Zweifach-Torschütze Mario Gomez und Zweifach-Vorlagengeber Bastian Schweinsteiger sind auch abseits des Fussballplatzes unzertrennlich.

Danzig/Charkow. Selbstverständlich erzählte Bastian Schweinsteiger am Morgen nach dem aus vielerlei Hinsicht erlösenden 2:1-Sieg gegen die Niederlande die Unwahrheit. Der Schock würde noch immer tief sitzen, witzelte der Münchner, als er nach dem ersten Treffer von Mario Gomez befragt wurde. Der Bayern-Torjäger hatte am Vorabend in der 24. Minute einen Pass seines Vereinskollegen mit links angenommen, sich einmal um die eigene Achse gedreht, drei Tippelschritte gemacht, dann mit rechts vollendet. "Ich muss gestehen, dass ich mich zunächst gar nicht über Marios erstes Tor freuen konnte. Ich war einfach geschockt." Die kleine Anekdote hatte natürlich genauso wenig mit der Wahrheit zu tun wie Schweinsteigers Bekenntnis, dass er "eine derartige Aktion vom Mario zuvor noch nie gesehen" habe.

Wenn einer in einer Woche, in der Gomez nach eigener Aussage "nur auf die Fresse bekommen" hat, noch Witze über den zuvor so kritisierten Nationalstürmer machen darf, dann ist das Schweinsteiger. Die beiden sind mehr als nur Mannschaftskameraden. Beide gehören der sogenannten Gärtnerplatz-Gang an, die sich bevorzugt in Cafés rund um den beliebten Platz im Münchner Glockenbach-Viertel trifft und zu der auch Holger Badstuber gehört. So ist es wenig überraschend, dass sich vor dem Spiel gegen die Niederlande ausgerechnet dieses Trio einen Bungalow auf der Anlage von Metalist Charkow geteilt hat, in der die Nationalmannschaft für eine Nacht residiert hatte. "Offenbar haben sich Basti und ich dort optimal auf das Spiel gegen die Niederlande eingestimmt. Es waren jedenfalls zwei absolute Traumpässe von ihm vor meinen Toren", sagte Gomez, als er am Vorabend die Auszeichnung der Uefa für die Trophäe des "Man of the match" entgegennahm.

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"Im Strafraum ist Mario ein absoluter Weltklassespieler", lobte Schweinsteiger, der wohl so gut wie kein anderer nachvollziehen kann, welche Last von seinem Kumpel gefallen ist. Ähnlich wie Gomez, dem immer wieder seine angeblich mangelhafte Laufleistung vorgeworfen wurde, musste sich auch Schweinsteiger zuletzt deftige Kritik gefallen lassen. Er sei nicht fit, spiele zu defensiv, setze offensiv keine Akzente mehr und hätte sich vor allem seit der so glänzenden WM 2010 nicht weiterentwickelt. Zu alldem kam noch der verhängnisvolle Pfostenschuss im Elfmeterschießen beim Finale der Champions League gegen Chelsea, den er bis heute nicht überwunden haben soll.

Während der 27-Jährige die Vorwürfe eins bis drei zumindest in Ansätzen im Spiel gegen die Niederlande widerlegen konnte, hat er den letzten Vorwurf seiner Meinung nach bereits am Vorabend des Spiels entkräftet. Denn da stand plötzlich Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch, der im DFB-Quartier in Charkow spontan vorbeischaute, vor ihm. "Wir haben uns kurz unterhalten", berichtete Schweinsteiger, "und ich habe ihm zum Gewinn der Champions League gratuliert." Verhält sich so jemand, so Schweinsteigers Botschaft, der ein Trauma davongetragen hat?

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Alles andere als traumatisiert schien zumindest während des Spiels gegen die Niederlande Gomez zu sein. Zwar gab der als sensibel geltende Angreifer zu, dass eine kiloschwere Last von seinen Schultern gefallen sei, aber seine beiden Tore auf dem Platz dürften wohl Antwort genug auf die längst obsolete Diskussion um Laufleistung und Engagement sein. Zusätzlich bestätigt darf sich Gomez durch die im Spiel gemessenen Daten fühlen. So ermittelte "Castrol", dass der alles andere als lauffaule Angreifer bis zu seiner Auswechslung gegen Miroslav Klose in der 72. Minute 8,826 Kilometer unterwegs war. Hochgerechnet auf 90 Minuten entspricht das einem für einen Mittelstürmer mehr als ordentlichen Wert von 9,896 Kilometern. Zum Vergleich: Schwedens Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic war im Spiel gegen die Ukraine 9,362 Kilometer unterwegs, der ukrainische Altmeister Andrej Schewtschenko brachte es im selben Spiel in 81 Minuten auf 8,826 Kilometer.

Nun ist Gomez bekanntlich kein Marathonläufer, sondern ein Torjäger. Und in dieser Funktion gibt es kaum einen bei dieser EM, der besser ist. Das glaubt zumindest HSV-Trainer Thorsten Fink, der die Diskussion um Laufleistung und -distanzen im weit entfernten Hamburg nicht im Ansatz verstehen kann: "Mit seinen drei Toren in zwei Spielen hat Mario allen Kritikern das Maul gestopft." Viel anschaulicher hätte es Kumpel Schweinsteiger wohl auch nicht formulieren können.