen, haben wir eine große Chance.“ Sein Team werde den Kontrahenten nicht unterschätzen: „Die Griechen sind die Überlebenskünstler in Europa.“

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Die Mission 2012 - sie soll für das DFB-Team definitiv noch nicht in Danzig gegen Außenseiter Griechenland, sondern erst am 1. Juli in Kiew mit dem lange ersehnten Gewinn der Europameisterschaft enden. Schweinsteiger hat zumindest ein gutes Gefühl, dass es endlich mit dem großen Titel klappt. Er spüre, „dass da was entsteht“, er spüre „eine unglaubliche Vorfreude“ auf das Viertelfinale und „einen großen Drang in mir, ein perfektes Spiel zu liefern. Ich hoffe, dass wir dem gegen Griechenland nahe kommen.“

Zumindest wird die Ausrichtung der deutschen Mannschaft gegen die Mauerkünstler erneut sehr offensiv sein. Zwar war in der Vorrunde trotz dreier Siege nicht mehr der begeisternde Hurra-Fußball aus der Qualifikation zu bewundern, doch Löw legte sich bereits fest: „Die Vorstellung und Philosophie, nach vorne zu spielen, bleibt unverändert.“

Allerdings sei es gerade gegen die Griechen, die vornehmlich auf Konter lauern, auch wichtig, die Balance zwischen starker Offensive und Defensive zu finden, betonte der DFB-Coach - nach dem Motto: „Der Angriff gewinnt Spiele, die Abwehr gewinnt Meisterschaften.“ Oder, wie es Schweinsteiger ausdrückte: „Wir müssen wie eine Mauer stehen.“

Mit welchem Personal Löw das Viertelfinale angehen will, wollte er zunächst wie immer nicht verraten. Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass der gegen die Dänen zum Vorrundenabschluss gesperrte Jerome Boateng als Rechtsverteidiger ins Team zurückkehren wird. Dafür müsste Lars Bender weichen. Ansonsten wird der Bundestrainer aller Voraussicht nach den Spielern vertrauen, die schon in der Gruppenphase erste Wahl waren.

Vor allem für Lukas Podolski, der gegen Dänemark sein 100. Länderspiel absolviert hatte, dürfte es erneut ein sehr emotionaler Abend werden. Schließlich spielt der gebürtige Pole erstmals während des Turniers in seinem Heimatland vor „seinem“ Publikum.

Zu den Fans zählt am Freitag in Danzig erstmals auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die der deutschen Mannschaft auf der Tribüne die Daumen drückt. Angesichts der angespannten politischen Lage birgt der Besuch der Regierungschefin, die in Griechenland wegen des deutschen Sparkurses in der Euro-Krise heftig in der Kritik steht, eine gewisse Brisanz.

Die Mannschaft wertet es dagegen als gutes Omen. „Sie scheint Glück zu bringen. Das hat sie schon ein paar Mal bewiesen. Sie gibt uns ein gutes Gefühl. Ihr Besuch zeigt, dass wir ein Land sind“, sagte Khedira.

Allzu großen Stress will die DFB-Auswahl der Kanzlerin aber ersparen. Natürlich gehöre auch die Möglichkeit eines Elfmeterschießens in einem Viertelfinale dazu, sagte Torwart Manuel Neuer, „aber ich hoffe natürlich, dass wir das Spiel nach 90 Minuten entschieden haben und es nicht dazu kommt. Aber für den Fall der Fälle bin ich vorbereitet.“ Einen Zettel wie Jens Lehmann bei der WM 2006 gegen Argentinien hat der Münchner Keeper auf jeden Fall nicht im Stutzen: „Ich merke mir alles und sehe dann, welcher Schütze auf mich zukommt.“

Die voraussichtliche deutsche Aufstellung: 1 Neuer - 20 Boateng, 5 Hummels, 14 Badstuber, 16 Lahm - 7 Schweinsteiger, 6 Khedira - 13 Müller, 8 Özil, 10 Podolski - 23 Gomez. - Trainer: Löw

BILANZ I: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestreitet im EM-Viertelfinale gegen Griechenland am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) in Danzig das 862. Länderspiel ihrer Geschichte. Seit 1908 gab es 498 Siege, 174 Unentschieden und 189 Niederlagen. Das Torverhältnis lautet 1924:1024. BILANZ II: Joachim Löw betreut das deutsche Team zum 82. Mal als Bundestrainer. 56 Siege stehen für den 52-Jährigen zu Buche, dazu 13 Unentschieden und zwölf Niederlagen. Von seinen 16 Turnierspielen als Chefcoach konnte Löw zwölf gewinnen, vier endeten mit Niederlagen.

