In der ersten Hälfte plätscherte die Partie zwischen der Ukraine und Schweden dahin. Nach dem Seitenwechsel ging es dann plötzlich rund.

Kiew. Das alternde Idol Andrej Schewtschenko hat die EM-Euphorie in der Ukraine zum Überkochen gebracht. Der schon 35 Jahre alte frühere Weltklassestürmer erzielte beim 2:1 (0:0) des EM-Mitausrichters gegen Schweden beide Tore (55./61.) und versetzte nicht nur die ukrainischen Anhänger im Olympiastadion von Kiew, sondern ein ganzes Land in Ekstase. „Das ist traumhaft. Wir haben ein wundervolles Spiel gezeigt, und das vor eigenem Publikum. Jetzt können wir uns in Ruhe auf das nächste Spiel vorbereiten“, sagte Schewtschenko.

Nach dem Sieg im historischen ersten Spiel bei einer EM-Endrunde warten auf die Mannschaft von Oleg Blochin in der Gruppe D aber noch zwei schwere Brocken: Frankreich und England. Beide hatten sich zuvor 1:1 getrennt.

Schewtschenko, ein Mann aus einer anderen Zeit, hat den sportlichen Zenit längst überschritten - dennoch entschied er in einer lebhaften zweiten Halbzeit vor 64.290 Zuschauern auch das Duell der Superstars für sich. Ausnahmespieler Zlatan Ibrahimovic hatte Schweden in Führung gebracht (52.), in der 39. Minute aber freistehend per Kopfball nur den Pfosten getroffen. Außer „Ibrakadabra“ hatten die Schweden allerdings auch wenig Zauberhaftes zu bieten. Insgesamt war die Ukraine, zuvor nur bei der WM 2006 Teilnehmer an einem großen Turnier, erkennbar besser, im Spiel nach vorne schneller. Der Sieg war verdient.

Die Begeisterung war schier unermesslich. Jahrelang hatte die Ukraine auf diesen Tag gewartet, auf die Chance, erstmals bei einer EM-Endrunde mitspielen zu können. Als zum Anpfiff hin der übliche Zehn-Sekunden-Countdown mitgezählt wurde, flippten die Ukrainer völlig aus. Es war deutlich zu spüren und zu hören, wie sehr das Land dieses Spiel in seiner Hauptstadt herbeigesehnt hatte.

Bei den Treffern von Schewtschenko riss es die etwa 50.000 ukrainischen Fans von den Sitzen, ihr Jubel war so laut, dass das neue Dach des Stadions beinahe davonzufliegen schien. Bei „Schewas“ Auswechslung (82.) gab es Standing Ovations. Den Mann des Abends hielt es aber nicht auf der Bank. Im Stehen verfolgte er die letzten Minuten.

Schewtschenko hatte ein wenig überraschend in der Startformation gestanden, und er trug auch die Kapitänsbinde, sonst das Privileg von Anatoli Timoschtschuk (Bayern München). Im Angriff erhielt „Schewa“ Unterstützung vom früheren Bundesliga-Profi Andrej Woronin. Timoschtschuk ließ sich bei den Angriffen der Schweden weit zurückfallen, um Ibrahimovic aus dem Spiel zu nehmen - was nicht immer gelang.

Zunächst einmal war trotz großer Vorfreude erst mal gar nichts passiert - bis zur 17. Minute. Dann flog ein Ball von Ibrahimovic in den Strafraum - der ukrainische Torhüter Andrej Pjatow musste sich dabei gewaltig strecken, um ihn wegzufausten. Pjatow ist Torhüter Nummer vier in der Ukraine. Die Nummer eins und zwei sind verletzt, die Nummer drei, Alexander Ribka, ist wegen Dopings gesperrt. Ribka wiederum ist beim ukrainischen Renommierklub Schachtjor Donezk die Nummer eins - vor Pjatow. Die Nummer vier hielt aber wie eine Eins - auch beim strammen Schuss von Ibrahimovic in der 75. Minute.

Vor Ibrahimovic lief Markus Rosenberg (bislang Werder Bremen) auf, der schwedische Nationaltrainer Erik Hamren ließ dafür den gerade erst nach einer Fraktur im rechten Fuß genesenen Johan Elmander auf der Bank. Rosenberg war es dann auch, der in der 31. Minute den ersten Schuss direkt auf eines der beiden Tore abgab, doch Pjatow war auf dem Posten.

Wohl, weil die Ukraine sonst nicht durchkam, vesuchte es Woronin dann in der 35. Minute mal aus der Distanz und brachte Torwart Andreas Isaksson mit seinem Schuss in Verlegenheit - ein Tor glückte ihm gleichwohl nicht. Auch nicht drei Minuten später, als bei tumultartigen Szenen im schwedischen Strafraum erst Schewtschenko und dann Andrej Jarmolenko die Führung vergaben. (sid/abendblatt.de)

+++ Das Spiel im Liveticker +++

Vor dem Spiel: Am 1. Juli endet in Kiew das, was erst am vergangenen Freitag begonnen hat. Das Finale dieser Europameisterschaft ist noch in weiter Ferne. Wenn heute Abend mit der Ukraine im Duell gegen Schweden endlich auch der zweite Gastgeber dieser kontinentalen Fußball-Festspiele in das Turnier eingreift, ist das Olympiastadion die große Bühne. Beide Mannschaften komplettieren im zweiten Spiel der Gruppe D den ersten Spieltag. Die Ukrainer hoffen durch einen Auftakterfolg nach dem 1:1 zwischen England und Frankreich am frühen Abend sogar vorerst die Tabellenführung übernehmen zu können.

Im Lager der Gastgeber ruhen die Hoffnungen vor Allem auf zwei aus der Bundesliga altbekannten Namen: Andrej Voronin und Anatolij Timoschchuk. Und dann ist da natürlich noch der ewige Andrej Schewtschenko. Beim Gegner Schweden dreht sich dagegen alles um Superstar Zlatan Ibrahimovic. Das Gesangsduell gewannen am Nachmittag bereits die Skandinavier, die in Scharen friedlich in Kiews Innenstadt eingefallen waren und sogar die Hoheit über die Anhänger der Gastgeber gewannen. Das dürfte sich spätestens mit Anpfiff der Partie im prall gefüllten Olympiastadion in der ukrainischen Hauptstadt ändern.

+++ Der Spielplan - Alle Termine der Fußball-EM 2012 +++

Die Aufstellungen

Ukraine: 12 Pjatow - 9 Gusiev, 17 Michalik, 3 Chatscheridi, 2 Selin - 11 Jarmolenko, 4 Timoschtschuk, 19 Konopljanka - 18 Nasarenko - 10 Woronin (85. Rotan), 7 Schewtschenko (81. Milewski). - Trainer: Blokhin

Schweden: 1 Isaksson - 2 Lustig, 3 Mellberg, 4 Granqvist, 5 Olsson - 6 Elm, 9 Källström - 7 Larsson (68. Wilhelmsson), 20 Toivonen (63. Svensson) - 10 Ibrahimovic - 22 Rosenberg (71. Elmander). - Trainer: Hamren

Schiedsrichter: Cüneyt Cakir (Türkei)

Zuschauer: 60.000

Tore: 0:1 Ibrahimovic (52.), 1:1 Schewtschenko (55.), 2:1 Schwetschenko (62.)