Am Tag nach dem 2:1-Erfolg geht der deutsche Blick Richtung Dänemark. Das Selbstbewusstsein ist groß, von Zufriedenheit keine Spur.

Charkow/Danzig. Dreimal ballte Joachim Löw die linke Faust und brüllte ein befreiendes „Jaaaa“ Richtung Spielerbank. Der Bundestrainer war nach dem zweiten erfolgreichen EM-Kraftakt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ungemein stolz auf seine Holland-Besieger um den Torgaranten Mario Gomez, der bei seinem dritten Turnier eine Leistungsexplosion erlebt. „In der sogenannten Todesgruppe haben wir jetzt sechs Punkte geholt, und das gegen zwei ganz starke Mannschaften. Das ist eine starke Leistung“, sagte Löw ebenfalls sichtlich abgekämpft nach der 90-minütigen „Hitzeschlacht“ gegen den Erzrivalen Niederlande, der vor dem Vorrunden-K.o. steht.

Europa feiert: "Super-Mario" presst saftlose Orangen aus

Nach der verspäteten Rückkehr nach Danzig morgens um 4.00 Uhr und einer nur kurzen Nacht richtete Bastian Schweinsteiger am Mittag gleich den Blick nach vorne. „Jetzt gilt es dran zu bleiben“, betonte der erstarkte Mittelfeldchef am Donnerstag. „Wir sind noch nicht durch. Wir müssen schnell regenerieren und auch gegen Dänemark gewinnen, um den Einzug ins Viertelfinale klar zu machen.“ Löw beorderte die Reservisten um Klose am Nachmittag sofort wieder zum Training.

Wie schon beim 1:0 gegen Portugal bestach die deutsche Elf auch beim 2:1 gegen den WM-Zweiten mit dem kaltgestellten Bayern-Star Arjen Robben mit disziplinierter Defensivarbeit. „Bei einem Turnier kommt die Mannschaft weit, die defensiv sehr gut steht. Wir stehen wie eine Wand. Ich bin zuversichtlich, dass wir unseren Stil noch besser zeigen können“, erzählte Schweinsteiger begeistert. Bei den „Weltklasse-Toren“ (Kapitän Philipp Lahm) von Gomez blitzte zudem die spielerische Klasse auf, auch beim Passgeber Schweinsteiger.

Der Stilwandel vom Lust-und-Laune-Fußball der WM 2010 zum Effizienz-Fußball 2012 lässt Titelträume reifen – über 27 Millionen Fans jubelten in der Heimat vor den Fernsehern. „Das Wichtigste ist, Ergebnisse zu erzielen“, erklärte Anführer Lahm. Zumal die deutsche Gruppe brandgefährlich bleibt. Jedes Spiel fühlt sich schon an wie ein Duell in der K.o.-Runde. Nicht mal die sechs Punkte garantieren das Viertelfinalticket. „Eigentlich denkt man, nach zwei Siegen ist man durch. Aber das ist leider nicht so“, staunte Lukas Podolski.

Joachim Löw: "Wir haben Holland müde gelaufen"

Schon ein 0:1 oder 1:2 zum Vorrundenabschluss am Sonntag in Lwiw könnte das Aus bedeuten. Aber das Selbstvertrauen ist jetzt riesig. „Wir haben das Tor aufgestoßen. Wir haben es jetzt selbst in der Hand, gegen Dänemark alles klar zu machen“, verkündete Löw.

Er muss notgedrungen nach der zweiten Gelben Karte von Jerome Boateng auf der rechten Abwehrseite eine Umstellung vornehmen. Seine gefundene Turnierelf will er aber nicht groß verändern. „Wir brauchen ja noch Punkte“, kündigte Löw gleich nach dem Holland-Spiel an.

Schon ein Unentschieden reicht der DFB-Auswahl zum Gruppensieg und dem angestrebten „Heimspiel“ im Viertelfinale in Danzig, nur wenige Kilometer vom EM-Quartier entfernt. „Wir wollen in Polen spielen“, erklärte der gebürtige Pole Lukas Podolski. Als möglicher Gegner käme aus Gruppe A auch noch der EM-Gastgeber infrage – ein heißes Duell.

Von der Favoritenrolle mochte nach den Turniertoren zwei und drei von Gomez (24./38. Minute), denen die Holländer vor 37.750 Zuschauern im Metalist-Stadion nur das Anschlusstor des starken Robin van Persie (73.) entgegensetzen konnten, noch keiner laut reden. „Nein, überhaupt nicht“, verkündete der Dortmunder Mats Hummels, „es ist ja nicht einmal die Gruppenphase überstanden.“

Löw hat eine Titelstrategie entworfen, die nicht mehr auf Hurra-Fußball basiert, sondern auf kollektiver Arbeit gegen den Ball und den Gegner. „Wir haben es absolut klasse verstanden, defensiv gut zu arbeiten. Den Holländern ist wenig eingefallen“, lobte er gerade auch seine Offensivkräfte für das extreme Schuften nach hinten.

Nur einen Kritikpunkt brachte er an: „Wir hätten den Sack früher zumachen können.“ Das dritte Tor fiel nicht, weil Spielmacher Mesut Özil noch nicht im Weltklassemodus ist und Podolski sowie Thomas Müller auf den Außenbahnen offensiv nicht wie erhofft zünden. „Nach vorne würde es ihnen gut tun, wenn sie mal ein Tor machen könnten, klar“, erklärte der Bundestrainer.

EM-Viertelfinale zum Greifen nah - bei Gomez läuft's

Fürs Toreschießen ist bislang allein Gomez zuständig. Es war die pure Genugtuung für den 26-Jährigen, der trotz seiner beeindruckenden Trefferquote beim FC Bayern und inzwischen auch im Deutschland-Trikot selbst nach dem Portugal-Spiel hart kritisiert worden war, explizit von ARD-Experte Mehmet Scholl. Drei Tage lang habe er „nur auf die Fresse bekommen“, klagte der Stürmer, dem die Diskussionen zugesetzt hatten: „Man versucht das abzuschütteln, aber es ist doch da.“

Löws Vertrauen zahlte er mit zwei Traumtoren zurück. „Die Antwort habe ich auf dem Platz geben. Ich bin sehr glücklich nach einigen schwierigen Tagen mit vielen Kilos auf der Schulter.“ Löw geriet ins Schwärmen über Stehaufmännchen Gomez, lobte die Effizienz seines neuen Angreifers Nummer 1 nach den Länderspieltoren 24 und 25: „Er hatte zwei Chancen und macht zwei Tore. Und dann die Klasse, wie er diese Tore macht.“

Der Gegner hatte nur in van Persie einen Gefahrenherd. „Wir waren einfach nicht stark genug“, gestand Bondscoach Bert van Marwijk. Noch ist aber auch Holland nicht verloren. Die Portugiesen muss man mit zwei Toren schlagen – und Deutschland die Daumen drücken. „Die Deutschen werden auch gegen Dänemark versuchen zu gewinnen“, sagte der von Lahm kaltgestellte Robben, „das haben sie mir versprochen.“ (dpa/HA)