Griechenland brennt auf das EM-Viertelfinale gegen Deutschland. Bastian Schweinsteiger bekräftigt den Respekt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vor dem Gegner.

Danzig/Berlin. Vor dem EM-Viertelfinale gegen Griechenland hat Bastian Schweinsteiger den Respekt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vor dem Gegner bekräftigt. In einem am Mittwoch auf der Webseite des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) veröffentlichten Interview sagte der Nationalspieler: „Es ist immer schwierig gegen Gegner zu spielen, die defensiv stehen und die durch Konter zum Erfolg kommen wollen. Wir benötigen einen Plan, der uns aufzeigt, wie man einem solchen Gegner wehtun kann. Wir haben großen Respekt vor den Griechen.“ Die Nationalelf spielt am Freitag in Danzig gegen die Auswahl des südosteuropäischen Landes.

Der Viertelfinal-Kontrahent habe sich in einer Gruppe durchgesetzt, „wo alle gedacht haben, dass es sehr schwer für sie wird. Sie haben es geschafft, das ist stark. Wir wissen aber, dass es am Freitag nur an uns liegt, ob wir gewinnen oder nicht. Wenn wir unsere Stärken einbringen, werden wir die Griechen schlagen. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, die Griechen zu unterschätzen.“

Die Vorfreude auf die Partie bezeichnete Schweinsteiger als „unglaublich“. „Jetzt, wo wir die Gruppenphase überstanden haben, wächst sie weiter. Durch die Siege ist auch das Selbstvertrauen gewachsen. Ich spüre einen großen Drang in mir, ein perfektes Spiel zu liefern. Ich hoffe, dass wir dem gegen Griechenland nahe kommen.“

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Der finale Weg Richtung EM-Finale ist für die deutsche Mannschaft klar abgesteckt. Erst wollen die selbst ernannten Titelanwärter mit Intelligenz und einer Überfall-Taktik das griechische Bollwerk knacken. Dann lockt im Halbfinale ein Fußball-Klassiker – gegen England oder Italien. Nach dem Durchmarsch durch die Gruppenphase gaben sich die Titelanwärter selbstbewusst. „Uns in die Knie zwingen, das werden die Griechen definitiv nicht schaffen“, erklärte Mittelfeldspieler Sami Khedira.

Der entspannt wirkende Bundestrainer Joachim Löw will gegen den Überraschungs-Viertelfinalisten seine bisherige Taktik verfeinern und möglicherweise die Hellenen mit personellen und taktischen Kniffen überrumpeln. „Ich scheue mich nicht davor, weitere Entscheidungen zu treffen und zu verändern, weil wir gute Spieler in der Hinterhand haben“, erklärte Löw vor dem ersten K.o.-Spiel.

Bisher lag der Chef der deutschen Titelmission mit seinem Personal- und Taktik-Puzzle goldrichtig. Die Mischung aus schnellem Offensivfußball und konsequenter Arbeit nach hinten in allen Mannschaftteilen will der akribisch planende Bundestrainer nicht ändern, „damit man gewappnet ist und nicht im Hurra-Stil nach vorne läuft“. Denn genau darauf wartet der Gegner.

„Wir müssen hochkonzentriert sein und dürfen nicht schon einen Schritt weiterdenken. Das ist die große Gefahr“, betonte am Mittwoch Mittelfeld-Antreiber Sami Khedira. Die erste längere Freizeit während des Turniers hatten die deutschen Stars mit Ausflügen in die Danziger Altstadt und in den Ostsee-Urlaubsort Sopot genutzt, „um mal abzuschalten und den Kopf frei zu bekommen“, wie Khedira berichtete.

Löw hat mit einzelnen Spielern schon über die beste Taktik gegen die Griechen gesprochen. Khedira verriet eine zentrale Forderung des Cheftrainers: „Mannschaftstaktisch müssen wir cleverer und intelligenter spielen, um besseren Zugriff auf den Gegner zu bekommen.“ Wenn dies nicht gelingen würde, könnte das in der Turnier-Endphase zu einer „großen Gefahr“ werden, fürchtet Khedira.

„Wir können uns noch steigern gegen defensiv eingestellte Gegner. Nicht der Pass bestimmt den Laufweg, sondern der Laufweg bestimmt den Pass“, bemerkte Löw, der selbst als Bundestrainer noch nie gegen die Griechen gespielt hat. Überhaupt ist die DFB-Elf in ihrer 104 Jahre alten Länderspiel-Geschichte erst achtmal auf Griechenland getroffen: Fünf Partien wurden gewonnen; eine Niederlage gab es noch nicht.

