Deutschlands Spielmacher von Real Madrid spricht im Interview mit dem Abendblatt über seine sportlichen Ziele und sein neues Kampfgewicht.

Danzig. Wahrscheinlich wird kaum ein Spieler weltweit derzeit so gut bewacht wie Mesut Özil. Auf dem Platz und abseits davon. Um zum verabredeten Treffpunkt im Hotel Dwor Oliwski zu gelangen, muss man jedenfalls eine ganze Reihe von Absperrungen sowie mal mehr und mal weniger finster dreinschauende Polizisten passieren. Der Aufwand soll sich aber lohnen. Im Interview mit dem Abendblatt spricht Özil über das Spiel gegen Dänemark, seinen neuen Medienberater und SMS-Nachrichten an Spaniens Sergio Ramos.

Hamburger Abendblatt: Herr Özil, was ist eigentlich Superfly?

Mesut Özil: Die Schuhe, die ich trage, die sind Superfly!

In der Werbekampagne einer Ihrer Sponsoren sagen Sie, Sie seien Superfly.

Özil: Ach, deswegen fragen Sie. Den Werbespot haben wir in Madrid gedreht, das war ein Spaß. In dem Spot sage ich: Superfly ist spielerische Dominanz, geniale Pässe zu spielen und im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen.

Stehen Sie gerne im Mittelpunkt?

Özil: Natürlich ehrt mich das Interesse an meiner Person. Das wichtigste Ziel ist aber, dass ich mich auf Fußball konzentriere. Für alles andere ist mein Vater zuständig. Wir achten darauf, dass Werbemaßnahmen mich zeitlich nicht zu sehr belasten, und es muss auch die richtige Kampagne für mich sein.

Ihr Vater arbeitet jetzt mit dem Medienberater Roland Eitel zusammen, der auch Bundestrainer Joachim Löw berät. Was haben Sie gemeinsam vor?

Özil: Für mich ist jetzt nur die Europameisterschaft wichtig.

Erlauben Sie die Nachfrage: In Deutschland wurde zuletzt weniger über Sie als Fußballer als über Sie als Prominenten, dessen Ferrari mal im Parkverbot steht, berichtet. War das der Grund, einen eigenen Medienberater zu engagieren?

Özil: Ich bin Fußballspieler, also soll man über mich als Fußballer schreiben. Ich habe aber auch akzeptiert, dass es dazugehört, dass ab und zu mal andere Fotos veröffentlicht werden, wenn ich in Madrid unterwegs, im Urlaub oder zu Besuch in Deutschland bin.

Dann lassen Sie uns über Fußball sprechen. Sind Sie mit sich selbst bislang bei dieser EM zufrieden?

Özil: Im Großen und Ganzen schon, auch wenn ich es sicherlich noch besser kann. Ich hatte etwas Pech mit meinem Pfostenschuss gegen Holland. Aber nach sechs Punkten aus zwei Spielen gibt es wenig Grund zu meckern.

Ihre Mitspieler haben Sie dafür gelobt, dass Sie so emsig mit nach hinten arbeiten. Hat das Bundestrainer Joachim Löw explizit von Ihnen gefordert?

Özil: Das braucht er nicht, denn das geht doch heutzutage gar nicht mehr anders.

Basti Schweinsteiger hat überspitzt formuliert, Sie hätten Narrenfreiheit dort vorn. Das ist doch eigentlich Blödsinn.

Özil: Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Offensiv habe ich alle Freiheiten auf dem Platz, weil ich auch Spielmacher bin. Ich kann mich rechts bewegen, links bewegen, vorne. Trotzdem heißt das nicht, dass ich nicht nach hinten arbeiten muss.

José Mourinho, Ihr Klubtrainer, hat gesagt, Sie seien momentan der beste Zehner der Welt. Widersprechen Sie?

Özil: Mourinho widerspricht man nicht. Natürlich bin ich glücklich darüber, und es ehrt mich, wenn er so was sagt.

Wenn Sie mit Deutschland eine erfolgreiche EM spielen, sind die Chancen für Sie gut, dass Sie Weltfußballer des Jahres werden können. Ist das ein Anreiz?

Özil: Von so einer Auszeichnung träumt jeder. Und ich weiß, was ich kann.

Vor der WM 2010 galten Sie noch als unbeschriebenes Blatt, jetzt sind Sie einer der Kandidaten für die Auszeichnung des Weltfußballers des Jahres. Hat sich Ihr Selbstbewusstsein verändert?

Özil: Selbstbewusstsein hatte ich schon immer. Und trotzdem bin ich immer noch der alte Mesut, der Spaß am Fußball hat und der sich immer freut, bei der Nationalmannschaft dabei zu sein.

Hat sich denn Ihre Spielweise seit der WM 2010 verändert?

Özil: Nicht wirklich. Natürlich bin ich durch die WM und durch Real Madrid populärer geworden. Aber ich achte überhaupt nicht darauf, ob mich jetzt zwei oder drei Gegenspieler attackieren. Was sich ein wenig verändert hat, ist mein Gewicht. Ich habe durch regelmäßiges Krafttraining drei bis vier Kilo zugenommen, wobei ich darauf geachtet habe, dass ich nicht zu viel Gewicht zulege, damit ich meine Geschwindigkeit nicht verliere.

Gibt es überhaupt eine Schwäche, an der Sie sich gezielt verbessern wollen?

Özil: Ich könnte noch torgefährlicher werden.

Von Portugals Superstar Cristiano Ronaldo erwartet man bei jeder Ballberührung, dass er etwas Besonderes macht. Das erwartet man bei Ihnen mittlerweile auch. Registrieren Sie das?

Özil: Ach, ich gebe immer hundert Prozent. Mehr kann ich nicht tun. Ich bin eben auch nur ein Mensch.

Und offenbar ein besonders lustiger. Ronaldo hat mehrfach geäußert, Sie seien so witzig. Wir erleben Sie aber eher als zurückhaltend und nachdenklich.

Özil: Wenn ich im Kreise der Mannschaft bin, bin ich anders, besonders bei Real Madrid. Da mache ich viele Späße, ärgere die Mitspieler. Oder Jungs wie Ronaldo, Benzema oder Sergio Ramos ärgern mich. Wir verstehen uns einfach gut. Mit Ramos und Benzema habe ich in den letzten Tagen auch mehrfach hin und her gesimst.

Was simst man sich denn? Bis bald, wir sehen uns im Finale?

Özil: Ich habe Ramos zum 4:0 gegen Irland beglückwünscht. Über das Finale reden wir dann später. Jetzt gilt meine Konzentration erst mal Dänemark.

Was darf man denn von Dänemark erwarten?

Özil: Die wollen sicher gewinnen. Alle wollen Deutschland schlagen und geben 200 Prozent. Das kenne ich auch von Real Madrid. Wenn du für Real und für Deutschland spielst, weißt du, dass du Titel holen musst. Dafür sind wir hier ja auch angetreten.

Was halten Sie denn davon, wenn Sie nach der Europameisterschaft mit Philipp Lahm auch bei Real Madrid um Titel kämpfen würden? Ihr Klub scheint ja Interesse zu haben.

Özil: Was für eine Frage! Philipp Lahm wäre eine Verstärkung für jeden Klub der Welt. Auch für uns. Aber hier reden wir nicht darüber.

Abendblatt-Redakteur Kai Schiller schreibt jeden Tag aus Polen einen Brief an Hamburg www.abendblatt.de/schillersbriefe