Löw erwartet im hochsommerlichen Spielort in der Westukraine wieder eine „schwierige Aufgabe“ für seine mit zwei Siegen gestartete Mannschaft.

Lwiw. Joachim Löw wird bei der Gratwanderung gegen die unbeschwerten Dänen kein Risiko eingehen. „Spieler schonen wird es nicht geben. Das werde ich in einer Partie, in der es um sehr viel geht, nicht tun“, erklärte der Bundestrainer am Sonnabend in Lwiw. Denn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft um den plötzlich hochgelobten Torjäger Mario Gomez geht nach den zwei wichtigen Siegen zum EM-Start zwar mit viel Selbstbewusstsein in das Gruppenfinale am Sonntag (20.45 Uhr/Liveticker auf abendblatt.de) in der Westukraine, aber auch gewarnt.

„Wir wissen genau, dass wir noch nicht definitiv qualifiziert sind. Wir stehen vor einem sehr kniffligen Spiel“, sagte Löw bei der offiziellen Uefa-Pressekonferenz, an der er auf Druck des Verbandes entgegen den DFB-Planungen doch teilnahm. Nachdem die Europäische Fußball-Union (Uefa) das Abschlusstraining beider Mannschaften zum Schutz des Rasens in der EM-Arena ins Ukraina-Stadion verlegt hatte, sollte Teammanager Oliver Bierhoff den Bundestrainer beim letzten Medientermin vertreten. Auf Druck der Uefa fügte sich der DFB.

Das plötzliche Vorrunden-Aus liegt als Drohung über dem dritten EM-Auftritt des deutschen Teams. „Wenn man sich die verschiedenen Rechenbeispiele vorführt, sieht man, dass es sehr schnell passieren kann“, verdeutlichte Bierhoff. Trotz sechs Punkten könnte schon ein 0:1 oder 1:2 gegen die unbequemen Dänen das Turnier-Aus bedeuten, wenn Portugal das Parallelspiel gegen Holland gewinnt.

„Wir stehen vor einer sehr schwierigen Aufgabe, da auch Dänemark noch eine Chance hat“, ermahnte Löw seine Spieler in jeder Teamsitzung. Der Gegner habe nichts zu verlieren. „Die Dänen haben selbst gesagt, sie können, sie müssen nicht. Sie können mit dem Einzug ins Viertelfinale die Sensation schaffen“, schilderte Löw.

Die Sportliche Leitung musste ihr Personal nach der „gefühlten Qualifikation“, wie Bierhoff die Stimmung nach dem 2:1 gegen Holland beschrieb, in kurzer Zeit nochmals in einen Endspiel-Modus bringen. Das sei gelungen, glaubt der Teammanager: „Man ist relativ schnell in die Realität zurückgekommen.“

Beim Abschlusstraining auf dem Ausweichplatz in Lwiw waren alle Akteure mit Volldampf bei der Sache. Auch unzufriedene Ersatzleute wie Toni Kroos, der seine Reservistenrolle mit moderaten Aussagen beklagt hatte. „Ich weiß nicht, ob das ein Motzen ist. Er hat gesagt, er ist unzufrieden, dass er nicht spielt. Ich will das nicht überbewerten, ich bin da nicht überempfindlich“, kommentierte Löw. Er begrüßte vielmehr, dass sich die Reservisten nicht mit ihrer Rolle abfinden, sondern ins Team drängen. „Sie hängen sich unglaublich rein im Training“, lobte er kollektiv Klose, Kroos und Kollegen.

Die Entscheidung, wer den nach zwei Gelben Karten gesperrten Jérome Boateng auf der rechten Abwehrseite ersetzen wird, fällt zwischen dem gelernten Mittelfeldspieler Lars Bender und dem schon auf dieser Position erprobten Benedikt Höwedes. Kapitän Philipp Lahm wechselt nicht von links nach rechts. „Es gibt die Überlegung, wer beginnt, Bender oder Höwedes“, erklärte Löw. Es muss nicht auf den von ihm hochgelobten Bender hinauslaufen. Konkurrent Höwedes habe „seine großen Stärken“ zwar als Innenverteidiger, aber „er hat bei uns auch schon Außenverteidiger gespielt“, erinnerte Löw an Einsätze des Schalkers etwa in der EM-Qualifikation.

Weitere Umstellungen sind nicht geplant. Eine Mannschaft, die Rhythmus und Sicherheit gefunden hat, würde ein Trainer nur ungern „auseinanderreißen“, bemerkte Löw. Veränderungen würde er – wenn überhaupt – nur „aus Überzeugung“ treffen, weil es „für dieses Spiel die richtige Entscheidung sein könnte“. Im Angriff setzt er wieder auf Erfolgsgarant Gomez. „Er hat drei entscheidende Tore erzielt. Er hat einen sehr guten Lauf“, lobte er den Stürmer des FC Bayern.

Die Spieler wollen jede Rechnerei vermeiden und verwiesen auf ihre optimale Ausgangsposition im Kampf um das Viertelfinale. Ein dritter EM-Vorrundensieg wäre sogar DFB-Rekord. „Es ist sehr angenehm zu wissen, uns reicht ein Punkt, um Erster zu bleiben“, sagte Dortmunds Verteidiger Mats Hummels. „Wir wollen unser Spiel gegen Dänemark gewinnen“, betonte Lukas Podolski, der im ukrainischen Lwiw in den elitären „Club der Hunderter“ einziehen kann.

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„Das ist eine große Leistung, wenn man mit 27 Jahren 100 Länderspiele hat“, lobte Löw den Jubilar, der bei dieser EM offensiv noch nicht gezündet hat. Der Bundestrainer erinnerte jedoch daran, dass Podolski „für uns nicht nur bei den Turnieren schon viele wichtige und entscheidende Tore erzielt hat“. In den Spielen gegen Portugal (1:0) und Holland (2:1) waren vor allem Podolskis Lauf- und Defensivqualitäten gefragt. Angesichts der Gruppen-Konstellation dürfte das auch gegen Dänemark vorrangig wieder so sein.

Nicht nur der gebürtige Pole möchte sich unbedingt den Wunsch erfüllen, das Viertelfinale im nur elf Kilometer vom deutschen EM-Stammquartier entfernten Danziger Stadion und das mögliche Halbfinale in Warschau zu spielen. Auch Löw, der darum forderte: „Das Ziel ist der Gruppensieg.“ Die vierte Ukraine-Reise ist erst für das Turnierende geplant – zum großen Finale am 1. Juli in Kiew.

(dpa/abendblatt.de)