Das soll auch so bleiben: „Wir haben einen Erfolgsgedanken im Team, darin kommt Ausscheiden nicht vor“, betonte Müller, der nach dem Gewinn der WM-Torjägerkrone bei dieser EM noch ohne Tor ist. Für Beckenbauer steht fest: „Die Mannschaft lässt sich das nicht nehmen, sie ist in einer guten Verfassung und noch steigerungsfähig.“

„Killerinstinkt entwickeln“ und „intelligenter Laufen“ sieht Khedira als entscheidende Punkte, um den von Fans und Spielern zugleich erwarteten Halbfinaleinzug sicherzustellen. Geduld und Bewegung bezeichnete der 25-Jährige zudem als probates Mittel, um den Abwehrblock der Griechen knacken zu können: „Wenn man statisch steht, wird es sehr schwierig. Wir haben sehr gute Lösungen und müssen sie nur noch umsetzen.“ Die Mannschaft habe sich seit der WM 2010 deutlich weiterentwickelt: „Wir spielen ruhiger und viel cleverer, gehen nicht mehr so leichtsinnig mit unserem Spiel um.“

Löw setzt zudem auf den möglichen Heimvorteil in Danzig, wo das deutsche Team während des Turniers wohnt. „Wir haben uns bisher wahnsinnig wohlgefühlt hier“, lobte er die polnischen Gastgeber. Müller schickte einen Gruß in die Heimat und bedankte sich für die große Fan-Unterstützung und den angekündigten Stadionbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit den deutschen Medien dagegen ging er hart ins Gericht. Vieles werde zu kritisch gesehen, monierte der Bayern-Profi. „Im Moment kommt es mir so vor, dass wir, selbst wenn wir den EM-Titel holen sollten, uns dafür noch schämen müssen.“

Fest steht: Die bevorstehende EM-Viertelfinalpartie zwischen Griechenland und Deutschland ist emotional hoch aufgeladen – auf beiden Seiten, in beiden Ländern. Kein Wunder: Das letzte Aufeinandertreffen fand im März 2001 im Athener Olympiastadion im Rahmen der Qualifikation für die WM in Japan und Korea statt. Deutschland besiegte Griechenland mit 4:2. Doch damals war das Verhältnis zwischen beiden Ländern noch unbelastet. Von der späteren Krise, die Griechenland seit Ende 2009 in seinen Grundfesten erschüttert, oder gar von einem EU-Rettungsschirm, den vor allem der deutsche Steuerzahler zu finanzieren hat und der mit harten Sparauflagen verbunden ist, konnte damals niemand etwas ahnen.

Denn das Gros der Griechen verachtet das Krisenmanagement in der Eurozone und insbesondere in seinem Land als aufgebürdetes Spardiktat der Deutschen – mit verheerenden Auswirkungen für das traditionell gute Verhältnis zwischen beiden Völkern. Schon seit einiger Zeit kursieren Karikaturen in griechischen Zeitungen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Finanzminister Wolfgang Schäuble in SS-Uniform zeigen. Auch renommierte Analysten wie Georgios Delastik von der Athener Tageszeitung „Ethnos“ schreiben unverhohlen von einem „Vierten Reich“, das die Griechen unterjoche.

„Keine Frage: Die Sympathie für die Deutschen ist auf dem Tiefpunkt angelangt“, sagt dazu Prof. Thomas Maloutas, Sozialgeograph an der Athener Charokopio-Universität und Leiter des angesehenen Griechischen Nationalen Forschungsinstituts für Sozialfragen (EKKE).

So sehr sich Samaras und Co. um Gelassenheit bemühen: Die Griechen verfolgen sehr genau die Veröffentlichungen in der deutschen Presse. Griechen-Kapitän Karagounis, der für das Spiel am Freitag ist, nahm im privaten Athener Fernsehsender „Mega Channel“ kein Blatt vor den Mund: „Ich habe das Gefühl, dass die Deutschen unsere Würde verletzen wollen. Dazu kann ich nur sagen: Wir stecken zwar in einer schweren Krise. Aber in Griechenland wurde die Demokratie geboren.“

Ob das gegen die Deutschen reicht? Klar ist: Gegen das Löw-Team wollen die Griechen wie die Löwen kämpfen. Gelingt den Defensiv-Spezialisten die Überraschung, dann wäre die Freude zu Füßen der Akropolis besonders groß. Zeitungshändler Kostas Stefanopoulos im nördlichen Athener Vorort Halandri trifft die Stimmung, wenn er sagt: „Auf dieses Spiel wartet ganz Griechenland. Vielleicht verlieren wir 0:5. Falls wir aber weiterkommen, dann ist hier der Teufel los.“

Voraussichtliche Aufstellung: Neuer – Boateng, Hummels, Badstuber, Lahm – Khedira, Schweinsteiger - Müller, Özil, Podolski – Gomez

BILANZ I: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestreitet im EM-Viertelfinale gegen Griechenland am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) in Danzig das 862. Länderspiel ihrer Geschichte. Seit 1908 gab es 498 Siege, 174 Unentschieden und 189 Niederlagen. Das Torverhältnis lautet 1924:1024. BILANZ II: Joachim Löw betreut das deutsche Team zum 82. Mal als Bundestrainer. 56 Siege stehen für den 52-Jährigen zu Buche, dazu 13 Unentschieden und zwölf Niederlagen. Von seinen 16 Turnierspielen als Chefcoach konnte Löw zwölf gewinnen, vier endeten mit Niederlagen.

