Die Ukraine fühlt sich von Schiedsrichter Kassai um ein Tor betrogen. So reichte den “Three Lions“ ein Streich von Rückkehrer Rooney.

Donezk. Englands Nationalmannschaft hat als Sieger der Vorrundengruppe D das Viertelfinale der Europameisterschaft erreicht. Die Briten besiegten im finalen Gruppenspiel das aufopferungsvoll kämpfende Team der Ukraine mit 1:0 und treffen nun am Sonntag auf Italien. Im Halbfinale könnte der Sieger dieser Partie auf Deutschland treffen. Der Erfolg der Engländer war allerdings höchst umstritten. Denn der ansonsten so sichere Schiedsrichter Viktor Kassai versagte den Gastgebern einen regulären Treffer.

In der 62. Minute hatte sich Marko Devic gegen den englischen Torhüter Joe Hart durchgesetzt, John Terry rettete mit einer artistischen Einlage. Die Fernsehbilder schienen den protestierenden Ukrainern Recht zu geben: der Ball war mit großer Wahrscheinlichkeit hinter der Linie. Doch weder Torschiedsrichter noch der Unparteiische auf dem Feld erkannten das Tor an. Allerdings hätte auch ein 1:1-Unentschieden der Ukraine nicht gereicht. Torwart Hart zuckte nach dem Spiel mit den Achseln: "Ich kann dazu nichts sagen. Die Entscheidung treffen die Schiedsrichter." Deutlicher äußerte sich Trainer Oleg Blochin: "Sie haben uns ein Tor gestohlen. Der Ball war einen Meter hinter der Linie. Wir hatten viel mehr Chancen, das war ein zufälliges Tor der Engländer, sie hatten Glück. Unsere Mannschaft hat die Perspektive, sich für die nächste Weltmeisterschaft zu qualifizieren.“

Den einzigen gegebenen Treffer des Abends hatte Rückkehrer Wayne Rooney erzielt. Der 26 Jahre alte Torjäger von Manchester United profitierte in der 48. Minute nach einer scharfen Hereingabe von Steven Gerrard davon, dass der Ball gleich zweimal abgefälscht wurde und brauchte nur einzunicken. Es war sein erstes EM-Endrundentor seit 2004.

Rooney hatte die ersten beiden Spiele der Engländer, das 1:1 gegen Frankreich und das 3:2 gegen Schweden, nur von der Tribüne verfolgen dürfen. Er hatte im letzten Qualifikationsspiel zur EM die Rote Karte gesehen und war für zwei Spiele gesperrt worden. Entsprechend entschlossen sprintete Rooney vor dem Anpfiff auf das Spielfeld und hatte dann auch ein paar Chancen. Einen Freistoß von Gerrard verfehlte Rooney sehr knapp (24.), dann rutschte ihm in guter Position ein Kopfball über die Stirn (28.), kurz darauf köpfte er freistehend knapp neben das Tor (32.). Am Ende musste er völlig entkräftet den Platz verlassen.

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Bis zu Rooneys Treffer war die Ukraine die bessere Mannschaft. Das Team von Trainer Oleg Blochin benötigte zum Einzug in die K.-o.-Runde unbedingt einen Sieg. Die Gelb-Blauen, die im ungeliebten Donezk auch im siebten Versuch nicht gewannen, hatten mehr vom Spiel und bessere Chancen, blieben aber glücklos. Englische Ballkontakte wurden vom Publikum mit Pfiffen begleitet, die eigene Mannschaft wurde frenetisch angefeuert. Ein paar gute Gelegenheiten gab es anfangs auch: Denis Garmasch schoss knapp über das Tor von Joe Hart (7.), ein Schuss von Devic, der mit Milewski das ukrainische Stürmer-Paar bildete, wurde im letzten Augenblick abgeblockt. Und dann schoss Oleg Gusew knapp drüber (22.).

