Das Viertelfinal-Duell der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Griechenland birgt jede Menge Brisanz. Bundestrainer Joachim Löw bleibt im aufgeregten Umfeld aber scheinbar tiefenentspannt.

Danzig. Locker dribbelt Joachim Löw über den Trainingsplatz, er beobachtet entspannt das Training. Zwischendurch hält er mit Assistent Hansi Flick ein kurzes Pläuschchen. Bei der anschließenden Pressekonferenz gibt sich der gut gelaunte Bundestrainer, als würde allenfalls ein Länderspiel gegen die Färöer bevorstehen. Medienhetze? Politische Brisanz? Druck? Kein Thema.

„K.o.-Spiele haben natürlich einen anderen Charakter. Aber ich bin entspannt. Wir haben neun Punkte in dieser ganz starken Gruppe geholt und unser Zwischenziel erreicht. Wir freuen uns jetzt sehr, dass wir quasi in unserer Heimat spielen“, sagte der 52-Jährige vor dem EM-Viertelfinale am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) in Danzig gegen Griechenland gewohnt cool.

Dass schon in drei Tagen das wichtige Spiel ansteht, war am Dienstag im Lager der deutschen Nationalmannschaft ohnehin kaum zu spüren. Erstmals bei dieser EM gab es nach dem Vormittagstraining für den 23-köpfigen Kader Ausgang. Bis 23.00 Uhr hatten Philipp Lahm und Co. frei. Man könne die Spannung ja nicht immer „am oberen Level halten“, sagte Löw zur Begründung. Die Spieler konnten so mit ihren angereisten Frauen für einige Stunden die Urlaubsatmosphäre an der Ostsee genießen.

Kopf frei für das Viertelfinale, lautete das Motto. Das Umfeld ist aufgeregt genug. Doch Löw will die Schlagzeilen nicht an sich und sein Team heranlassen, und schon gar nicht will er sich politisch äußern. Er habe zu Bundeskanzlerin Angela Merkel „ein sehr gutes Verhältnis. Und wir haben eine Abmachung: Sie redet mir nicht in die Aufstellung rein, und ich ihr nicht in ihre politischen Statements“, sagte er mit einem Schmunzeln, um ernst anzufügen: „Die Politik ist außen vor. Wir sehen das absolut sportlich.“ Es gehe hier „nicht um den Euro, sondern um die EURO“, betonte auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in der Bild-Zeitung.

Und genauso geht es Löw auch an. Nach der kurzen Verschnaufpause am Dienstag wird der Schalter am Mittwoch wieder umgelegt, „dann geht die Spannung alleine nach oben“, sagte der Bundestrainer, der nach der perfekten Gruppenphase mit drei Siegen noch „an der Kompaktheit“ arbeiten will und nur noch „ein paar kleine Dinge“ zu verbessern hat, „damit wir die Qualität noch einmal erhöhen“.

Vor allem beim bisher wenig genialen Spielmacher Mesut Özil ist Löw überzeugt, „dass bei ihm die große Explosion noch kommt. Auch bei der WM 2010 war es nach der Vorrunde: Plötzlich war Özil gegen England und Argentinien überragend. Ich spüre, dass das auch jetzt eintritt“, sagte Löw und nahm den Star von Real Madrid noch einmal ausdrücklich in Schutz.

Dennoch: Dem deutschen Spiel fehlte ohne Özils Ideen der Glanz, den die Mannschaft in der Qualifikation oder in den Tests gegen Brasilien und die Niederlande verbreitet hatte. Statt eines Offensivspektakels praktizierte die DFB-Auswahl fast schon kühlen Ergebnisfußball.

Daraus jedoch eine grundsätzliche Abkehr von seiner Philosophie abzuleiten, hält Löw für falsch. Natürlich müsse gerade bei einem Turnier „die Mauer stehen. Man kann nicht immer nur im Hurrastil nach vorne rennen“, sagte er: „Aber wir haben auch nach vorne gezeigt, dass wir viele Möglichkeiten haben. Die Philosophie, nach vorne zu spielen und Tore zu erzielen, bleibt unverändert.“

Das wird aber immer schwieriger. „Die Gegner ziehen sich weit zurück“, beoachtete Löw, „zwangsläufig kann man da nicht immer vertikal spielen, sondern muss mehr in die Breite agieren.“ Auch die Griechen, die Holger Badstuber als „äußerst unangenehmen Gegner“ charakterisierte, werden den Deutschen kaum den Gefallen tun und nach vorne rennen, um Özil und Co. Räume zu bieten. Da wird Geduld gefragt sein, um der Favoritenrolle gerecht zu werden.

Eine Rolle, die das DFB-Team annimmt, vor der aber etwa auch Niersbach warnt. Auf die Frage bei dfb.tv, ob der Nationalmannschaft auf dem Weg ins Halbfinale angesichts des vermeintlich schwächeren Gegners der Rote Teppich ausgerollt worden sei, antwortete Niersbach: „Auf dem Roten Teppich sind auch schon Leute gestolpert. Das ist wie mit den Pferden vor der Apotheke.“

Allerdings ist Niersbach überzeugt, dass Philipp Lahm und Co. nicht ins Stolpern geraten: „Das Klima ist positiv, die Fans können darauf hoffen, dass es noch zwei Wochen weitergeht.“

Eines ist zumindest jetzt schon klar: Die deutsche Mannschaft könnte erst am 1. Juli in Kiew im EM-Finale auf Welt- und Europameister Spanien treffen. Auch wenn die Spanier bisher nicht so dominant auftraten, sind sie für Löw weiter „der absolute Topfavorit“. Immerhin verfolgte der Bundestrainer zwei Vorrundenspiele der Iberer, auch am Montagabend das 1:0 gegen Kroatien, und stellte danach fest, dass deren Kombinationen nach wie vor „weltklasse sind“.

Allerdings interessierten ihn die Auftritte der Spanier, aber auch der Italiener derzeit nur am Rande. „Wir haben Griechenland im Fokus. Was danach passieren kann und wird, steht noch in den Sternen.“