BILANZ III: Die deutsche Mannschaft hat ihre letzten 14 Pflichtspiele alle gewonnen. Das ist Rekord in der Geschichte der DFB-Auswahl. Die letzte Niederlage in einem Wettbewerbsspiel war das 0:1 gegen Spanien im WM-Halbfinale 2010 in Südafrika.

EM-BILANZ: Für Deutschland ist das Turnier in Polen und der Ukraine die elfte Teilnahme an einer EM-Endrunde. Das ist der Bestwert aller Nationen in Europa. Von den bislang 41 Spielen konnten 22 gewonnen werden. Zehn Partien endeten unentschieden, neun gingen verloren.

GRIECHENLAND: Gegen Griechenland hat Deutschland noch nie verloren. In den bislang acht Partien gab es fünf Siege und drei Unentschieden, eines davon war das 0:0 in der Vorrunde der EM 1980 in Italien. Die deutsche Mannschaft wurde anschließend Europameister.

EM-EINSÄTZE: Kapitän Philipp Lahm kann mit einem Einsatz gegen Griechenland zu Thomas Häßler und Jürgen Klinsmann aufschließen, die aktuell mit jeweils 13 Einsätzen die deutschen Rekordspieler bei Europameisterschaften sind. Dahinter folgt mit zwölf Partien in Andreas Brehme ein weiterer Weltmeister von 1990. Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger folgen mit jeweils elf EM-Spielen.

EM-TORSCHÜTZEN: Lukas Podolski und Mario Gomez jagen Jürgen Klinsmann. Der ehemalige Bundestrainer ist mit fünf Treffern Deutschlands erfolgreichster EM-Torschütze. Dahinter folgen Gerd Müller, Dieter Müller, Rudi Völler und Podolski, der beim 2:1 gegen Dänemark seinen insgesamt vierten EM-Treffer erzielte. Gomez hat nach seinen Toren gegen Portugal (1) und die Niederlande (2) ebenso drei Treffer auf dem Konto wie Klaus Allofs, Karl-Heinz Riedle und Michael Ballack.

HUNDERTER-MARKE: Lukas Podolski hat mit seinem Einsatz gegen Dänemark als zehnter Nationalspieler die magische Marke von 100 Länderspielen erreicht. Rekordnationalspieler ist Lothar Matthäus mit 150 Einsätzen. Auf Platz zwei folgt Miroslav Klose mit 119 Partien. Kapitän Philipp Lahm steht gegen Griechenland vor seinem 90. Einsatz im Nationaltrikot.

TORSCHÜTZEN: Der 34 Jahre alte Klose hat im deutschen EM-Kader die meisten Tore für Deutschland erzielt. Mit 63 Treffern macht der Angreifer weiter Jagd auf Rekordtorschütze Gerd Müller (68 Treffer). Lukas Podolski liegt mit 44 Toren auf Platz sieben der Rangliste der erfolgreichsten deutschen Länderspiel-Torschützen. Mit einem Treffer gegen Griechenland würde er mit dem heutigen Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (45) gleichziehen. Mario Gomez hat nach seinen drei EM-Turniertoren 25 Treffer auf dem Konto.

SPERRE: Von einer Gelb-Sperre bedroht ist im deutschen Kader nur Abwehrspieler Holger Badstuber. Bei einer weiteren Verwarnung im Viertelfinale gegen Griechenland wäre der Münchner bei einem Erfolg des DFB-Teams im Halbfinale gegen Italien oder England gesperrt.

SCHIEDSRICHTER: Der Slowene Damir Skomina pfeift das Spiel. Der 35-Jährige kommt zu seinem dritten Einsatz bei der EM. Zuvor hatte er die Vorrundenspiele Niederlande gegen Dänemark (0:1) und Schweden gegen England (2:3) geleitet. Beide Begegnungen hatte der Slowene sicher im Griff. Skomina steht seit 2003 auf der Liste der Europäischen Fußball-Union (UEFA) und des Weltverbandes (FIFA).

Mit Material von dpa, dapd und sid