BILANZ III: Die deutsche Mannschaft hat ihre letzten 14 Pflichtspiele alle gewonnen. Das ist Rekord in der Geschichte der DFB-Auswahl. Die letzte Niederlage in einem Wettbewerbsspiel war das 0:1 gegen Spanien im WM-Halbfinale 2010 in Südafrika.

EM-BILANZ: Für Deutschland ist das Turnier in Polen und der Ukraine die elfte Teilnahme an einer EM-Endrunde. Das ist der Bestwert aller Nationen in Europa. Von den bislang 41 Spielen konnten 22 gewonnen werden. Zehn Partien endeten unentschieden, neun gingen verloren.

GRIECHENLAND: Gegen Griechenland hat Deutschland noch nie verloren. In den bislang acht Partien gab es fünf Siege und drei Unentschieden, eines davon war das 0:0 in der Vorrunde der EM 1980 in Italien. Die deutsche Mannschaft wurde anschließend Europameister.

EM-EINSÄTZE: Kapitän Philipp Lahm kann mit einem Einsatz gegen Griechenland zu Thomas Häßler und Jürgen Klinsmann aufschließen, die aktuell mit jeweils 13 Einsätzen die deutschen Rekordspieler bei Europameisterschaften sind. Dahinter folgt mit zwölf Partien in Andreas Brehme ein weiterer Weltmeister von 1990. Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger folgen mit jeweils elf EM-Spielen.

EM-TORSCHÜTZEN: Lukas Podolski und Mario Gomez jagen Jürgen Klinsmann. Der ehemalige Bundestrainer ist mit fünf Treffern Deutschlands erfolgreichster EM-Torschütze. Dahinter folgen Gerd Müller, Dieter Müller, Rudi Völler und Podolski, der beim 2:1 gegen Dänemark seinen insgesamt vierten EM-Treffer erzielte. Gomez hat nach seinen Toren gegen Portugal (1) und die Niederlande (2) ebenso drei Treffer auf dem Konto wie Klaus Allofs, Karl-Heinz Riedle und Michael Ballack.

HUNDERTER-MARKE: Lukas Podolski hat mit seinem Einsatz gegen Dänemark als zehnter Nationalspieler die magische Marke von 100 Länderspielen erreicht. Rekordnationalspieler ist Lothar Matthäus mit 150 Einsätzen. Auf Platz zwei folgt Miroslav Klose mit 119 Partien. Kapitän Philipp Lahm steht gegen Griechenland vor seinem 90. Einsatz im Nationaltrikot.

TORSCHÜTZEN: Der 34 Jahre alte Klose hat im deutschen EM-Kader die meisten Tore für Deutschland erzielt. Mit 63 Treffern macht der Angreifer weiter Jagd auf Rekordtorschütze Gerd Müller (68 Treffer). Lukas Podolski liegt mit 44 Toren auf Platz sieben der Rangliste der erfolgreichsten deutschen Länderspiel-Torschützen. Mit einem Treffer gegen Griechenland würde er mit dem heutigen Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (45) gleichziehen. Mario Gomez hat nach seinen drei EM-Turniertoren 25 Treffer auf dem Konto.

SPERRE: Von einer Gelb-Sperre bedroht ist im deutschen Kader nur Abwehrspieler Holger Badstuber. Bei einer weiteren Verwarnung im Viertelfinale gegen Griechenland wäre der Münchner bei einem Erfolg des DFB-Teams im Halbfinale gegen Italien oder England gesperrt.

SCHIEDSRICHTER: Der Slowene Damir Skomina pfeift das Spiel. Der 35-Jährige kommt zu seinem dritten Einsatz bei der EM. Zuvor hatte er die Vorrundenspiele Niederlande gegen Dänemark (0:1) und Schweden gegen England (2:3) geleitet. Beide Begegnungen hatte der Slowene sicher im Griff. Skomina steht seit 2003 auf der Liste der Europäischen Fußball-Union (UEFA) und des Weltverbandes (FIFA).