Ein Führungstreffer für die Ukraine wäre verdient gewesen. England kam nur langsam ins Spiel und wurde höchstens bei Standardsituationen gefährlich. Die Ukraine dagegen kombinierte gut - aber eben nicht mit dem so dringend erforderlichen Erfolg beim Abschluss. Kurz vor der Pause hätte auch Jarmolenko treffen können (42.), er schlug drei Haken an der Strafraumgrenze, schüttelte danach noch zwei Abwehrspieler ab, kam aber am Fünfmeterraum nicht mehr zum Abschluss.

Die Ukraine stemmte sich auch nach dem Rückstand gegen das Aus. Artem Milewski köpfte in der 61. Minute eine Hereingabe von Andrej Jarmolenko aus vier Metern über das Tor.

Zum erhofften Aufeinandertreffen zwischen Rooney und Andrej Schewtschenko kam es zunächst nicht. Während Rooney nach Ablauf seiner Sperre wie erwartet zur Startaufstellung der englischen Mannschaft gehörte, musste der 35 Jahre alte "Schewa" zunächst mit der Ersatzbank vorliebnehmen. Im zweiten Spiel der Vorrunde gegen Frankreich (0:2) hatte er Schläge auf das Knie bekommen - erst in der 70. Minute kam er als letzter Trumpf der Ukraine zu seinem 111. und letzten Einsatz im Nationaltrikot. "Für mich war es das letzte große Spiel“, sagte Schewtschenko nach dem Spiel, "das war mein letztes Turnier.“ Er wolle sich in einem Freundschaftsspiel von seinen Fans verabschieden.

Ashley Cole ist seit Dienstag Englands Rekord-Turnierspieler. Der Abwehrspieler vom Champions-League-Sieger FC Chelsea bestritt gegen die Ukraine seinen 21. Einsatz für die Briten bei einer Welt- oder Europameisterschaft - ein Spiel mehr als Peter Shilton und David Beckham.

Statistik

England: Hart/Manchester City (25 Jahre/21 Länderspiele) - Johnson/FC Liverpool (27/39), Terry/FC Chelsea (31/76), Lescott/Manchester City (29/19), Cole/FC Chelsea (31/97) - Milner/Manchester City (26/29), ab 70. Walcott/FC Arsenal (23/27), Gerrard/FC Liverpool (32/95), Parker/Tottenham Hotspurs (31/16), Young/Manchester United (26/24) - Rooney/Manchester United (26/75) ab 87. Oxlade-Chamberlain/FC Aresenal (18/5) - Welbeck/Manchester United (21/8) ab 82. Carroll/FC Liverpool (23/6). - Trainer: Hodgson

Ukraine: Pjatow/Schachtjor Donezk (27/29) - Gusew/Dynamo Kiew (28/75), Chatscheridi/Dynamo Kiew (24/14), Rakizki/Schachtjor Donezk (22/18), Selin/Worskla Poltawa (24/9) - Timoschtschuk/Bayern München (33/119) - Jarmolenko/Dynamo Kiew (22/23), Konopljanka/Dnjpr Dnjpropetrowsk (22/22) - Garmasch/Dynamo Kiew (22/6) ab 78. Nasarenko/Twarija Simferopol (32/53) - Milewski/Dynamo Kiew (27/49) ab 77. Butko/Illitschiwez Mariupol (21/11) Devic/Metalist Charkow (28/24) ab 70. Schewtschenko/Dynamo Kiew (35/111). - Trainer: Blochin

Schiedsrichter: Viktor Kassai (Ungarn)

Zuschauer: 48.700

Beste Spieler: Gerrard, Rooney - Jarmolenko, Garmasch, Timoschtschuk

Tore: 1:0 Rooney (48.)

Gelbe Karten: Gerrard, Cole - Timoschtschuk (2), Rakizki, Schewtschenko

Erweiterte Statistik (Quelle: impire):

Torschüsse: 10:15

Ecken: 6:10

Ballbesitz: 44:56 Prozent

Mit Material von dpa und sid